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Kleine politische Prosa

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POLITISCHES HANDBUCH DER REPUBLIK ÖSTERREICH. Zusammengestellt und bearbeitet von Wolfgang Oberleitner. Guardaval, Vereinigung zur Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften, Wien. 149 Seiten. Preis 64 S.

Ein kleines Österreichbuch besonderer Art! Hier wird nicht berichtet, nicht kommentiert, nicht räsoniert. Der Wiener Journalist Wolfgang Oberleitner hat, sich der gewißj nicht geringen -Mühe unterzogen, eiste Art „Who is Wiho“ der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Organisationen Österreichs zu verfassen. Aus persönlichen Notizen, dem Ergebnis vieler Rundfragen sowie amtlichen Unterlagen fügte sich diese Arbeit, die im großen und ganzen als gelungen betrachtet werden kann. Mehr noch: Als eine wertvolle Ergänzung der an sich in Österreich so dürftigen Gegenwartsliteratur ist sie uns willkommen. Wer zum Beispiel wissen will, wieviel Stimmen Dr. Gleißner im Jahr 1951 im ersten Wahlgang erhalten hat. greife ebenso nach der vorliegenden Broschür“ wie jener, der über die Namen und die Amtszeit dieses oder jenes Botschafters einer fremden Macht genau Bescheid haben will. Daß bei der letzten Volkszählung 264.914 Personen „ohne Konfession“ ermittelt wurden, wird ebenso in Erinnerung gerufen wie die Liste der nicht mehr bestehenden Splitterparteien vergangener Wahlgängc samt ihren Pro-ponenten. Über die Vorsitzenden des „Verbandes Katholischer Publizisten“ wird getreulich Buch geführt, und wer die Namen der in Österreich bestehenden Freimaurerlogen erfahren will — die Liste erscheint allerdings nicht vollständig —, hier kann er seine Neugierde befriedigen.

Daß Wolfgang Oberleitner auch die Gefallenen der beiden Weltkriege mit ihrem Blutzoll nicht vergessen hat, ist lobenswert. Wieso er aber in diesem Zusammenhang „teilweise österreichische Truppenteile im Rahmen der Deutschen Wehrmacht“ entdeckt und sogar vier „österreichische“ Divisionen mit mehr oder weniger hoher Nummer nennt, ist unerfindlich. Die “historische Tatsache, daß hunderttausende Österreicher von der Deutschen Wehrmacht eingezogen wurden, es aber keine österreichischen Truppen im Rahmen der Deutschen Wehrmacht gab, wurde erst unlängst jenseits allen politischen Diskussionen von Univ.-Prof. Erich Zöllner in seiner „Geschichte Österreichs“ in Erinnerung gerufen.

WER REGIERT IN ÖSTERREICH? II. Die

Ära Gorbach-Pittermann. Von Alexander V o d o p i v e c. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1962. 356 Seiten. Preis 142 S.

Wer regiert in Österreich? Zum zweitenmal stellt Alexander Vodopivec diese Frage und ist wieder bemüht, seiner Antwort die Form eines Buches zu geben. Wir haben die erste Auflage, seine Probleme und auch seine Problematik vor Jahresfrist („Die Furche“, Nr. 13/1961) ausführlich vorgestellt. Heute können wir nur festhalten, daß Vodopivec es sich mit der Neuauflage nicht leicht gemacht hat. Aufbau und Einteilung dieses ersten Versuche; einer politischen, soziologischen und wirtschaftlichen Bestandsaufnahme in Österreich wurden zwar beibehalten, ihr Inhalt jedoch gründlich überarbeitet, wobei dei Schwerpunkt nun eindeutig auf die irr letzten Jahr stattgefundenen politischer und persönlichen Veränderungen gelegl wurde. Die Ab- und Umwertung vielei Begriffe in der Tagespolitik mag der Autor auch dazu verleitet haben, schor von einer „Ära Gorbach-Pittermann“ zt sprechen. Bei allem Respekt vor den gegenwärtigen Obmännern beider Regierungsparteien möchten wir das Wort Ära jedoch auch weiterhin für größere Zeiträume und tiefergehende historische Zäsuren reserviert wissen. Vom „Kabinett Gorbach-Pittermann“ zu sprechen und zi schreiben, wäre gar keine Minderung de: Ansehens desselben, dafür aber korrektei und zutreffender.

Was Vodopivec in seinem Schlußwort über „die gealterte Oligarchie“ zu sagen hat, kommt der Problematik unserer Zeit, von der der Autor mit Recht offenläßt, ob sie „der Beginn von etwa Neuem oder eine Übergangszeit“ ist, sehr nahe. Wie immer man zu einzelnen Thesen, zu manchen Perspektiven des vorliegenden Buches steht, wir können letztlich nur wiederholen, was wir vor Jahresfrist festgehalten haben: „Vodopivec' Buch kann mithelfen, daß Gespräche über Politik in Österreich wieder gesellschaftsfähig werden.“ Wenn es auch das politische Denken befruchten und anregen könnte, so wäre dies viel — sehr viel sogar.

