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Jetzt muß die Welt den Altstalinisten bändigen

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Von der neuen Weltordnung sind wir noch weit entfernt. Das gefahrliche Beispiel des unsicheren Umgangs mit Nordkorea beweist es.

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Von der neuen Weltordnung sind wir noch weit entfernt. Das gefahrliche Beispiel des unsicheren Umgangs mit Nordkorea beweist es.

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Nordkorea, das 1974 in die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) aufgenommen worden war, aber erst 1985 den Atomwaffensperrvertrag von 1968 unterzeichnet hatte, machte seine Zustimmung zu einer Inspektion der nuklearen Installationen zuerst von der vertraglich nicht gedeckten Bedingung abhängig, daß auch die amerikanischen Basen in Südkorea* einer solchen Kontrolle unterworfen würden. Erst 1992 schien der tote Punkt überwunden zu sein, als Nordkorea in den Abschluß eines im Kernwaffensperrvertrag für NichtAtomwaffen-Staaten vorgesehenen Safeguard Agreements einwilligte und sich der Kontrolle unterwarf.

Die praktischen Schwierigkeiten, die Nordkorea den mit der Kontrolle beauftragten IAEA-Spezialisten in den Weg legte, ließen aber bald an seinem guten Willen, die diesbezüglich übernommenen Verpflichtungen auch wirklich zu erfüllen, zweifeln. Die jüngste Eskalation des Konflikts wurde im Mai 1994 eingeleitet, als Nordkorea mit dem Austausch von Brennstäben aus der Nuklearanlage in Yongbyon ohne Zuziehung von Inspektoren der IAEA begann.

Am 10. Juni 1994 beschloß der Gouverneursrat der IAEA Sanktionen gegen Nordkorea in Form des

Entzuges jeder technischen Hilfe, ausgenommen nur den medizinischen Bereich.

Nordkorea hat auf diese Sanktionen am 13. Juni mit seinem Austritt aus der IAEA reagiert und gleichzeitig gedroht, die beiden letzten noch verbliebenen Inspektoren auszuweisen. Daraufhin brachten die USA am 14. Juni im Sicherheitsrat eine Resolution ein, in der Nordkorea zur Erfüllung der von der IAEA für die wirksame Inspektion seiner Atomanlagen gemachten Auflagen eine einmonatige Frist eingeräumt und für den Nicht-Erfüllungsfall gestaffelte Sanktionen angedroht werden. Ob und wann es freilich zur Verhängung von Sanktionen durch den Sicherheitsrat kommt, ist schwer vorherzusagen.

Einvernehmliche Beilegung?

Der Schlüssel zur Lösung des Korea-Problems scheint bei der Volksrepublik China zu liegen. Peking steht den nuklearen Aspirationen Nordkoreas mit Zurückhaltung gegenüber; und es kann angenommen werden, daß China eine Ausweitung der Krise nicht gelegen kommt, weil es seine zuletzt gerade, erst mühsam verbesserten Beziehungen zu den USA und damit indirekt auch seine wirtschaftlichen Reformen gefährdet sehen muß. Andererseits kann es sich das kommunistische China aber nicht leisten, seinen Nachbarn und engsten Verbündeten einfach fallen zu lassen; auch emotionelle Bindungen, die noch auf die Zeit des Korea-Krieges zurückgehen, mögen bei der „Alt-Herren-Garde” in Peking eine Rolle spielen.

Die USA haben zwar erklärt, die Sanktionen nötigenfalls auch ohne die UNO durchzusetzen, doch zeigt die vergangene Woche gleichzeitig unternommene inoffizielle Mission von Alt-Präsident Jimmy Carter, daß auch die Clinton-Administration einer einvernehmlichen Beilegung des Konflikts den Vorzug geben würde. Dafür spräche auch das von Carter lancierte Gipfeltreffen zwischen Nord- und Südkorea.

Da aber selbst die Amerikaner offensichtlich über die wirklichen Absichten Nordkoreas im Dunkeln tappen, ist es für die Europäer noch schwieriger, den Konflikt in zutreffender Weise zu beurteilen. Daß die USA die Krise künstlich nährten, um ihren schwindenden militärischen Einfluß in Ostasien wiederzugewinnen, muß wohl eher als neue Variante des alten Liedes vom US-Imperialismus angesehen werden. Daß der Altstalinist Kim II Sung mit der atomaren Karte zumindest als Trumpf im Talon drohen möchte, um seinem abgewirtschafteten Regime im Falle einer Wiedervereinigung Koreas das Schicksal der DDR zu ersparen, darf als sicher gelten.

Wenn bestimmte südkoreanische Kreise für diese Aspirationen hinter vorgehaltener Hand sogar Sympathien ausdrücken, weil damit auch ein wiedervereinigtes Korea zum Atomwaffen-Staat würde, so zeigt sich darin bereits eine gewisse Irrationalität. Diese könnte jedoch gefährlich werden, falls die Bankrotteure in Pjöngjang mit ihrem atomaren Erpressungsversuch scheitern und sich daraufhin zu Verzweiflungstaten hinreißen lassen sollten, die zumindest Ostasien in die stalinistische Götterdämmerung Kim II Sungs hineinziehen könnten.

Der Autor ist

Forstand des Instituts für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Linz.

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