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Katholische Presse im Heute

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Fünfzig katholische Zeitungsleute aus Oesterreich waren der Einladung der Gesellschaft katholischer Publizisten Deutschlands gefolgt, die sie zu kameradschaftlich gemeinsamer Beratung, der das Thema „Der Christ in der modernen Welt“ zugrunde lag, gerufen hatte. Der Tagung ging Mittwoch, den 29. September, ein von Bischof Dr. König, St. Pölten, zelebrierter Gottesdienst in der nahe dem Dom gelegenen Andreaskirche voraus; dem Senior der Oesterreicher, Dr. Funder, war die Ehre zugefallen, den ersten Beratungstag zu eröffnen, an dessen Eingang der Vorsitzende der einberufenden Gesellschaft, Prof. Dr. Heinrich Jansen-Cron SJ., Köln, das Wort stellt: Es genüge nicht, daß der Journalist katholisch sei, es komme darauf an, die innere Ueber- zeugung und Berufsgnade in die Welt zu tragen.

Als erster Referent entrollte Prälat Professor Dr. Dr. h. c. Robert G r o s c h e, Köln, eine freimütige Schau über den geschichtlichen Weg des deutschen Katholizismus aus dem Ghetto, dieser schmerzvollen, in den letzten Jahren glücklich gewendeten Entwicklung. Im Jahre 1849, erinnerte der Redner, nahm vom katholischen Volke her der demokratische politische Katholizismus seinen Ausgang, bestand erfolgreich den Kulturkampf und wurde mehr und mehr zum staatstragenden Faktor. Dabei vermochte sich die realistische München-Gladbacher Schule (Volksverein für das katholische Deutschland, Christliche Gewerkschaften, beide gefördert von den Kölner Erzbischöfen) nur schwer gegen die konservativ-integrale sogenannte Berliner Richtung durchsetzen. Der Redner deutete den Sturz Brünings, eines reifen Vertreters der Kölner Richtung, durch den von den Integralen herkommenden v. Papen. als eine besondere Tragödie. Die Ueberwindung d’eses Integralismus schließlich kam weder von der Politik noch von der Kultur her, sondern aus jenem integralen Katholizismus der religiösen Erneuerung, der die Welt gewann, weil er sie nicht suchte, sondern sich für sie verantwortlich wußte. Katholische Sammlung im Religiösen bedeutet keine Ab schließung mehr; was der Romantik nicht gelang, das wurde durch das Pontifikat Papst Pius’ X. bleibende Frucht. Der Redner bezeichnete als Bahnbrecher des neuen kulturellen Katholizismus Carl Muth, Erhard, später Max Scheier, Romano Guardini, Theodor Häcker, die Meister neuen Kirchenbaustils und Dichter vom Rang Bergengruens und Reinhold Schneiders.

Neben dieses packende Zeitgemälde aus dem Raume Deutschland stellte der Generaldirektor der „Styria“, Dr. Stepan, in glänzender Stegreifrede die verwandte, aber vielfach andersgerichtete Entwicklung jn Oesterreich.

Das Referat des Staatsministers a. D. Professor Dr. Adolf Süsterhenn spann die auf Deutschland gerichtete Schau mit der besonderen Betonung „Das Integralismuspro- blem in der praktischen Politik“ mit ein-

drucksvollem Freimut fort: Ja, es sei richtig: In Deutschland hatten die katholischen Akademiker in der Zeit von 1919 bis 1933 auf politischem Gebiet versagt. Ohne kraftvolle Stellung in der Welt sei der rein auf das Religiöse eingestellte Katholizismus in Gefahr, den Boden unter den Füßen zu verlieren; wie aber auch die politische Stellung des Christen nicht haltbar, wenn ihr nicht vom Religiösen, vom Grundsätzlichen her leben und Bestand zuströme. Mit Bedauern notierte der Redner, daß heute die Stimme der Theologen im parlamentarischen Leben fehle, und doch hätte auch heute der Geistliche für Gesellschaft und Staat viel zu sagen. Man sehe doch auf die evangelische Kirche Deutschlands, die an der parlamentarischen Wirksamkeit von Oberkirchenräten keinen Schaden genommen habe.