DEMOKRATIE, RECHT, GESELLSCHAFT.

Ausgewählte Aufsätze, Vorträge und Reden. Von Christian Broda. Europa-Verlag, Wien-Stuttgart-Zürich. 251 Seiten. Preis 78 S.

In der neuen Reihe des Europa-Verlages, in der sehr verschiedene Temperamente zu Wort kommen, legt der Bundesminister für Justiz, Christian Broda, eine Sammlung von Aufsätzen, Vorträgen und Reden vor, die alle um den Themenkreis Demokratie, Recht und Gesellschaft kreisen und das Bekenntnis zum Rechtsstaat und zu einem neuen österreichischen Patriotismus als gemeinsamen Nenner haben. Diesen oder jenen Beitrag hat der Leser gewiß schon da und dort zur Kenntnis genommen; aneinandergereiht und zusammengefaßt, gewinnt die Sammlung den Charakter einer gegenüber Freunden und Gegnern abgegebenen politischen Visitenkarte, Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Vorbemerkung — „Ein Autor stellt sich seinen Lesern vor“ — sowie die Einleitung. Beide wären wegen des offenen Bekenntnisses über den eigenen politischen Weg auch dann von Interesse, wäre derselbe nicht im letzten halben Jahr in der Feuerlinie parteipolitischer Polemik gelegen.

DER STEINIGE WEG. Geschichte der sozialistischen Bewegung im Land Salzburg. Von Josef Kaut. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung. 278 Seiten. Preis 75 S.

Eine Parteigeschichte, von einem Parteimann geschrieben und daher zwangsläufig in ihrer politischen Optik begrenzt und in ihrer Darstellung einseitig. Wenn man dies von Anfang an in Rechnung stellt, bleibt eine gewissenhafte Buchführung über die Sozialistische Partei und über ihre führenden Mitglieder im Land Salzburg. Die Darstellung beginnt mit jenem in dessen Memoiren erwähnten Aufenthalt Bebels als Drexlergehilfe in Salzburg, als man das Wort Sozialdemokrat noch nicht kannte und bei dem der spätere deutsche Sozialistenführer in einem guten Gesprärhs-kontakt mit dem hier schon bestehenden Katholischen Gesellcnvercin und seinem später in der christlichsozialen Bewegung große Rolle spielenden Präses Dr. Schöpf stand. Alles in allein eine Chronik, die der Historiker gerne auch von den Landesorganisationen anderer Bundesländer und

LIBERALE, CHRISTLICHSOZIALE UND SOZIALDEMOKRATISCHE KOMMUNALPOLITIK (1861 bis 1934). Dargestellt am Beispiel der Gemeinde Wien. Von Felix C z e i k e. Schriftenreihe des Arbeitskreises für österreichische Geschichte. Verlag für Geschichte und Politik, Wien. 118 Seiten. Preis 58 S.

Die vom Arbeitskreis für österreichische Geschichte herausgegebene Schriftenreihe verfolgt den Zweck, bisher umstrittene Fragen der österreichischen Geschichtsschreibung durch Kenner der Materie behandeln zu lassen und damit zu einem dem neuen Stand der Forschung entsprechenden Geschichtsbild beizutragen. Mehrere Publikationen — wir erinnern nur an Erika Weinzierls Beitrag über die österreichischen Konkordate 1855 und 1934 — haben bereits diesen Intentionen bestens Rechnung getragen. Nun ist die von den Historikern so oft vernachlässigte Gemeindepolitik an der Reihe. Felix Czeike hat am Beispiel der Geschichte der Gemeinde Wien die Möglichkeit, die Kommunalpolitik dreier aufeinanderfolgender Parteien, deren Rathausregime der Stadt jeweils ihren Stempel aufprägte, zu konfrontieren. In der Regel geschieht dies nicht nur mit Sachkenntnis, sondern auch in einer sachlichen Darstellung. Wenn etwas stört, so ist es der Eindruck, der sozialistischen Verwaltung werde der Charakter einer beinahe endzeitlichen Erfüllung aller Wünsche zugestanden. Eine Korrektur: Bei den Wahlen 1927 trat keine bürgerliche „Einheitspartei“ (S. 97) an. Christlichsoziale und Deutschnationale machten vielmehr den — übrigens mißlungenen — Versuch, durch eine Einheitsliste den Kandidaten ihrer Parteien gegenüber jenen der sozialdemokratischen Mehrheit bessere Chancen zu verschaffen.

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