6786438-1970_15_11.jpg
Digital In Arbeit

Katholiken sehen dich an...“

Werbung
Werbung
Werbung

Bildbände sind eine problematische Angelegenheit. Sie sind fast immer in einer bestimmten Richtung — wissenschaftlich-kunsthistorische Bände vielleicht ausgenommen — „manipuliert“. Jemand hat von einer

Sache oder von einer Institution oder einem geschichtlichen Vorgang eine bestimmte Vorstellung und sucht dies durch entsprechendes Bildmaterial zu beweisen. Natürlich müssen dann nur solche Bilder veröffentlicht werden, mit denen sich die vorgefaßte Meinung des Autors untermauern läßt. Und da bei Bildbänden die Texte nur selten gelesen werden und das Wort fast immer nur zu einem Vorwort und die Schrift zu einer Beschriftung der Bilder herabsinkt, müssen die so verwendeten Büder eine stärkere Wirkung ausüben, als ihrer Funktion eigentlich zukommt.

Ein typisches Beispiel für diese Behauptung ist das Buch „Katholiken sehen Dich an“, das der bekannte österreichische Publizist Friedrich Heer in Zusammenhang mit Olinda Pawek herausgegeben hat. (Verlag Styria, Graz—Wien—Köln, 149 Seiten, 150 Abbildungen.) Nach Fritz Heer ist die heutige katholische Kirche eine Institution, in der die Tradition den Kreuzesstamm erdrosselt hat. Es ist eine feudale Kirche mit byzantinischen Protokollen, in denen der Laie keine Rechte hat (er darf nicht predigen und das Allerheiligste Sakrament nur sehr selten unter beiden Gestalten empfangen, im Kodex ist von ihm kaum die Rede) und in der die klerikalen Amtsträger ausschließlich regieren. Es ist eine Kirche, die zu viel von den Traditionen der verschiedensten Völker geschluckt hat, weshalb sie von Aberglauben sehr überwuchert ist, so daß der reine Glaube nicht immer zum Vorschein kommt. Es ist eine Kirche, die in Reichtum schwimmt und deren Oberhaupt, der Papst in Rom, eher einem Nachfolger der byzantinischen Kaiser als dem eines armen Fischers von Bethsaida gleicht.

Es ist eine Kirche, die gerne die Waffen segnet und außerdem sich immer gerne der weltlichen Macht bedient, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Eine Kirche, die immer Toleranz für sich verlangt, aber selbst keine Toleranz gewährt. Um diese Thesen zu untermauern, werden entsprechende Bilder verwendet, mit dem Erfolg, daß diese Auswahl naturgemäß „manipuliert“ sein muß. Wie sehr manipuliert sie aber ist, mögen einige wenige Beispiele darlegen.

Bild r,1“.: „Die Kutsche des Papstes wird poliert.“ Jeder Eingeweihte weiß, daß seit rund hundert Jahren kein Papst mehr in einer Kutsche gefahren ist. Wer das nicht weiß und dieses Bild sieht, wird glauben, der Papst fahre ohne Unterlaß mit einer ähnlichen Prachtentfaltung in den vatikanischen Gärten herum wie die englischen Könige, wenn sie beim Vollzug eines traditionellen Staatsaktes das britische Parlament eröffnen. Die päpstliche Wagenburg ist ein Museum, wie es deren viele gibt, zum Beispiel auch in Schönbrunn. Würde man den Gedankengang der Herausgeber fortsetzen, dann könnte man die Wiener Wagenburg ebensogut als Beweis für eine angeblich undemokratische

Gesinnung der heutigen österreichischen Staatsoberhäupter anführen.

