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Kein Krieg zwischen den alten Freunden!

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Wie marode Sumokämpfer prallten in diesen Tagen Bill Clinton und Morihiro Hosokawa, die Vertreter der beiden größten Wirtschaftsmächte, aufeinander, um einen Handelskrieg zu inszenieren.

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Wie marode Sumokämpfer prallten in diesen Tagen Bill Clinton und Morihiro Hosokawa, die Vertreter der beiden größten Wirtschaftsmächte, aufeinander, um einen Handelskrieg zu inszenieren.

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Weltpolitik ist eine riskante Affäre, wenn sie von Amateuren ausgeübt wird, die an den Schalthebeln der Macht ihr Handwerk erlernen müssen. Das demonstrierten US-Präsident Clinton und Japans Premier Hosokawa eindrücklich mit ihrem Handelskrieg, der den faszinierten Anhängern in den Zuschauerreihen ein Schauspiel der Kraftmeierei bietet, gewiß das letzte, was eine in der Flaute dahin-dümpelnde Wirtschaft heute brauchte. Stein des Anstoßes war der Überschuß, den Japan im Außenhandel Jahr für Jahr einheimst: 130 Milliarden Dollar im letzten Jahr, davon zirka 60 Milliarden allein im Handelsverkehr mit den USA. Seit Jahren steht Japan unter Druck von Seiten seiner Partner, besonders den USA und der EU, diesen gewaltigen Überschuß zu reduzieren durch Öffnung der Grenzen für Importe und durch Ankurbelung der Binnennachfrage durch Stützung der in der schärfsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg dahinsiechenden Wirtschaft.

Hosokawa setzte knapp vor dem Treffen in Washington einen Steu-emachlaß von umgerechnet rund 600 MiUiarden Schil ing durch, ohne das dadurch geschaffene Loch im Budget durch Steigerung der Umsatzsteuer stopfen zu können wegen des Widerstandes der Soziahsten, die mit Sprengung der brüchigen Regierungskoalition drohten. Aber selbst dieser kühne Schritt erfüllte Clintons Forderungen nicht zur Genüge.

Schärfer profilierten sich die Gegensätze in der Frage nach objektiven Kriterien für die versprochene Förderung des amerikanischen Zugangs zu den vier Bereichen Auto und Bestandteile, Versicherungen, Telekommunikation und medizinische Aparate. Als Modell schwebte den Amerikanern das Abkommen vor, das unter Nixon ausgehandelt worden war, wonach Japan 20 Prozent seines Halbleiterbedarfs aus den USA decken sollte.

Für die Amerikaner war das ein fest verpflichtender Vertrag, im japanischen Verständnis nichts weiter als eine Absichtserklärung. Zu endlosen Diskussionen über den Sinn des Vertrags kam die bittere Erfahrung, daß mehr als zehn Prozent der importierten Produkte sich als Ausschußware erwies, wofür die Produzenten keine Entschädigung leisteten. Clinton forderte nun dringend eine ähnliche Verpflichtung auf bestimmte Prozentzahlen für amerikanische Importe.

GROSSE DROHGESTEN

Der japanischen Regierung stehen, abgesehen von Staat ichen Anschaffungen für Ausrüstung des Kommunikationswesens und der Spitäler, rechtlich gar keine Möglichkeiten offen, die Importeure auf gewisse Produkte zu verpflichten. Zudem fragt sich die Öffentlichkeit, warum Japaner Autos kaufen sollen, die die Amerikaner selbst nicht anschaffen wollen. „Managed Trade", staathch kontrollierter Außenhandel, wäre das Ende des Freihandels, der von GATT eben noch so dringend ur-giert worden war.

Hosokawa betonte zudem, Japan hätte nach dem verlorenen Krieg sich als gelehriger Schüler erwiesen und seine Wirtschaft und Industrie nach amerikanischem Vorbild erfolgreich reformiert, habe aber jetzt den Stand des Erwachsenen erreicht, der sich selbständig machen müsse. Dafür kann er auf Zustimmung seines Volkes zählen.

Präsident Chnton und seine Berater ließen zunächst die bei ihm gewohnten großen Drohworte fallen, die einen Handelskonflikt heraufbeschwören, doch ist zu hoffen, daß ihnen, wie gewohnt, keine oder kleine Taten folgen. Zwar übten die Amerikaner sofort Druck auf den Yen aus, um ihn in die Höhe zu treiben, in der Erwartung, damit vrärden die japanischen Exporte außer Konkurrenz gesetzt.

Die japanische Regierung mußte mehr als eine Milliarde Dollar für Stützungskäufe aufwenden. Natürlich trat die Börse, die sich langsam erholt hatte, wieder die Talfahrt an. Der Kongreß droht mit neuer Gesetzgebung gegen unfaire Handelspraktiken. Zoll- und Steuer- erleich-terungen für japanische Firmen in den USA sollen aufgehoben werden. Man erinnert sich aber, daß die unter Nixon erzwungene „freiwillige Reduktion" von Autoexporten aus Japan für die amerikanischen Käufer sofort mit einer Preissteigerung von zirka fünf Milliarden Dollar zu Buche schlugen.

In mehr als 20 Stunden harten Verhandlungen erreichten die beiden führenden Wirtschaftsmächte, trotz des Scheitems in den Hauptanliegen, eine Übereinkunft zu gemeinsamen Sanktionen gegen Nordkorea, falls es seine Atombetriebe nicht der Aufsicht der internationalen Behörden öffne, und eine gemeinsame Leistung von zwölf Milliarden Dollar zur Bekämpfung der AIDS-Epidemie, der Bevölkerungsprobleme in den Entwicklungsländern und der Hilfe für zentral- und Osteuropa. Auch die Ankündigung, daß der Kaiser dieses Jahr den USA einen Besuch abstatten soll, bietet Hoffnung, daß Vernunft über die kämpferische Rhetorik siegt.

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