6554581-1948_14_12.jpg
Digital In Arbeit

Kirchliche Kleinkunst?

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt ein kirchliches Verzeichnis verbotener Bücher und Schriften und ein kirchliches Imprimatur für vom Bischof gebilligtes theologisches und religiöses Schrifttum.

Es gibt kein Imprimatur für kirchliche und religiöse, zum Gebrauch des Laien und zur Verwendung in Kirchen bestimmte Kleinkunst und keine oder nur ungenügende, auf gelegentliche Warnungen beschränkte oberhirtliche Abwehr ungeeigneter Devotionalien. Und doch sind die Wirkungen, die von der bildenden Kunst ausgehen, wenigstens, wenn sie lange, das heißt Generationen hindurch, konstant sind, nidit minder stark und beeinflussen nicht minder auch die christliche Ideenwelt als das geschriebene und gedruckte Wort. Wohl erhebt die Kirche Protest, wenn es sich darum handelt, etwa das Bildnis des Gekreuzigten vor öffentlicher Verunglimpfung zu schützen, etwa wenn es zum Zweckmittel politischer Propaganda herabgewürdigt wird (George Grosz). Aber von einer ’’nachdrücklichen Abwehr der wahrhaften „Sünd“flut sogenannter frommer Darstellungen moderner Zuckerbäckereien, hinter denen nicht einmal naives Unvermögen, sondern spekulierende Gewinnsucht steckt, kann nicht die Rede sein. Und ich meine: es wäre dies auch gar nicht Aufgabe der „Kirche“, das heißt der Amtsträger, der Bischöfe und kirchlichen Institutionen, die heute reichlich genug Aufgaben zu lösen haben. Wohl aber wäre das eine, wenn mit Mut und Geschick angepackte, dankbare Aufgabe der Laien, von denen man heute doch weithin wieder Mündigkeit und selbstverantwortliche Entscheidung verlangen muß.

Der nationalsozialistische Staat, dessen Planungen nicht gerade immer so schlecht waren, kannte ein Gesetz zum Sdiutze nationaler Symbole. Daß ein solches in einem Staat und Volk, die etwas auf sidi halten, notwendig ist, bedarf keiner näheren Erläuterung. Die berühmten Männer und Wahrzeichen einer Nation mögen in der Wertschätzung mehr oder minder schwanken. Aber ich bezweifle, ob es in den doch freizügigen Vereinigten Staaten möglich ist, etwa eine Schuhputzcreme nach George Washington zu benennen, wie es etwa auf deutschem Boden mit Bismarck-Heringen nnd Mozart-Kugeln (die an Süßigkeit vielleicht die Mozart-Musik überteffen mögen) geschehen ist und geschieht; auch der Kopf Kaiser Wilhelms als Aschenbecher mit abnehmbarer Deckelgehirnplatte war keine Witzblatterfindung. Heute meint man vorläufig, die Güte eines Gegenstandes damit genügend gekennzeichnet zu haben, daß man ihm die Bezeichnung „österreichische Heimatkunst“ oder noch besser: „echt Österreich“ unterschiebt und, soweit sich das tun läßt, die Farben rotweißrot anbringt. Von da bis zur drehbaren Schaufensterdekorationsplatte mit tönender Nationalhymne ist nur ein Schritt der Materialbeschaffung.

Ist schon das nationale Leben eines Volkes empfindlich und bedarf gegen übelwollende und simple Profitgier eines ausreichenden Schutzes durch die staatlichen Gesetze, so gilt dies noch mehr für die religiöse Kunst. Nur: keine staatliche und kirchliche Gesetzgebung wird allein imstande sein, hier eine Wandlung der Dinge herbeizuführen. Ausreichend ist nur eine genügende Aufklärung aller Gläubigen, die sowohl in negativer oder positiver Richtung erfolgen müßte.

In negativer: Seit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches gilt „Religion“ wieder etwas als zum anständigen Staatsbürger gehörig. Es sei ferne, damit jene zu kränken, für die damals tatsächlich erst ein Sdileier vor den Augen hinweggezogen wurde oder schwerwiegende wirtschaftliche und familienbedingte Zwangs Verhältnisse sich lösten. Tatsache bleibt aber, daß vielen Revertiten und auch Konvertiten der Rüde-, beziehungsweise Übertritt, eine reine Kon-

junkturangelegenheit war. Von dieser Konjunktur wurde nun auch die Devotionalienkunst ergriffen. An Stelle von Soldatenbildnissen oder heroischen Wandsprüdien malt man nun Herz-Jesu-Darstellungen in HintergLas- manier und an Stelle von Hitlerbüsten, deren Herstellung immerhin wenigstens künstlerisch überwacht war, stellt man die allbekannten zuckerigen Lourdesmadonnen her. Von welcher Kenntnis der Materie dabei die Rede sein kann, zeigt ein Fall, wo ein Salzburger Kunstgewerbler Hinterglasbilder verschiedener Art malte: etwa eine

Fensterlszene oder ein plumptanzendes Bauernpaar, daneben, von der gleidien Hand, ein martialisch anmutehder Sankt- Hubertus und ein an das „Münchner Kindl“ erinnerndes Bid mit der pompösen Aufschrift: „Salzburger Loretho-Kindl“. (!)