Bilder 52 bis 55: Diese Photos zeigen die päpstliche Nobelgarde und die Geheimkämmerer in ihren farbenprächtigen schönen Uniformen. Diese Uniformen wurden bekanntlich zum Teil abgeschafft; auch der päpstliche Hof wird grau und grauer. Die Existenz dieser Garden aber sozusagen als Beweis dafür anzuführen, daß der Primat des römischen Papstes sich falsch entwickelt habe, hinkt ebenso, wie es etwa die Behauptung täte, daß auch die sehr farbenfrohen britischen Garden ein Beweis für das schlechte Funktionieren der englischen Demokratie seien. (Hingegen funktioniert sie trotz der Existenz solcher Garden bereits seit Jahrhunderten.)

Bild 80: „USA-Damen beim Eucha-ristischen Kongreß, Barcelona. Ein Bild, das verschrobene alte Schachteln zeigt, die „hingebungsvoll“ singen Solohe Frauen könnte mam natürlich in der Kirche jeder Konfession phctognaphieren, angefangen von der Heilsarmee bis zur Christian Science. Dieses Bild belegt nur eine längst und wohlbekannte Tatsache: Jeden Menschen kann man in irgendeiner unbeobachteten Minute so photographieren, daß er nur noch als Karikatur seiner selbst erscheint. Aber ein solches Bild als Beweis und Dokument hinzustellen, ist nicht gerade sehr objektiv.

Bild 83: „Sie müssen erlöster aussehen — Drittordensprofeß in Toledo.“ Das Bild zeigt eine spanische ältere Dame, sehr würdig und mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Dar Text des Bildes möchte natürlich beweisen, daß die Christen an der Tatsache der Erlösung vorbeigehen. Ein großer Irrtum: Die Menschheit wurde durch den Tod Christi von den Folgen der Erbsünde erlöst. Dieses Faktum besagt noch lange nicht, daß deshalb alle Christen mit einem ewigen Stewardessenlächeln durch die Welt gehen müssen. Im Gegenteil: Christen, die immer alles gut finden und ständig lachen (selbst wenn ein kleines Kind seine Mutter durch den Tod verliert, oder wenn ein Mensch durch ein Verbrechen oder einen Unfall gräßlich verstümmelt wird), sind einfach Narren mehr oder minderer Güte. Ein Christ, der sich des vielen Elends in der Welt bewußt ist, und zwar sowohl des Sündenelends wie auch des sozialen und materiellen, kann kaum mit einem ewigen Lachen durch die Welt gehen, er wird eher betrübt über die vielen schrecklichen Zustände sein, die ihm begegnen. Deswegen ist er dennoch erlöst

Bild 91: „Ein Arbeiterpriester im Gespräch mit einem Priester alter Prägung/CSSR.“ Der Arbeiterpriester ist natürlich in Zivil und der

„Priester alter Prägung“ fast ebenso natürlich mit Talar und Birett abgebildet. Wer nun aber die Verhältnisse in der CSSR kennt der weiß, daß die Rom-treuen Priester, die ja auch vielfach keine Seelsorgeerlaubnis haben, aus Protest gegen die kol-laboriereniden Friedenspriester ä la Plojhar, die natürlich immer im Ko-lar gehen, durchwegs Zivil tragen. Die richtige Unterschrift. hätte hier eher zu lauten: „Ein Rom-treuer Priester in ziviler Tarnung.“ Aber eine solche Bildunterschrift wäre nicht im Sinne der Herausgeber gewesen. •

Bild 115: „Kirchenfürst im sozialistischen Staat.“ Das Photo zeigt den ungarischen Bischof Endre Hamvas beim Einzug in seine Kathedrale. Er trägt „natürlich“ die meterlange Cappa magna und so wäre denn das Bild ein Beweis dafür, daß die Kirche auch im kommunistischen Staat in keiner Weise bereit ist, auf ihre feudalen Insignien zu verzichten. Aber diese Schleppen, die bereits Pius XII. verkürzt hat, wurden inzwischen ebenfalls abgeschafft. Und außerdem hinkt auch sonst der Beweis. Denn Monsignore Hamvas, zuletzt Erz-bischof von Kalocsa, war zwar ein sehr frommer Mann, aber ein schwacher Regent und ein durch und durch josephinisch gesinnter Kirchenfürst. Im Zeichen dieser Gesinnung kollaborierte er eifrig mit dem kommu-' nistischen Regime und wurde von diesem auch immer als Aushängeschild benutzt, bis er schließlich dankeshalber Erzbischof von Kalocsa wurde.

