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Kein Grund zurti Händereiben

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„Vor 19 Jahren haben wir begonnen, unser Land beinahe aus dem Nichts aufzubauen. Es gab nur Not und Elend. Wir hatten gehofft, aus Jordanien ein Vorbild für andere Staaten in diesem Raum zu machen, doch unglücklicherweise ist jetzt wieder alles zerstört.“ Der das sagte, war Jordaniens kleiner König Hussein II. Und er sagte es bei einem Interview im September 1967, 100 Tage nach dem Sechstagekrieg mit Israel. Er könnte es auch heute sagen. Drei Jahre nach diesem Interview.

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„Vor 19 Jahren haben wir begonnen, unser Land beinahe aus dem Nichts aufzubauen. Es gab nur Not und Elend. Wir hatten gehofft, aus Jordanien ein Vorbild für andere Staaten in diesem Raum zu machen, doch unglücklicherweise ist jetzt wieder alles zerstört.“ Der das sagte, war Jordaniens kleiner König Hussein II. Und er sagte es bei einem Interview im September 1967, 100 Tage nach dem Sechstagekrieg mit Israel. Er könnte es auch heute sagen. Drei Jahre nach diesem Interview.

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Zwischen 1967 und heute freilich liegen entscheidende Stationen. Stationen eines Dramas im Wüstenkönigreich. Stationen, die den Nahen Osten erschütterten und die Großmächte der Welt dm eine prekäre Schiedsriohterrolle drängen. Vor allem aber Stationen, die aus dem kleinen König in Amman den Gefangenen eines Bürglerkrieges machten.

Es begann nach dem Sechs-Tage-Krieg, als Jordanien den höchsten Preis aller arabischen Beteiligten zahlte. Hussein, damals wie heute ein Mann des Westens, machte schon bald nach dem Krieg den Israelis den Vorschlag, mit ihm eine Vereinbarung zu treffen: Rückgabe von Cisjordanien, dafür formeller Verzicht auf die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge; Rückgabe der Altstadt von Jerusalem an Jordanien, dafür aber Zugang zu den heiligen Stätten für die Juden; eine Erklärung Jordaniens, daß mit Israel kein Krieg mehr bestehe. Israel lehnte damals ab. Weil das Rezept für den Frieden darin zu bestehen schien, nichts zu verändern: „Eisern stehenbleiben, wo wir stehen ...“, sagte Verteidigungsminister Dayan.

Die Folgen blieben nicht aus: Die Hundertausende in den jordanischen Flüchtlingslagern mobilisierten sich zur Selbstjustiz. Die rasch aufgestellten Terrororgainisationen wollten das erreichen, was die arabischen Regierungen nicht konnten: Israel verunsichern, klarstellen, daß sie auf Palästina nicht verzichten wollen.

Was klein begann, wuchs rasch. Und Hussein, schon 1968 Gefangener zwischen den rivalisierenden arabischen Scharfmachern von Bagdad und Damaskus sowie dem wankelmütigen Rais am Nil, ließ die Freischärler in Jordanien das Basislager ihrer Aktivität bauen.

Was gegen Israel gerichtet war, richtete sich aber bald gegen den Monarchen. Die Guerillas wurden zum Idol der arabischen Massen und schneiderten sich eine an Peking orientierte, militante Ideologie zurecht, die desto schärfere Worte benützte, je geringer ihre echten militärischen Erfolge gegen Israel waren.

Nicht nur Hussein, auch Israel schätzte die Lage 1968 falsch ein: Statt ihm bei seiner wiederholten Abwehr der Guerillas zu helfen, trieben Israels Vergeltungsschläge gegen jordanisches Gebiet den König immer wieder in die tödliche Umarmung der Freischärler.

Ende 1968 holten die Partisanen des Dr. Habash und der El-Fatah zum Schlag gegen FJ-Al-Flugzeuge aus. Die Repressalie war ein israelischer Angriff auf den Flughafen von Beirut. Aber damit eskalierte Jerusalem mur den Konflikt, der auf fremden Flugplätzen, gegen unbeteiligte

Passagiere, mit neutralen Regierungen ausgetragen wurde. Der Höhepunkt war im September 1970 erreicht. Die in die Luft gesprengten Maschinen standen auf jordanischem Territorium, die Passagiere und Besatzungen wurden in Jordanien eingesperrt Hussein mußte sich fragen und wurde mit Recht von der ganzen Welt gefragt, ob er noch Herr in seinem Land sei. Seit voriger Woche ist Jordanien eine Militärdiktatur. Royalistische Legionäre schießen auf Terroristen. Seit dem letzten Wochenende rollen Panzer aus Syrien über die jordanische Grenze. Jordanien ist ein Fall für die Großmächte geworden. Die Tragödie des kleinen Königreiches und die traurige Rolle des sympathischen jungen Königs freilich täuschen nicht darüber hinweg: Die Schuldfrage liegt bei allen Beteiligten des Nahostkonflikts. Denn der Konflikt ist nicht zu Ende, wenn auch kein einziger Guerilla mehr auf jordanischem Gebiet am Leben wäre. Oder wenn anstatt des Haschemitendynasten eine Volksfrontregierung in Amman regierte. Der Konflikt ist auch nicht gelöst, wenn ä la Kanonenbootdiplomatie West (und auch Ost) zwischen den Steinhäusern der jordanischen Dörfer patrouillieren.

Der Friede — den die Terroristen so sehr hassen — kann nur dann einziehen, wenn angesichts der tausende arabischer Toter dieses Bürgerkrieges in Damaskus und Bagdad, in Kairo, Tripolis und auch Algier endlich eingesehen wird, daß die Selbst-zerfleischung kein Weg zum Recht ist, von dem die Araber reden. Israel freilich darf nicht händereibend dem Massaker über den Stacheldraht am Jordan hinweg zusehen; Israel ist eine Realität. Aber die Araber sind es auch.

Der Friede wird von Israel Opfer fordern. Es wäre guit, sich in Jerusalem damit vertraut zu machen. Nur Israel hat es in der Hand, die Freischärler auf Dauer zu besiegen: mit einem Angebot für einen fairen Frieden. Und wirklicher Verhandlungsbereitschaft.

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