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Keine Anti-theisten, nur Atheisten...

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So nahm sich der tschechoslowakische Rundfunk etwa die Mühe, zu betonen, daß die Kommunisten keine Anti-theisten seien, sondern eben nur Atheisten; und die humanistischen Werte der Religion werden allgemein zugegeben. Auf der anderen Seite sind kaum Zugeständnisse zu erwarten, die auf die tagtäglichen Schwierigkeiten der Kirche Einfluß haben könnten. Vor allem die Situation des Nachwuchses ist katastrophal. Von den sechs vom Staat unterhaltenen theologischen Fakultäten sind zwei für die Heranbildung von katholischen Priestern bestimmt: eine in Leitmeritz, der es ebenso an Lehrpersonen wie an Schülern und an Unterrichtsmaterial mangelt, und eine zweite in Preßburg. Von 282 Theologiestudenten der Semester 1963/64, etwa 0,6 Prozent der gesamten Hochschülerschaft, waren 130 an diesen beiden Fakultäten inskribiert.Abgesehen davon, daß auch diese Zahlen für den katastrophalen Seel-sorgezustand unzureichend sind, spiegelt sich darin die Stellung des Staates zu den evangelischen Bekenntnissen, der Tschechoslowakischen Nationalkirche und der protestantischen Kirche der Böhmischen Brüder, die sich in ihrer Führung von Anfang an hinter das Regime gestellt haben.

Auch der jetztige Kardinal Erzbischof Dr. Beran hat sich nach 1945 zunächst um ein Arrangement mit der bestehenden politischen Macht bemüht. Der Regierung Benesch gegenüber zeigte er sich sogar ungewöhnlich nachgiebig, so in der Frage der Verstaatlichung der kirchlichen Güter oder in seiner Stellungnahme zur Frage der Austreibung der Sudetendeutschen. Diese Tatsache mochte auch die Unterbrechung einer langen Tradition zur Folge haben,' nach' der die Erzbischöfe der Prager Diözese stets Träger des Purpurhutes waren, zuletzt, bis 1940, der Kardinal Erzbischof Kaspar. Im Gegensatz dazu ließ die Ernennung seines Nachfolgers im Prager Amt, nach einer kurzen Unterbrechung durch einen deutschen Erzbischof, zum Kardinal bis heute auf sich warten. Noch nach 1948, nach der tatsächlichen Machtergreifung der Kommunisten, die auch in den drei Jahren vorher die Politik der tschechoslowakischen Regierung mitbestimmt haben, bemühte sich Erzbischof Dr. Beran, mit den neuen Machthabern möglichst den Frieden zu wahren. So las er etwa 1949 ein feierliches Tedeum für den neuen Ministerpräsidenten Gottioald. Erst in der Frage des Gesundheitsministers Plojhar kam es zu einem offenen Bruch, auf den zunächst die Konfiszierung des restlichen Grundeigentums und die Erklärung aller Priester zu Staatsbeamten, die einen Beamteneid zu leisten hätten, folgte. In der folgenden Zeit trat dann der Prager Erzbischof mit jenem Mut, der ihm auch die Inhaftierung in einem Konzentrationslager in der deutschen Okkupationszeit eingebracht hatte, der kommunistischen Regierung entgegen, ohne aber an der De-facto-Situation der Kirche in der Tschechoslowakei etwas ändern zu können. Schließlich wurde er verhaftet, im März 1951, nachdem zuvor die Bischöfe Vojtassak, Buzal-ka und Gojdic wegen Hochverrats, Verschwörung und Spionage verurteilt worden waren. Erzbischof Doktor Beran wurde zwar nie vor ein Gericht gestellt, hatte eine Zeitlang im Mukafov eine begrenzte Bewegungsfähigkeit, war aber von einer faktischen Amtsführung ausgeschlossen.

Als einzige Konzession von Bedeutung seitens der tschechoslowakischen Regierung bleibt also die Zustimmung bestehen, die sie zur Ernennung des Weihbischofs von Olmütz, Frantisek TomäSek, zum Apostolischen Administrator sede plena gegeben hat. Tomäsek blieb jedoch die Leistung des Beamteneides, den er sich zuvor ebenso wie viele Angehörige des katholischen Klerus vorbehalten hatte, nicht erspart. Nach innen, in den Fragen des kirchlichen Vermögens, der Nachwuchsförderung, der Seelsorge, sind Konzessionen schon deshalb nicht zu erwarten, weil, wie zuvor gesagt, die Prager Regierung keine Rücksicht auf eine etwaige Volksstimmung zu nehmen braucht.

So wird voraussichtlich die Führung der katholischen Kirche in Böhmen keine Gelegenheit bekommen, der Apathie und der mangelnden Glaubensaktivität der tschechischen Bevölkerung entgegenzuwirken. Schon heute müssen einzelne Pfar-1 rer bis-.au sieben Sprengel verwalten. Viele Kirchen- sind geschlössen, viele verfallen. Für Theologiestudenten gibt es keine Ausnahmebehandlung. Sie sind ebenso wie alle anderen auf das staatliche Stipendium angewiesen. Und die staatlichen Stellen bestimmen nach wie vor, wer was studieren darf. Das Nachlassen der atheistischen Propaganda seitens der staatlichen Stellen mag nach außen hin als Zugeständnis und als Besserung der Lage erscheinen und ist wohl auch in diesem Sinn gedacht. Aber die traurigen Tatsachen des Zustandes, in dem sich die katholische Kirche heute in der Tschechoslowakei befindet, werden davon kaum berührt.

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