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Kaiser gegen Unterrichtsminister

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Siekei folgte dem Ruf erst im Frühjahr 1881. In Rom konnte er, von Kardinal Hergenröther in jeder Weise unterstützt, seine Studien beginnen. Die erste sichtbare Frucht war der Nachweis der Echtheit der im Vatikanischen Archiv aufbewahrten Prunkausfertigung des berühmten Privilegs Ottos I. für die römische Kirche vom Jahre 962, die bis dahin vielfach als eine von der Kurie angefertigte Fälschung betrachtet wurde. Dieses der Kurie natürlich sehr willkommene Ergebnis der Forschung, das dazu noch von einem Manne stammte, der protestantisch und liberal war, hatte zur Folge, daß Papst Leo XIII. Siekei sehr gewogen wurde und ihm und seinen Mitarbeitern in Zukunft bei den Arbeiten alle Förderung zukommen ließ.

Siekei erkannte aber auch bei diesem ersten römischen Studienaufenthalt, daß nicht gelegentliche, sondern systematische Forschungen im Vatikanischen Archiv angebracht sind, und übergab dem Unterrichtsministerium ein Promemoria. Der Unterrichtsminister, dem Siekei sofort nach seiner Rückkehr aus Rom berichtet hatte, glaubte aber nicht in der Lage zu sein, für die Sache etwas tun zu können.

Als kurz darauf Siekei bei Kaiser Franz Joseph Audienz hatte, erkundigte sich der Kaiser über die Öffnung des Vatikanischen Archivs, regte von sich aus die Beteiligung Österreichs an den römischen Forschungen an und erklärte, als er von den Schwierigkeiten im Unterrichtsministerium hörte, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen und persön lich zu fördern. Schon wenige Tage später, am 29. Juni 1881, billigte der Kaiser durch ein Handschreiben die Vorschläge Sickels und übernahm zunächst, bis zur Regelung der Frage im Ministerium, die Kosten aus seinen Privatmitteln.

Dieses kaiserliche Handschreiben kann als Gründungsurkunde des Österreichischen Historischen Instituts in Rom (Istituto Austriaco di studii storici) angesehen werden.

Kein Palazzo für die Wissenschaft

Im Herbst 1881 wurde mit den von Kaiser Joseph zur Verfügung gestellten Geldern von zwei Stipendisten die Forschungsarbeit im Vatikanischen Archiv aufgenommen. Das Institut wurde von seiten der Wissenschaft der gegen den anfänglichen Widerstand des Finanzministers durch ein neuerliches persönliches Eingreifen des Kaisers in den Staatshaushalt eingebaut.

Das Institut war zunächst in Rom nur provisorisch untergebracht. Da im Palazzo Venezia, der damals Österreich gehörte und in dem die österreichische Botschaft beim Heiligen Stuhl residierte, etliche freie, gut brauchbare Räume vorhanden waren, wurde von Seite der Wissenschaft der Vorschlag gemacht, dem Historischen Institut dort einen Platz einz iräumen. Die österreichischen Diplomaten glaubten damals aber das Eindringen der Wissenschaft in den Palazzo Venezia verhindern zu müssen Für das Institut wurde eine angemessene Mietwohnung genommen, die dem Staat natürlich jährlich einiges kostete, während im staatseigenen Palazzo Venezia die Räume freiblieben. Auf weitere Sicht hat das Historische Institut dabei aber seinen Vorteil gehabt. Während des ersten Weltkrieges nahmen die Italiener den Palazzo Venezia in Besitz: das Historische Institut blieb unangetastet. Nach dem Krieg hat es sogar in Italien gegenüber den Ansprüchen der Nachfolgestaaten einen Protektor gefunden. Dazu kam noch, daß der Direktor des Historischen Instituts, Ludwig von Pastor, zum Gesandten beim Heiligen Stuhl ernannt wurde. Er blieb im Institut, und neben seiner fruchtbaren wissenschaftlichen Arbeit erledigte er noch die Diplomatengeschäfte. So waren aj.-die JufteKH, ‘¥ Miltui umgekehrt worden, die Gesandtschaft ist ins Historische,Institut gekommen.

Ära Siekei und Pastor

Das Institut hat bereits in den ersten 20 Jahren seines Bestandes unter der Direktion Sickels — zuerst als Filiale des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Wien und dann als selbständiges, unmittelbar dem Unterrichtsministerium unterstehendes Forschungsinstitut — bedeutende wissenschaftliche Leistungen vollbracht. Aus dem Mittelalter wurden Quellen für die Zeit der ersten habsburgischen Könige und der sogenannte „Liber Diurnus” publiziert. Das besondere Interesse galt aber dem Trienter Konzil und den Nuntiaturberichten aus Deutschland, deren Bearbeitung gemeinsam mit dem Preußischen (später Deutschen) Historischen Institut in Angriff genommen wurde.