Daneben taucht aber bereits eine Flut von zwar minderwertigen, aber nicht billigen Kruzifixen auf, plumpe Holzkreuze, der Leib des Herrn nach der Schablone gegossen, manchmal eine wirklich nur der Gewöhnung der Augen als Heilandsgestalt erkenntlicher Klumpen Gußmasse. Weihwasserbecken aus Metall und Keramik, mit filmlächelnden Engelsköpfen oder einer sentimental-süßlichen Gottesmutter mit dem Kind, die auch nur der religiös Wissende als solche identifiziert.

Es ist hier eine ernste Gefahr vorhanden, die Gefahr nämlich, daß das Volk heute, nachdem es durch den Mangel an religiöser Kunst im Kriege vorbereitet gewesen wäre für die Aufnahme wirklicher religiöser Kleinkunst, wieder zurückfällt in den Andachtsstil etwa des ausgehenden 19. Jahrhunderts und so aufs neue verbildet wird. Gerade der Jugend, der man doch auch im Religionsunterricht nicht den lämmlein- tragenden hübschen Jesusknaben von früher malen kann, darf man so etwas nicht vorsetzen. Gleichwie wir ein Christusbild in der Literatur haben: stark, königlich, herb, dabei voll Liebe und Milde, so soll auch das Bild sein, das sich unseren Augen bietet. Man braucht noch lange nicht an den „deutschen Christus“ zu denken, dem manche Kirchenblätter sich in der Zeit des Nationalsozialismus bedenklich näherten. Aber der Christus der romanischen und gotischen Dome entspricht nun einmal auch unserer Vorstellung vom Heiland mehr als der himmelnde Augenaufsdilag der Reni- Bilder, die noch heute bei Fronleichnams-

prozessionen häuserweise zum Vorschein kommen. Wir erwecken mit dieser Kunst doch auch nur eine falsche Vorstellung vom Katholizismus der Gegenwart und berauben ihn seiner Anziehungskraft, die er auf die abgefallenen Christen auszuüben vermöchte.

Gewiß: diese „Kunst“ wird nicht von Christen gemacht, sondern von verantwortungslosen Geschäftsleuten. Aber sie wird von Christen gekauft und b e- nutzt. Hier muß also jene Abwehr ein- setzen, die sehr rasch einen Wandel zur Folge h ben wird. Wenn die Gipsmadonnen und gegossenen Kruzifixe samt den Pseudoweihwasserbecken als Ladenhüter alt und älter werden, werden sich die Produzenten

— in diesem kommerziellen Stil muß man wohl hier reden — sehr rasch auf eine auch für die Volkswirtschaft nützlichere Erzeugung umstellen. Ein guter Aluminiumschöpflöffel, zu einem erträglichen Preis herausgebracht, ist hier zweifellos eine christlichere Tat als ein flachgewalzter Aluminiumkorpus auf einem schlecht zusammengeleimten Kreuzchen.

Zu dieser Selbsthilfe der Laien gegen eine Fälschung ihrer religiösen Gefühlswelt muß dann noch das andere kommen: die Förderung jeder echten religiösen Kunst. Es ist sicherlich schwer, gerade das Landvolk von seiner altgewohnten Kunstauffassung abzubringen und an die neuen, die in Wirklichkeit ja alten Formen zu gewöhnen. Wenn aber hier auch von seiten des Klerus auf klärend gewirkt wird, wenn in Ausstellungen immer wieder gute und beste religiöse Kunst gezeigt wird, wenn man auf die Jugend in diesem Sinne erzieherischen Einfluß nimmt, ja, wenn aus den Kirchen selbst so allmählich aller Kitsch, jede blasse und unechte religiöse Darstellung verschwindet, dann kann an einem Erfolg nicht gezweifelt werden.

Es sind allenthalben starke künstlerische Kräfte da, gerade bei uns in Österreich, die sich auch um die religiöse Kleinkunst mühen wollen. Aber jede Arbeit will ihren auch materiellen Lohn. Und so scheitern die meisten dieser Bemühungen an der unzulänglichen Haltung der katholischen Öffentlichkeit. Ein Wandel, durch nachdrückliche Werbung angeregt und unterstützt, wäre auch hier manchmal nicht nur künstlerische, sondern christliche Tat.

Es ist der Vorschlag zu erwägen, daß eine Gemeinschaft von Künstlern und künstlerisch empfindenden Laien unter bischöflicher Autorität gebildet werde, die es sidi angelegen sein läßt, die zum Verkauf gelangenden Gegenstände kirchlicher Devotionalien auf ihren künstlerischen Rang und ihren religiösen Gehalt zu prüfen.

Soli Deo Gloria! Gott allein zur Ehre! schrieb Johann Sebastian Bach noch über alle seine Werke, auch die weltlichen Konzerte. Er konnte sie Gott weihen, weil sie Gottes würdig waren, soweit dies Menschenwerk vermag. Auch die kirchliche Kleinkunst muß den Stempel dieser Widmung tragen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung