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Kampf um Zeit

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Eine der ersten großen politischen Proben nach dem „großen Wahljahr 1966“ werden im Herbst 1967 die oberösterreichischen Landtagswahlen sein. Wie immer und wie unterschiedlich auch die Nationalrats-, Bundespräsidenten- und Landtagswahlen in Oberösterreich auch ausgefallen waren, sie fanden nie die eigentlich richtige Würdigung, denn als Vergleich wäre der in diesen Jahren erfolgte Strukturwandel der Bevölkerung weit wichtiger als etwa eine vorausgehende Wahl oder gar als Wahlergebnisse der Zeit vor 1938 gewesen.

Vor diesem Phänomen fast gleichbleibender politischer Verhältnisse bei einer gewaltigen Industrialisierung und Bevölkerungsballung ist ein Blick auf die politischen Führungsgarnituren von besonderem Interesse . Bei den Sozialisten führte eine zwanzigjährige erfolgreiche Stabilität in der Landes- und Kommunalpolitik dazu, daß man sich um Nachfolgefragen wenig kümmerte und auch heute noch manche dringend werdende Kronprinzenfragen völlig offen sind.

Land und Stadt

Fast scheint es, als rangiere bei den Sozialisten die Landespolitik an dritter Stelle. Und das ist verständlich. Denn hier spielen sie naturge-

Kaspar genannt. Wenn es so ist, dann braucht man sich darüber wohl keine Gedanken mehr machen, ob nun Verteidigungsminister Dr. Pra- der oder Landesrat Resch für die Wachablöse im niederösiterreichi- schen ÖAAB in Frage kommt.

„Der ÖAAB Niederösterreich steht hinter Müllner“, verkündete erst vergangene Woche in großen Lettern die „Volks-Presse“, das offizielle Organ des Arbeiter- und Angestelltenbundes im Lande unter der Enns. Im besagten Artikel wird von einer Sitzung des Landesvorstandes des ÖAAB berichtet, der unter dem Vorsitz von Müllner das Vorgehen Müll- ners gegen den „Volksboten“ einstimmig gutgeheißen hat. Daß aber der Wille Müllners denn doch nicht immer jener des ÖAAB ist, das zeigt eine immer mehr ins Tageslicht tretende Opposition im ÖAAB, deren Wortführer hohe Landesbeamte sind. Diesem Kreis gehört auch der ehemalige Jugendreferent im Landesvorstand des ÖAAB und nunmehrige Generalkonsul in Zagreb, Dr. Johann Dengler, an. In scharfer Form kritisiert Dr. Dengler in einem Artikel in der „Kleinen Zeitung“ und in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ den ÖAAB-Obmann: „Es ist nicht die primäre Aufgabe des ÖAAB, als Kampfgruppe für die Sicherung des wirtschaftlichen Imperiums seines Landesobmannes zu wirken und ihm die Mauer für die Beschlagnahme katholischer Wochenzeitungen zu machen.“ Dr. Dengler verlangt in dem Artikel, in dem er sich für ein „Programm 2000 für Niederösterreich“ ausspricht, mehr politische Schlagkraft vom ÖAAB und spricht sich dafür aus, daß die Frage Müllner bald gelöst werde.

maß die zweite Geige, ein noch dazu sehr mühsames Spiel in einer Zeit, da die Volkspartei im Linzer Landhaus über die absolute Mehrheit verfügt. Durch eine loyale Zusammenarbeit hat allerdings Landeshauptmannstellvertreter Bemaschek das Beste auch für seine Partei herauszuholen verstanden, gemeinsam vor allem mit Landesrat Plasser, einem für die ÖVP zwar harten, aber loyalen Partner. Die klaren und ehrlichen Kompromisse waren bisher eine gute Basis einer guten Koalition und eines erfeulichen politischen Klimas. Aber Plasser ist 74, und Ber- naschek ist weit über 60 Jahre alt, und Namen für einen Bernascbek-

Nachfolger als künftigen Landeshauptmannstellvertreter werden noch nicht einmal erwogen. Interessant — und sicher nicht schlecht — ist auch die Tatsache, daß der Landtagsnachwuchs überwiegend aus der Kommunalpolitik der mittleren Städte Oberösterreichs kommt. So sitzt der Braunauer Bürgermeister Friedl bereits im Landtag, und viele sehen in ihm den künftigen Plasser- Nachfolger in der Landesregierung, einen Posten, den übrigens auch die Welser Sozialisten gern für ihren Stadtrat Neuhauser hätten, dem der im Hausruckviertel kandidierende Vizekanzler Pittermann den Platz weggenommen hat. Bestärkt wird dieser Wunsch der Welser Sozialisten auch durch die Tatsache, daß auch die Steyrer SPÖ einen Stuhl in der Landesregierung so ziemlich in „Erbpacht“ haben.