Von vornherein wurden aber nicht nur unmittelbar Österreich betreffende Arbeiten durchgeführt, sondern auch Grundlagenforschung betrieben, die allen Fachhistorikern zugute kam. Von den zahlreichen wertvollen Studien auf diesem Gebiet seien wenigstens zwei erwähnt: die des Tirolers E. von Ottenthal, dem späteren Vorstand des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Wien, über die Regulae cancelleriae apqstolicae (LII und 317 Seiten, Innsbruck 1888), und die von M. Tangl — einem gebürtigen Kärntner, der dann bei den Monumentą Germanicae Historica und an der Universität Berlin eine glänzende Karriere machte — über „Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200 bis 1500” (XCI und 416 Seiten, Innsbruck 1894).

1901 bis 1928, mit kriegsbedingter Unterbrechung, leitete Ludwig von Pastor das Institut. Pastors Geschichte der Päpste, 16 respektive 21 Bände, ist in zahlreichen Auflagen erschienen und wurde ins Italienische, Französische, Spanische, Englische und Holländische übersetzt. Für ein wissenschaftliches Werk ein ganz seltener Fall! Eine soeben in Gang befindliche Neuauflage zeigt das weiterhin anhaltende Interesse.

Vom Historischen zum Kulturinstitut

Unter dem Nachfolger Pastors, dem Innsbrucker Historiker Ignaz Philipp Dengei, der mit Erfolg bemüht war, die Forschungstradition fortzusetzen, wurde 1935 beschlossen, das Historische Institut — unbeschadet seiner bisherigen Aufgaben — zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Italien in ein Kulturinstitut umzugestalten. Außer der Errichtung eines neuen Gebäudes bewirkte dies aber keinerlei Änderung im Institutsbetrieb.

Als nach der durch den zweiten Weltkrieg bedingten Unterbrechung das Institut 1950 seine Tätigkeit wieder aufnahm, wurde der bisher rein wissenschaftliche Charakter durch eine rege Vortrags-, Konzert- und Ausstellungstätigkeit geändert. Die besondere Berücksichtigung der Forschung wurde aber 1956 durch Errichtung einer eigenen „Abteilung für Historische Studien” als Nachfolgerin des bekannten „Österreichischen Historischen Instituts in Rom” verwirklicht. Zur Leitung der Studien von Wien aus wurde ein wissenschaftlicher Direktor — seit 1957 Universitätsprofessor Dr. L. Santifaller — ernannt, während die Interessen der Wissenschaft in Rom durch den wissenschaftlichen Sekretär — bis 1957 Universitätsprofessor Dr. H. Schmidinger (heute Universität Freiburg) — und seither vom Verfasser dieser Zeilen wahrgenommen werden.

Seit der Wiedereröffnung des Instituts “wurden folgende Arbeit sauf gabat j in Angriff, genonimen bzw.’Tortgesetzt ; od diipehgėįàtetiM ‘

1. Edition der Register Papst Innozenz’ III. (1198 bis 1216).

2. Bearbeitung der Nuntiaturberichte aus Deutschland 1560 bis 1572 und ab 1760.

3. Quellen zur Geschichte der Barockkunst in Rom.

4. Aktenpublikation und Darstellung über das Ende des Kirchenstaates.

5. Acta Salzburgo-Aquilejensia (1342 bis 1378). Quellen zur Geschichte der Kirchenprovinzen Salzburg und Aquileja.

Die Forschungsergebnisse werden seit 1954 zum größeren Teil in zwei neuen Publikationsreihen — „Publikationen des Österreichischen Kulturinstituts, Abteilung für Historische Studien” und „Römische Historische Mitteilungen” —, von denen bisher je drei Bände erschienen sind, veröffentlicht.

Für jedes Studienjahr werden vom österreichischen Unterrichtsministerium über Vorschlag der Akademie der Wissenschaften sieben Romstipendien, von denen fünf für Wissenschaftler und zwei für Künstler vorgesehen sind, verliehen. Das Kulturinstitut selbst bietet mit seiner großen Fachbibliothek und mit seinen nunmehr gut aus- gestattetenen Arbeitsräumen eine Heimstätte für diesen Teil österreichischer Forschungs- und Studientätigkeit in Italien.

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