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Keine Truppe für Österreich

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Sozialistische Exilpolitiker unterstützten nicht die Bestrebungen Hans Rotts in New York, die Unabhängigkeit Österreichs wiederherzustellen.

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Sozialistische Exilpolitiker unterstützten nicht die Bestrebungen Hans Rotts in New York, die Unabhängigkeit Österreichs wiederherzustellen.

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Nach der Niederlage Frankreichs und dem Fall von Paris 1940 endete die politische österreichische Emigration in Frankreich. Die politische Ebene der österreichischen Exilpolitiker verlagerte sich westwärts, nach England, den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada.

Unverdrossen und keineswegs zur Aufgabe bereit, führte Hans Rott seinen politischen Kampf um die Anerkennung Österreichs fort. In Toronto gründete er die „Free Austrian Movement" (Freie Österreich-Bewegung). Als ehemaliger Minister reklamierte er die Kompetenz der Bildung einer Exilregierung für sich. Diese Bewegung sollte keine Partei sein, sondern als Ziel die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs haben.

Auch diesmal erfolgte keine Unterstützung von Seiten der sozialistischen Exilpolitiker. Erstaunt wurde bei den westlichen Alliierten festgestellt, daß die österreichischen Sozialisten in London und New York den Anschluß dauernd aufrechtzuerhalten wünschten.

1941 übersiedelte Bottnach New York. Dort beteiligte er sich führend an der Gründung des „Free Austrian National Council" (Freie Österreichische Nationalversammlung), die sich als Bechtsnachfolger der letzten österreichischen Bundesregierung in den USA betrachtete.

1942 schien sich endlich für Hans Bott ein Erfolg anzukündigen. Die amerikanische Öffentlichkeit begann sich für Österreich zu interessieren. Am 25. Juli 1942, dem Todestag des von Nationalsozialisten erschossenen österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß, veranstalteten 13 Staaten der USA einen „Österreich-Tag" in Erinnerung an den Widerstand Österreichs gegen den Nationalsozialismus. US-Senator Claude Pepper wies in seiner Gedenkrede darauf hin, daß Hitler damals seine erste Niederlage erlitten habe, und daß Österreich das erste Blutopfer brachte, um den Vormarsch Hitlers zu dämmen. Österreichs Begierung, Heer und Volk hätten damals dem Sturm widerstanden, stellte der US-Senator bewundernd fest.

Einige Wochen nach dem „Österreich-Tag" gründete Hans Bott mit führenden österreichischen Exilpolitikern das „Military Committee for the Liberation of Austria" (Militärkomitee für die Befreiung Österreichs). Am 19. November 1942 erklärte der amerikanische Secretary of War, Henry Stimson, auf einer Pressekonferenz: Im Bahmen der amerikanischen Armee wird ein österreichisches Bataillon aufgestellt. Präsident Boo-sevelt gab seine Zustimmung. In einer Presseaussendung des Secretary of War wurde auf das Ziel der Bataillonaufstellung hingewiesen: den Österreichern in der ganzen Welt zu zeigen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika entschlossen sind, Österreich zu befreien. Dem Wunsch vieler Österreicher, mit einer eigenen Truppe ihr Heimatland zu befreien, wurde stattgegeben.

Nach diesen Veröffentlichungen brach, ganz im Sinne Otto Bauers, ein Proteststurm der österreichischen sozialistischen Exilpolitiker über die Amerikaner herein. Lautstark wurde die Einstellung der Bekrutierungen und die Auflösung des Bataillons gefordert. Besonders Otto Habsburg, der sich ebenfalls für die Aufstellung einer österreichischen Einheit engagierte, wurde von den Sozialisten unfair attackiert. Präsident Boosevelt reagierte in scharfer Form gegen die Angriffe auf das österreichische Bataillon und verteidigte das Engagement des Habsburgers, dem es nur um den Beitrag eines österreichischen Bataillons für die Befreiung Österreichs ging;

Die andauernden wilden Proteste der Sozialisten führten schließlich Anfang Mai 1943 zur Auflösung der österreichischen Truppeneinheit, des 101. Infanteriebataillons. Die Ausland-Sozialisten in England und in Amerika lehnten jede österreichische Truppe ab, selbst wenn es möglich gewesen wäre, eine unpolitische österreichische Truppe als Symbol zu schaffen.

Mit der Auflösung des Bataillons endete ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der österreichischen politischen Emigration. Ihr politisches Potential war vertan. Eine politische Emigration, die außerstande war, ein Symbol, eine militärische Einheit für die Wiederherstellung Österreichs aufzustellen, um sich in den Kampf als Treuhänder zur Befreiung einzuschalten, muß jede politische Bedeutung verlieren.

Mit der Auflösung des Bataillons endete auch das politische Engagement des ehemaligen österreichischen Ministers Hans Bott. Denn in Folge der Moskauer Deklaration im November 1943 bestimmte nicht Österreich selbst, sondern allein der militärische Erfolg der Großmächte und deren politische Entscheidungen das künftige Schicksal Österreichs.

Völlig anders verhielten sich die politischen Emigranten aus Österreich in Lateinamerika. Nirgendwo fand der Patriotismus der einzelnen Emigranten und deren Bestreben, die Unabhängigkeit Österreichs wiederherzustellen, einen so klaren, einheitlichen, überparteilichen Ausdruck wie in den lateinamerikanischen Staaten. Die österreichische Vereinigung in Bolivien bekannte sich in einer Festschrift zum Prinzip der Überparteilichkeit, die eine Exilform der Demokratie darstellt. Wäre der Zusammenschluß aller Emigranten ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit in Frankreich, Großbritannien und in den Vereinigten Staaten verwirklicht worden, hätte dies im Bereich der Westalliierten längst zur Bildung einer Exilregierung und zur Aufstellung einer österreichischen Legion geführt.

Selbst die österreichischen Emigranten in der Sowjetunion verfolgten eine auf die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Österreichs gerichtete Linie. Die österreichischen Kommunisten in Großbritannien verlangten die Einheitsfront aller politischen Emigrationsgruppen. Gegen Kriegsende richtete Moskau scharfe Angriffe gegen die österreichischen sozialistischen Emigranten in London, die stets für den Anschluß eingetreten waren, sich aber jetzt beeilten, die Posten in einem neuen Österreich untereinander aufzuteilen.

Der Autor

war Kulturreferent im Finanzministerium Weitere Beiträge von ihm zu diesem zeitgeschichtlichen Thema sind in Furche 49J199S und in Furche 2/1996 erschienen.

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