Am zweiten Beratungstag meditierte Msgr. Prof. Otto Mauer, Wien, in geistvollen Aphorismen über das Thema „Welt und Kirche“: Die Welt sei nicht nur Versuchung für den Christen, sondern auch Chance. Mission macht das Wesen der Kirche aus, denn jede Generation müsse für das Christentum neu gewonnen werden, nicht nur in den Missionsländern. Die apokalyptische Situation des Christen in der Welt habe aber die Verheißung für sich, daß sie am Ende doch die Welt überwinde.

Wenn es eine Steigerung noch geben konnte, so erstieg die letzte Höhe am zwei-

ten Beratungstage der Vortrag von Professor Dr. Karl Rahner, Innsbruck: „Die theologische Deutung der Position des Christen in der modernen Welt". Er zeigte die scheinbar widerspruchsvolle Stellung der Kirche, die heute in der ganzen Welt in der Diaspora lebe und doch aus der Heimsuchung die heilsgeschichtliche Verheißung schöpfe: Es mag sein, daß in diesem heilsgeschichtlichen Muß der Diaspora alte Ordnungen durchbrochen werden, störende Verwandlungen eintreten, die nicht sein sollen, über denen aber das heilsgeschichtliche Muß steht und denen deshalb noch nicht die Standhaftigkeit und Heilsbedeutung abgesprochen werden kann. Der Christ muß in dieser Zeit offen zu den Nichtchristen hin leben. Er darf deshalb nicht der Versuchung verfallen, sich in ein Ghetto zurückzuziehen, sei es, um sich zu bewahren, sei es, um die böse Welt ihrem Schicksal zu überlassen.

In tiefer Ergriffenheit, hingerissen von der strengen Erhabenheit der dargelegten, durch viele Rätsel der Gegenwart weisenden Gedanken, war die Zuhörerschaft dem Referenten gefolgt, bis in einer stürmischen Beifallskundgebung die Spannungen sich lösten.

Den Beschluß der Werktagung bildete eine von dem Generaldirektor des „Herold“-Ver- lages, DDr. Willy Lorenz, Wien, gebotene feine Charakteristik des Publikums, dieser bunt-vielfältigen, wechselnden Strömungen unterworfenen Zuhörerschaft, an die sich der Publizist zu wenden hat, um ihre Aufmerksamkeit, ihr Verstehen anzusprechen, zu überzeugen und zu gewinnen, immer verantwortungsbewußt und durch sein christliches Gewissen bestimmt. Eine präzise Zusammenfassung der Tagungsergebnisse durch Chefredakteur Dr. R o e g e 1 e („Rheinischer Merkur“) beschloß das Tagungsprogramm.

Die Tagung stand auf einer Höhe und war fruchtbar in ihrem geistigen Ertrag wie selten eine für ein so anspruchsvolles Publikum, wie es Zeitungsleute sind. Sie wurde, umrahmt von vornehmer rheinischer Gastlichkeit, dargeboten von der Stadt Köln, dem Presseamt der Bonner Bundesregierung und der „Kölnischen Rundschau", der von Dr. Reinhold Heinen geleiteten Zeitungsunternehmung, der größten Zeitungsmacht der westdeutschen Bundesrepublik. Am letzten Abend wurde den katholischen Zeitungsleuten noch die Ehre zuteil, von Erzbischof Kardinal Joseph Frings im Karl-Joseph-Haus zu Empfang und Tisch eingeladen zu sein.

Ueber der ganzen Tagung waltete erquik- kende Herzlichkeit. Wer nach dem Abschluß der Werktagung noch nicht an seinen Schreibtisch zurückmußte, konnte noch eine instruktive Studienfahrt ins Ruhrgebiet mitmachen. In Essen empfing die Teilnehmer die Stadt, in Düsseldorf die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Die Oes'erreichet hoffen — und haben dies in einer Einladung ausgesprochen —, im nächsten Jahre den Gegenbesuch der Gesellschaft katholischer Publizisten Deutschlands in Wien begrüßen zu dürfen. f.

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