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Kennedys „Regierung im Exil?“

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Der Senator von New York Robert Kennedy, wurde kürzlich bei einer Fernsehsendung gefragt: „Stimmen Sie mit Ihrem Bruder Edward überein, wenn er..Der Journalist konnte seine Frage michl beenden: Bobby Kennedy hatte bereits laut und deutlich „Ja!" gesagt, ohne albzuwarten, worum es sich handelte

Der Zwischenfall ist nicht nur amüsant —, er ist symptomatisch für das Gefühl der engen Zusammengehörigkeit, das die Familie Kennedy Zusammenhalt, von ihren Gegnern boshaft „Die irische Maffia“ genannt.

Robert Kennedy, den sein Bruder zum Justizminister gemacht hatte, verließ nach dem Amtsantritt von Präsident Johnson sein Amt — nach und nach folgten alle jungen Freunde des ermordeten Präsidenten. Er bewarb sich um ‘die Stelle des New Yorker Senators — und gewann —, der Name barg gewichtige Imponderabilien. Seitdem hören die Spekulationen nicht auf. Strebt er die Nachfolge seines Bruders im „Weißen Haus“ an? Seine Gegner sind beunruhigt. Seine Freunde hoffen darauf. Und die Beobachter „analysieren“.

Ein englischer Publizist prägte das Wort von der „Regierung im Exil“ über die Kennedy-Familie. Wenn c amit gemeint dsf) Ydaß.§lie Kennedys nicht aufgegeben haben, an die Spitze zu kommen, ist das wohl richtig. Robert Kennedy baut seine Truppen auf, ruhig, langsam, ohne wilde Kampfansagen. Als er einmal gefragt wurde, ob es so etwas wie eine Kennedy-Fraktion gäbe, meinte er lächelnd, daß eine Reihe junger Freunde seines Bruders in örtlicher und einzelstaatlicher oder föderaler Politik sich einzusetzen bemühen, aber, fügte er an, dahinter steht kein „mustermind“. Wo er „Vorbehalte" in der Frage der Johnsonschen Außenpolitik anmeldet, tut er es zurückhaltend, „konstruktiv“ und admimstrations-loyal, so daß man ihm — etwas eisig zwar, aber doch — in Washington für seine wertvollen Anregungen dankte.

Zwischen den Zeilen aber steht die Botschaft: Eines Tages werde ich rückhaltlos sagen, was ich denke..,

Die „Regierung im Exil“ führt den raffiniertesten psychologischen

Krieg gegen einen Mann, dem die Meinungsrundfragen bestätigen, daß er ständig an Vertrauen verliert. Ohne anzugreifen. Die (eventuelle) Bereitschaft der USA, am Verhandlungstisch (möglicherweise) auch mit der „Vietcong“ zu verhandeln, hat Senator Kennedy in aller „Unschuld“ ihr durch seine „Anregungen“ ratsam erscheinen lassen.

Warten gelernt

Johnson und Robert Kennedy lieben sich nicht sehr. Die Gründe sind mannigfach: Johnson weiß, daß er trotz allem, was er praktisch für seine Nation erreicht, niemals die charismatische Position von JFK erreichen kann. Alle Freunde Kennedys erinnern ihn ständig daran. Aber, objektiv gesehen, kann er das durch eigene Leistung ausgleichen. Und er tut es teilweise: in der Innenpolitik. In der Stellung zu Robert Kennedy kommen andere Dinge hinzu: er weiß, daß dieser seinen Bruder beschwor, Johnson nicht als Vizepräsidenten zu wählen. Er fand auf seinem Schreibtisch den Text einer Rede, die Kennedy in Japan vor Studenten gehalten hat, wo er, in Beantwortung einer Frage über „amerikanischen Imperialismus“, die Eingliederung von Texas als ein bedauerliches Beispiel zugab. Das hat der Texaner Johnson ihm nie verziehen.

Heute macht „Bobby“ keine

„Statements“ dieser Art mehr. Er hat gelernt. — Gelernt vor allem, zu warten.

Als Wayne Morse, das Enfant terrible der Demokratischen Partei, kürzlich ihm Unterstützung zusagte, würde er bei der nächsten Präsidentenwahl gegen Johnson in die Arena treten, bemerkte er freundlich, daß er über jedes nette Wort über ihn glücklich wäre, aber im Jahre 1968 die Kandidatur Johnsons unterstützen würde. Dem ging eine

Sitzung von zirka 15 Demokratischen „Dissidenten“ voraus, denen sich Kennedy zum ersten Mal zugesellte: anläßlich der Senatsvemehmungen zum Vietnam-Budget. Fulbright (Arkansas) hatte auf eine sehr eindrucksvolle Weise die Befürworter der militärischen Intensivierung in Vietnam in die Enge getrieben und wurde plötzlich als Wortführer der „Doves“ (Tauben) genannt, die den „Hawks“ (Falken) Parole bieten würden: wobei die „Tauben“ diejenigen genannt werden, die den Krieg beenden, die „Falken“ diejenigen, die ihn zum Sieg führen wollen. Kennedy hat zweifellos die Dissidenten veranlaßt, nicht zu früh offen gegen die Administration herauszukommen: Morse blieb in seiner Militanz fast völlig isoliert.

Zweierlei Opposition

Er weiß nur zu gut, daß die Unzufriedenheit mit Johnson aus zwei entgegengesetzten Richtungen kommt. Die „Friedensfreunde“ (vor allem Intellektuelle, Professoren, Schriftsteller und die Bürgerrechtsgruppen) stehen in Opposition, aber ebenso stark ist sie bei denen, denen das Weiße Haus zu „schlapp“ ist. Kennedy, zwar bar des Fluidums, das JFK besaß, ist zweifellos an weltpolitischer „Koexistenz“ wie am innenpolitischen sozialen Fortschritt ehrlich interessiert, besitzt ein außergewöhnliches Einfühlungsvermögen in die Beweggründe von „Freund“ und „Feind“ und ist — ein Realist. Er ist ehrgeizig — er wäre nicht der Sohn seines Vaters, wäre er es nicht. Aber ihm liegt Amerika am Herzen und er weiß, wie recht JFK mit dem Rat hatte, „frage nicht, was Amerika für Dich tun kann —, frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst..

Und er ist ein zielbewußter harter Arbeiter. Wird es ausreichen, 1972 die „exilierte“ Kennedy-Familie zurück ins Weiße Haus zu bringen? Oder muß vielleicht später der vierte Bruder sein Glück versuchen?

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