Das Generationenproblem

Die fast gleich starke Position eines Landeshauptmannstellvertreters und eines Bürgermeisters der Landeshauptstadt, die früher auch immer zu gewissen Spannungen zwischen Landeshauptmannstellvertreter Bemaschek und Bürgermeister Dr. Koref geführt hatte, deutet die Bedeutung der hochindustrialisierten oberösterreichischen Landeshauptstadt für die Sozialisten an. Es scheint, als würden sie hier ihre prominenteren Leute entsenden, als habe Gemeinde- und Stadtrat von Linz für die Sozialisten eine stärkere Anziehungskraft als Landesregierung und Landtag. Das ist verständlich. Hier sind sie tonangebend, hier können sich ihre Funktionäre die besseren Ressorts auswählen, hier haben sie bisher auch entschiedene Aufbauerfolge aufweisen können. Auf personalpolitischem Gebiet ist man trotz allem auch auf kommunaler Ebene nicht ohne Sorgen. Gewiß: Dr. Korefs Nachfolger, der Postbeamte Edmund Aigner, wurde ein guter und einnehmender Bürgermeister. Er hat gewiß nicht alle Eigenschaften Korefs, aber seine joviale, väterliche Art, die sich hier mit dem Charme Korefs traf, und ein sympathisches Rednertalent, haben ihm viele Sympathien gewonnen. Mit der Nominierung des nur um neun Jahre jüngeren Aigner hat man nicht nur das Generationsproblem nicht gelöst — es ist nach wenigen Jahren in Kürze neuerlich akut! —, man konnte auch damals voraussehen, daß die großen kommunalpolitischen Sorgen von Linz, die Eingemeindung oder sonstige Gliederung der Linzer Stadtrandgemeinden, die großteils mit Linz bereits zusammengewachsen sind, erst gar nicht in Angriff genommen würden, was auch sehr bald sichtbar wurde. So ist eine Lösung des Großraumes von Linz praktisch an einer innersozialistischen Inaktivität und an internen sozialistischen Schwierigkeiten (denn die Bürgermeister von Traun, Leonding usw. sind natürlich aučh alle Sozialisten!) stek- kengeblieben.

Drei Kronprinzen

Ein energischer Schritt zu einem echten Generationswechsel innerhalb der Linzer SPÖ scheint inzwischen aber auch gescheitert zu sein. Für die kommende Hochschulstadt Linz wollte man — mit einem Seitenblick auf den Münchner Oberbürgermeister Dr. Vogl — einen jungen Akademiker „aufbauen“, den Gerichtsmediziner Dr. Klaus Jarosch (42), den man auch rasch zum Gemeinderat und 1965 zum Stadtrat beförderte, nicht ohne mancherlei innerparteiliche Schwierigkeiten. „Es ist für lange Zeit wieder einmal der letzte Akademiker, zu dem wir ,ja‘ sagen“ — soll damals ein prominenter Linzer Sozialist gesagt haben. Aber inzwischen scheint sich Doktor Jarosch ein Eigentor geschossen zu haben. Da sein wissenschaftlicher Ehrgeiz dem politischen nicht nachsteht und eine Habilitierung in Österreich nicht möglich erschien, habilitierte er sich im Vorjahr an der Ost-Berliner Humboldt-Universität. Differenzen mit den Wiener Ge richtsmedizinern, aber auch Differenzen mit der Gendarmerie und ein in aller Ausführlichkeit publiziertes Beschwerdeschreiben von Dr. Jarosch an den damaligen Innenminister Czettel scheinen gemeinsam mit der Habilitierung in Ostdeutschland die „politische Aufbauarbeit" nicht gerade gefördert zu haben. So gibt es also für Aigner, der in letzter Zeit oft kränklich war, gleich drei Kronprinzen:

Vizebürgermeister Theodor Grill, Finanzreferent und „graue Eminenz“ im Magistrat, der während des zweiten Weltkrieges in England in Emigration war, vermutlich aber wegen seines Alters (64) kaum in Frage kommen dürfte, Vizebürgermeister Franz Hillinger, der im günstigsten Alter (45) steht, und schließlich der schon erwähnte Dr. Jarosch.

Ein anderer, als Kronprinz ausgeschiedener, Stadtrat Fechter (45), versuchte einen Sprung in die Verstaatlichte Industrie. Er wollte Kon- zemdirektor der VÖESt. werden, doch bleibt sehr abzuwarten, ob bei der neuen politischen Konstellation dies noch möglich ist. Auf der anderen Seite hat Vorstandsdirektor Lukesch sich auch als — oft abwesender — Gemeinderat hier politisch abgesichert. Ähnlich übrigens wie der Arbeitsrechtler Dr. Strasser, seit kurzem Professor und Prorektor der neuen Linzer Hochschule, von Hauptberuf Stellvertretender Kammeramtsdirektor der Arbeiterkammer.

Aber auch die Arbeiterkammer zeigt — zumindest in ihrer beamteten Spitze — dieselben Überalterungserscheinungen. Kammeramtsdirektor Dr. Kleiner kommt scharf an die 65-Jahre-Grenze heran und wurde scheinbar vor allem deshalb nochmals als Nationalrat und SPÖ- Spitzenkandidat im Linzer Wahlkreis aufgestellt, weil er einer der ganz wenigen im oberösterreichischen SP-Team ist, der in Wien in Erscheinung tritt. Aber auch hier sieht man weit und breit keinen Nachfolger für den Kammeramtsdirektor, wenn such Prof. Strasser ganz der Hochschule widmet.

So wird Oberösterreichs SPÖ kaum wesentliche Initiativen in Wien ergreifen können, sie wird alle Hände voll zu tun haben, personalpolitisch Ordnung zu bekommen. Innerhalb der bisherigen Schwerpunkte: Staatsbetriebe, Kommunalpolitik und schließlich Landespolitik, wird sich vermutlich in Hinkunft manches ändern. Außer Zweifel steht, daß man mehr als bisher einen Schwerpunkt auf die Kommunalpolitik legen muß.

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