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Jugendschriften in der Krise

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Es rauscht wiederum im Blätterwald: nicht etwa bei Tages- und Wochenzeitungen, wie wir sie täglich zur Hand nehmen, sondern bei den Publikationen der Jugendorganisationen. Flauten hat es dabei schon öfters gegeben, eine derartige Krise aber noch nicht. „ ,Opal' ist an den Bestbietenden zu verkaufen“, meinte der Bundes-jugendringvorsitzende Schinko über die Monatsillustrierte der Katholischen Jugend. Damit ist dem kurzen Höhenflug einer für alle Gliederungen der KJ gemeinsamen Zeitschrift ein jähes Ende vorauszusagen. Nicht einmal der kommerzielle Schutzmantel des Fährmann-Verlages konnte bis jetzt das Gespenst des „Eingehens“ vertreiben. Nach dem Auflassen der diversen Organisationsblätter — wie etwa „Junger Arbeiter“ und „Aspekte“ — steht die KJ nun vor der Tatsache, in Kürze bald überhaupt keine Publikation mehr zur Verfügung zu haben. War die BUanz dieser Blätter mit roten Zahlen gesegnet und erhoffte man sich durch „Opal“ eine finanzielle Gesundung, so steht man nun noch tiefer in der Kreide. Einen Ausweg hat man einstweilen noch nicht gefunden.

Noch schlechter geht es dem Verband Sozialistischer Mittelschüler mit seinem Revolutionsblatt „frontal“, das durch Schlagzeüen in der Tagespresse bereits hinlänglich bekannt ist. Im Dezember des Vorjahres ist die letzte Nummer erschienen. Seither, so wird vom VSM her laut, hat man nicht die finanziellen Mittel zur Hand, um eine weitere Nummer herausgeben zu können. Sicherlich haben sich Inserenten durch die Aufmachung abschrecken lassen und damit einen Weiterbestand in Frage gestellt, aber auch von der SPÖ haben die Jungsozialisten durch ihre unmißverständliche linksextreme

Gangart keinerlei Hilfe zu erwarten. Mit dem evangelischen Jugendwerk und seiner Zeitschrift „anstoß“ war die evangelische Kirche Österreichs unzufrieden — zu weit „links“, zuwenig Organisation —, und beabsichtigt nun, falls keine Änderung eintritt, dem Unternehmen „das Gas abzudrehen“. Das braucht die ÖVP bei ihrer Jugendbewegung nicht zu tun, denn dort ist man sich selbst uneins: War es früher der

„ausblick“ das alleinige Meinungsforum der jungen ÖVP, das redaktionell in Wien gestaltet wurde, so haben jetzt die reformfreudigen Steirer eine „horizonf-Illustrierte geschaffen, die teilweise nun auch von Wien unterstützt wird. Zwei Schriften also, von denen keine weiß, welche nun das Organ der ÖJB ist. Gerüchten zufolge denkt man aber schon wieder daran, den „ausblick“ in neuem Glanz erstehen zu lassen — beim Konzept für das „Wie“ und „Was“ ist man sich aber noch im unklaren, so daß eine Einigung der beiden Gruppen noch nicht abzusehen ist. Graz meint, „hori-zont“ sei unentbehrlich, die anderen können den „ausblick“ nicht missen. Im Pop-Stil erscheint „trotzdem“ der Sozialistischen Jugend — hat auch keine finanziellen Schwierigkeiten —, dafür aber nur laue und oberflächliche Information zum Inhalt. Die Krise der SJ-Zeitung liegt in der Information, die sich im „Nachbeten“ der Parteimeinung erschöpft. Über die Zeitschrift der österreichischen Gewerkschaftsjugend, „hallo“, hüllt sich der Schutz-mantel des ÖGB — sie ist also wie dieser ausgerichtet, etwa nach dem Motto, „werdet brave Gewerkschafter und ihr habt ein Lebensziel erreicht“. Kritisch steht man vor allem dem politischen Gegner gegenüber, der von der Redaktion her bestimmt ist. Für den Aufwand, mit dem „hallo“ hergestellt wird, ist die Effektivität mehr als gering, aufwand wird auch beim „magis“ der Marianischen Kongregation großgeschrieben, über eine bescheidene Auflage von rund 4000 Stück ist man aber nicht hinausgekommen, und — wie aus der MK verlautet — man betrachtet die Publikation als reformbedürftig. Dem „Jung-Freiheitlichen“ — der sich selbst „Gartenzwerg“ genannt hat — ergeht es nicht anders.

Einzig und allein die Zeitschrift des

Mittelschüler-Kartellverbandes, „couleur“, hat sich in dieser Zeit des allgemeinen Zeitschriftensterbens „herausgemausert“ und sich eine gesunde Ausgangsbasis geschaffen. Aus der alten „Burschenwacht“ wurde ein modernes Jugendmagazin, dessen Meinung in letzter Zeit auch in Tages- und Wochenzeitungen Eingang gefunden hat. Das MKV-„cou-leur“ ist über das Mitgliederblatt hinausgewachsen und hat vor allem in der Debatte um die Schulreform in Österreich eine neue Position erobert.

Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt auch die Zukunft der Jugendzeitschriften in der Wahrnehmung spezifischer Interessen — siehe „couleur“ — und nicht im Kopieren von kommerziellen Jugendmagazinen. Die Versuchung, allen „Krankheiten“ dieser Presse nachzueifern, ist zwar sehr groß, aber wertlos. Die redaktionellen Möglichkeiten sind beschränkt, deshalb auch die Information. Wer seinen Musikliebling „anhimmelt“, liest die „news“ über diesen in jeder Illustrierten. Zwei Wochen später beglückt ihn damit noch seine Organisationszeitschrift. Damit verliert er das Interesse an dieser. Damit haben sich aber auch die Verantwortlichen der österreichischen Jugendpresse ans Ende „manipuliert“. Sie übernehmen die Gepflogenheiten der „etablierten“ Erzeugnisse und wundern sich dann, wenn sie über dieses „establish-ment“ herziehen, daß sie selbst in Krise geraten sind. Erhebt sich nun die Frage, ob der Wind, der nun den Blätterwald zum Rauschen gebracht hat, ein Aufwind ist?

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