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Jungsozialisten kontra Konkordat

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Einst Gegnerschaft, zuletzt friedliche Koexistenz. Wie geht es mit katholischer Kirche und Sozialdemokratie weiter?

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Einst Gegnerschaft, zuletzt friedliche Koexistenz. Wie geht es mit katholischer Kirche und Sozialdemokratie weiter?

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Auf dem 34. ordentlichen Bundesparteitag der SPÖ, der vom 2. bis 4. Oktober im Wiener Konzerthaus stattfindet, bahnt sich ein Konflikt an. Denn unter den Hunderten Delegierten aus ganz Österreich gibt es unterschiedliche Vorstellungen über die Art und Weise, wie das Verhältnis zur Kirche zu gestalten ist. Während die führenden Kräfte der SPÖ bestrebt sind, möglichst ohne Probleme miteinander auszukommen, um keine christlichen Wähler zu verlieren, schlägt die junge Generation kulturkämpferische Töne an.

So will der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Karl Delfs, auf dem Parteitag einen Antrag über die Neuverhandlung des Konkordats stellen und betont gegenüber der furche: „In dieser Frage teile ich die Position des Liberalen Forums. Auch wenn es der SPÖ nicht paßt: Das Konkordat, das der Kirche eine ungerechtfertigte Machtposition und Hunderte Millionen aus Steuergeldern sichert, muß geändert werden.”

Delfs sorgte schon Mitte August für Aufregung. Damals erklärte er, „innerhalb einer Woche” beim obersten Verfassungsgericht eine Klage gegen Kreuze in Schulklassen einzubringen. Auf die Frage, was aus dieser Ankündigung geworden ist, antwortet er: „Ich will der Kirche noch einmal eine Chance geben. Ich bin mit führenden Vertretern der katholischen Kirche in einem öesPrächsprozeß. Sollte der Dialog negativ ausgehen, werden wir klagen.” Innerhalb der Parteispitze sorgt das Vorgehen des Jugendchefs für heftiges Kopf schütteln. Angefangen von Bundeskanzler Franz Vranitzky lehnen alle führenden SPÖ-Politiker sein Eintreten gegen das Konkordat und die Schulkreuze ab.

„Delfs wird in seinem Kampf gegen die Kirche innerhalb der Partei keine Chancen haben. Von einigen Jungfunktionären abgesehen unterstützt ihn niemand”, weiß der Nationalratsabgeordnete Günter Kiermai-er. Der aus Amstetten stammende Politiker ist im SPÖ-Parlamentsklub der offizielle Ansprechpartner für das Verhältnis seiner Partei zur Kirche. Diskret und hinter den Kulissen stellt er Kontakte zwischen Vertretern beider Institutionen her. Noch im Herbst will er im Klub einen Arbeitskreis zu Fragen der Religion gründen. SPÖ-Geschäftsführer Josef Cap soll der Idee positiv gegenüberstehen.

Kiermaier ist kein gewöhnlicher Sozialdemokrat. Er engagiert sich im Laienrat und in seinem Auto hängt ein Rosenkranz. Wenn er im Parlament zu tun hat, wohnt er im Wiener Don Bosco-Kloster. Dort besucht er regelmäßig um sieben Uhr die heilige Messe. Wenn sich der Grazer Bischof Johann Weber für mehrere Tage in Wien aufhält, gibt es ein Treffen der besonderen Art. Auch dieser übernachtet bei den Salesianern. Beim Frühstück tauschen der Vorsitzende der Bischofskonferenz und der SPÖ-Abgeordnete Gedanken aus. Dann fahren sie gemeinsam mit der U-Bahn in die Innenstadt. Der Politiker zur furche: „Dabei haben wir schon fruchtbare Diskussionen geführt.”

Kiermaier ist der einzige der insgesamt 65 SPÖ- Abgeordneten im Parlament, der der „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie”, kurz ACUS genannt, angehört. Diese Bewegung stand als erste Organisation innerhalb der SPÖ auch für NichtParteimitglieder offen und versteht sich weder als „christliche Fraktion innerhalb der SPÖ”, noch als „sozialistische Fraktion in den Kirchen”.

Bereits in der Ersten Republik gab es innerhalb der Sozialdemokratie eine kleine Organisation von religiösen Mitgliedern. Im Jahr 1951 kam es zur Gründung der ACUS, die Angehörigen aller christlichen Konfessionen offensteht. In den siebziger Jahren leiteten die beiden prominenten ACUS-Bundesvorsitzenden Herbert Salcher und Karl Blecha eine Wende ein. Sie versuchten, die SPÖ in christlichen Kreisen attraktiv zu machen und damit neue Wählerschichten anzusprechen. Trotz der heftig geführten Auseinandersetzung um die Fristenlösung entwickelte sich mit Kardinal Franz König und kirchlichen Stellen ein frachtbarer Dialog. Zahlreiche Priester, die sich in der Arbeiterseelsorge engagieren, traten der ACUS bei. Vor allem im Bereich der Arbeiter- und Jugendpastoral wurden Kontakte geknüpft und größere Aktionen (Friedenspolitik) gestaltet.

Vom damaligen Aufbruch ist wenig übrig. Heute ist die ACUS ein völlig unbeachtetes Anhängsel der SPÖ. Ihre Mitarbeiterzahl schrumpfte in ganz Österreich auf magere 800 zusammen, im Vergleich zu den insgesamt 600.000 Parteimitgliedern eine verschwindende Minderheit. Selbst der jetzige Obmann, Walter Hessler, der kürzlich die katholische Kirche in Richtung neuapostolischer Kirche verlassen hat, räumt „gewisse Nachwuchsprobleme” ein.

Offen ist das Verhältnis der ACUS zur SPÖ. Denn formal ist sie zwar eine offizielle Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei, aber ohne Verankerung in den Parteistatuten. Daraus folgt, daß nur ihr Obmann an SPÖ-Parteitagen teilnehmen darf, aber dort kein Stimmrecht hat.

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