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Keine Gnade mit den Schwachen

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18 Tageszeitungen gibt es nur noch in Osterreich. Viel Medienmacht befindet sich in einigen wenigen Händen. Allen voran: die Mediaprint.

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18 Tageszeitungen gibt es nur noch in Osterreich. Viel Medienmacht befindet sich in einigen wenigen Händen. Allen voran: die Mediaprint.

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Im ttbrigen glaube ich, die Me-diaprint muß zerschlagen werden." Mit diesen Worten beendet Armin Thurnher, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter", seit zwei Jahren seinen allwöchentlichen Leitarti-kel. Während der römische Staatsmann Cato der Ältere, der mit seinem berühmten ceterum censeo die Zerstörung Karthagos erreichte, auf die kampfstarken römischen Legionen bauen konnte, legt sich Thurnher mit einem übermächtigen Gegner an: der Mediaprint, einem milliardenschweren Medienkonzern unter der Ägide der deutschen Verlagsgruppe WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitungsgesellschaft), zu der unter anderem die „Neue Kronen Zeitung", der „Kurier" und „profil" gehören. (Siehe Graphik auf der nächsten Seite.)

Prompt hat das Zeitungsimperium zurückgeschlagen: Von Oktober des Vorjahres an stellte die Mediaprint an jedem Werktag einen Strafantrag vor Gericht gegen eine angeblich unerlaubte Abonnenten-Aktion des „Falter". Als die Wochenzeitung vom Gericht nach einem halben Jahr über die Anzeigenflut informiert wurde, hatte sich eine Millionenstrafe summiert, die das kleine Blatt in seiner Existenz bedroht. „Wenn einem ein kleiner Terrier ständig in die Wade beißt, kann man das einige Zeit ertragen -aber irgendwann wird man sich mit legalen Mitteln wehren", eröffnete Erich Schumann, Geschäftsführer der WAZ-Gruppe in einem „profil"-Interview.

„Die Mediaprint hat am österreichischen Tageszeitungsmarkt eine überragende Marktstellung. Die Tendenz zum Monopol ist nicht zu übersehen", heißt es in einer Studie des Salzburger Instituts für Informationsökonomie und Neue Medien. 1994 kam knapp die Hälfte aller in Österreich gedruckter Tageszeitungen aus jenem Medienkonzern. Schon ein Druckauflagenanteil eines Verlages von über 40 Prozent ist laut der Studie im internationalen Vergleich unüblich.

Das Flaggschiff der Mediaprint ist die „Neue Kronen Zeitung". Bei rund jedem dritten in Österreich gedruckten Tageszeitungsexemplar handelt es sich um eine Krone. Uber vierzig Prozent der Österreicher haben täglich Kontakt mit dem „Zentralorgan der Vorurteile" (Peter Pilz, Mediensprecher der Grünen). In sieben von neun Bundesländern ist die Krone entweder marktführend oder liefert als zweitstärkste Zeitung dem regionalen Marktführer einen harten Wettkampf.

„Gemeinsam wirtschaften und getrennt schreiben" laute der Grundsatz des Konzerns, verteidigte sich Hans Dichand, Herausgeber und Chefredakteur der „Neuen Kronen Zeitung", gegen Vorwürfe, die Mediaprint errichte ein Meinungsmonopol. In der Tat unterscheiden sich die Blattlinien der verschiedenen Mediaprint-Produkte erheblich. Das entspricht wirtschaftlichem Kalkül: Je mehr Zielgruppen bedient werden, desto höher der Absatz. Die Gazetten gleich zuschalten, würde mit Sicherheit Marktanteile kosten.

Doch unliebsame Gegner werden nicht nur publizistisch bekämpft, sondern bekommen die geballte wirtschaftliche Macht der Mediaprint spüren, wie die Mil lionenklage ge gen den „Falter" beweist.

Die Mediaprint sei schon am Ende der „AZ" im Jahre 1991 mit Schuld gewesen, sagt Peter Pelinka, letzter Chefredakteur des ehemaligen sozialistischen Parteiorgans und nun Chefredakteur des Wochenmagazins „News". Zwei Jahre zuvor hatte die Mediaprint die Vor-wärts-Druckerei erworben, in der die „AZ" produziert wurde. Eine angedrohte dramatische Druckpreiserhöhung zusammen mit einem „beinharten Verdrängungswettbewerb" auf dem Sektor der Haus Zustellung hätten schließlich zum Untergang des traditionsreichen Blattes beigetragen, erklärt Pelinka.

Der Tageszeitung „Der Standard", nicht gerade als Freund der Mediaprint bekannt, verweigerte der Konzern die Einbindung in sein Hausvertriebsnetz - im Gegensatz zum „Wirtschaftsblatt", das auf ein ähnliches Publikum zielt. Während nun die Konkurrenz schon frühmorgens im Briefschlitz der Abonnenten steckt, trudelt „Der Standard" erst im Laufe des Vormittags per Post ein. Das rosarote Blatt klagte wegen „Mißbrauchs der marktbeherrschenden Stellung". Das Verfahren vor dem Kartellgericht ist anhängig.

Wie weit die Mächt der Mediaprint geht, zeigte die umstrittene Neuregelung der.Werkverträge (siehe diefur-ci ie 31 /96). Als in der Gesetzesnovelle alle Arbeitgeber, die Mitarbeiter auf Werkvertragsbasis beschäftigen, zur Zahlung von 17,2 Prozent des Honorars als Sozialversicherungsbeitrag verdonnert werden sollten, meldete sich Zeitungszar Dichand zu Wort. Unter Hinweis auf „vier Millionen Zeitungsleser" klagte er in einem Brief an Parlamentsabgeordnete, daß das Mediaprint-Vertriebssystem „nicht mehr finanzierbar" sei und bat um eine Ausnahme. Die wurde ihm gewährt. Zeitungszusteller und -kol-porteure unterliegen weiterhin nicht der Sozialversicherungspflicht. „Lex Dichand", ätzte der „Falter".

Die Kündigung des damaligen Herausgebers des „profil", Hubertus Czer-nin, brachte im Mai dieses Jahres das Faß zum Überlaufen. Die kritische Blattlinie des Magazins (die „Groer -Enthüllungen" und der „nackte Kanzler") hatte den Eigentümern - Baiffe-isen und die Mediaprint - mißfallen; „profil" werde nun auf eine genehmere Linie zusammengestutzt, mutmaßten die meisten Medienleute. Die Demontage Czernins wurde somit zum Anlaß für das „S.O.S-Medien-volksbegehren", dessen Wortlaut Ende September präsentiert werden wird.

(Fortsetzung auf Seite 14)

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