Bild 129: „Standartenweihe der ost-märkischen Sturmscharen. Wien 1933 — Bundeskanzler Dollfuß und Kardinal Innitzer.“ Dieses Photo ist als Beweis für die Stützung eines halbfaschistischen Regimes durch die Kirche gedacht und darüber hinaus als Beweis dafür, daß die Kirche es eben immer mit den faschistischen Regimen gehalten habe. Aber das Photo, wie es existiert wurde hier nicht zur Gänze veröffentlicht. Denn auf dem unbeschnittenen Photo ist immerhin auch der frühere Generaldirekter der Styria, in seiner damaligen Funktion als Leiter der Vaterländischen Front, in Uniform zu sehen. Und so wurde das Photo „manipuliert“, indem man es zerschnitt. Im übrigen waren alle, die auf diesem Bild abgebildet sind, in erster Linie von dem Gedanken beherrscht, den Nationalsozialismus, der Österreich bedrohte, abzuwehren. Sie alle waren große Patrioten und wenn ihr Weg nach heutigen

Begriffen nicht immer der richtige gewesen ist, so sollte das Heldentum dieser Männer, die sich gegen eine Übermacht stellten, nicht vergessen werden!

Bild 143: „CV-Festkommers in Salzburg.“ Ein ganz normales, wenig aussagendes Photo, hätte man gewollt so hätte man schließlich auch den CV mit manipulierten Bildern bedenken können. Aber hier hat der CVer Friedrich Heer doch jene Achtung vor der Institution bewisen, der er selbst angehört, die er aber als Angehöriger der Kirche manchmal vermissen läßt.

Bild 144: „Ritter des deutschen Ritterordens und des heiligen Grabes.“ Dieses Photo soll offenbar wieder als

Beweis für die Feudalität der Kirche und für das Weiterleben des Kreuzzugsgedanken in ihr dienen. Warum aber hat man, wenn man schon die Mitglieder des Ritterordens anprangern will, nicht ein Bild des jetzigen Generaldirektors der Styria genommen, der ja auch Grabesritter ist? Das wäre mutiger und unabhängiger gewesen.

Und so könnten noch viele andere Bilder als Beweis der Manipulation angeführt werden.

Das Werk „Katholiken sehen dich ah“ ist ein typisches Dokument jener merkwürdigen antikirchlichen Strömung, die heute vielfach die Christenheit durchzieht und manchmal schon in einen geradezu pathologischen Haß gegen Papst und Kirche ausartet. Natürlich ist echte Kritik an echten Übelständen oder auch an veralteten Formen immer berechtigt. Aber sie müßte doch gerade innerhalb der Christenheit auch von jener Demut und Achtung geformt sein, die einer echten Kritik stets innewohnen müssen. Franz von Assisi lebte zu einer Zeit, da der Papst-Kaiser Innozenz III. regierte. Franz von Assisi hätte alle Ursache gehabt, viele der damaligen Formen der Kirche zu kritisieren. Er ging allerdings einen anderen Weg. Er reformierte zunächst sich selbst und dann alle jene Menschen, die seinen Lebensstil annahmen. Und er reformierte die Kirche, indem er sie aus ganzem Herzen liebte. Franz von Assisi, erfüllt von pathologischem Haß gegen Papst und Kirche, itst allerdings unvorstellbar. Und dennoch war die Wirkung dieses Heiligen wesentlich größer als die Wirkung aller jener Kritiker, deren Kritik das Christentum zu zersetzen droht

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung