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Kein „Amletico“

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Der Papst verläßt den Vatikan. Das war einmal eine Sensation... Paul VI. reist viel, er wird sicherlich auch noch eine Reihe weiterer Reisen unternehmen. Die Kommentatoren halben es da schwer. Zuerst war es eine Sensation, Film, Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen und Illustrierte, alle stürzten sich auf eine Papstreise. Die vierte oder fünfte Papstreise ist naturgemäß für die Schaulust der Welt keine solche Sensation mehr. Auch mit weit- oder kirchenpolitischen Interpretationen kommt man nicht immer weiter. Es ist nicht alles Politik, was die Kirche unternimmt, mit politischen Motiven läßt sich nicht alles erklären. Auch nicht die letzte Reise des Papstes nach Istanbul und Kleinasien.

Galt diese Reise dem Patriarchen Athenagoras? Gewiß, wenn auch nicht ausschließlich. Die großzügige Geste des Papstes hat die Stellung des Patriarchen sicher verstärkt. Das wird er in Zukunft brauchen können. Seine Stellung ist in vielen Dingen schwierig, nicht nur, was das Verhältnis zur türkischen Regierung betrifft, sondern auch innerhalb der Orthodoxie. Eines ist sicher: Athenagoras will die Einheit der Christen. Er kann aber Entscheidendes nur tun, wenn er die anderen Patriarchen, die ihm nur einen Ehrenvorrang zubilligen, hinter sich weiß. In Kürze wird Athenagoras seine große Rundreise zu den anderen Patriarchen antreten, eine Reise, die ihn zuerst nach Moskau führen wird. Schon meldet sich einer, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, und erklärt, was der Papst und Athenagoras miteinander ausmachten, würde für ihn nicht bindend sein, das Patriarchat von Jerusalem sei älter als das von Konstantinopel.

Um Jerusalem ging es nicht minder bei dieser Papstreise. Athenagoras unterstützt den Wunsch des Vatikans nach einem besonderen Status für die heiligen Stätten. Hier scheint eine Vermittlung der türkischen Regierung nicht unmöglich. Die Türkei ist ein ausgesprochen laizistischer Staat, von dem man weiß, daß er trotz allem Beziehungen zu Israel unterhält. Die besonders herzlichen Ansprachen des Papstes an den türkischen Staatspräsidenten lassen erkennen, daß Rom in Verfolgung seiner Ziele sich nicht von Regierungsformen beeinflussen läßt. Aber auf dem Gebiet der Türkei, die Jahrhunderte hindurch als Erbfeind der Christenheit galt, liegen älteste Stätten des Christentums: die Orte der frühen Konzile einer noch ungetrennten Kirche.

Zu Ephesus bekennen sich nicht nur Katholiken und Orthodoxe, sondern auch evangelische Kirchen. Dort liegen heute freilich nur Trümmer. Die Hagia Sophia aber steht noch, einst Hauptkirche der östlichen Christenheit, dann Moschee und heute Museum. Es ist ein Beweis für den Mut des Papstes, bis an den Rand des Möglichen zu gehen, daß er sich in der Hagia Sophia niederkniete, um dort zu beten. Nein, dieser Papst ist kein Melancholiker, der sich mit Rücktrittsabsichten trägt, kein „Amletico“, kein zögernder, zaudernder Hamlet, der nicht weiß, was er tun soll. Er reist auch nicht, um Land und Leute kennenzulernen, so gewinnbringend für ihn das auch sein mag. Seine Aufgabe ist es, die Kirche zu regieren, ihr den Weg in eine größere Zukunft und in eine umfassendere Gemeinschaft zu weisen. Nicht formal, nicht im Sinne eines Jurisdiktionsanspruches, sondern in liebender Verantwortung fühlt sich gerade dieser Papst allen Christen, ja allen Menschen verpflichtet, ihren Hoffnungen und ihren Sorgen, ihrem Leid und ihrer Sehnsucht nach dem Frieden.

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