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Krainer-Wahlen

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Was geschieht, wenn die „Bastion Steiermark” verlorengeht, wenn die steirische ÖVP am 12. März die Landtagswahl verliert? Diese Frage bewegt nicht nur die Steirer In ganz Österreich blickt man mit einiger Spannung auf den Ausgang diėser Entscheidung, denn die steirischen Landtagswahlen wurden mit viel Aufwand zu einem gesamtösterreichischen Ereignis empor- gezęhtet. Um diesem Urnengang seine prickelnde Atmosphäre zu sichern, ernannte man mit parteipolitischer Großzügigkeit einige Hypothesen zu feststehenden Fakten, und es hat nun ganz den Anschein, als glaubten die beiden Koalitionsparteien selbst alles das, was durch propagandistische Simplifizierungen zu recht demagogischen Alternativen geführt hat. Von sozialistischer Seite stellt man den Wähler vor die Entscheidung: „Zusammenarbeit oder Galgen”, und Landeshauptmann-Krainer Fat in eifibt Wahlversammlung, die Situatio syie folgt charakterisiert: „Wenn die .steirische Bastion einmal verloren ist, dann wird niemand mehr verhindern können, daß für ganz Österreich eine Zeit der politischen Unsicherheit, der wirtschaftlichen Experimente, der Umformung unserer Heimat vom demokratischen zum sozialistischen Staat hereinbricht!”

Die Sozialisten gehen auch in der Steiermark also von der These aus, daß Demokratie in Österreich ohne die gegenwärtige Form der Koalition nicht möglich ist, sie malen bei allen Gelegenheiten das Gespenst des Bürgerkrieges an die Wand und sehen das Gleichgewicht bedroht. Die ÖVP läßt wieder einmal die „rote Katze aus dem Sack und zeichnet die Sozialisten als potentielle Kommunisten, für die Demokratie nur der Weg zum Ziel des Sozialismus ist. Diese Klischees sind nicht neu und kehren mit unverwüstlicher Stetigkeit vor allen Wahlen wieder. Warum sollen also gerade diese Wahlen so sein? Weil Krainer als Exponent jener Gruppe gilt, die der Koalition von Volkspartei und Sozialisten nicht grün ist.

Krainer selbst hat wiederholt betont: „Ich bin nicht gegen die Zusammenarbeit. Aber Zusammenarbeit darf kein Schlagwort werden. Die Betonung muß auf f r tfc h t b a r liegen.” Selbst wenn man annimmt, Krainer sei tatsächlich dieser fanatische Koalitionsgegner, als den ihn „Freunde und Gegner heute gerne ansehen — die Frage bleibt offen, ob die Gesamt- ÖVP aus dem wünschenswerten Erfolg Krainers in der grünen Mark — ihre Politik steht seit eh und je unter einem besonderen Gesetz — jene Folgerungen ziehen dürfte, wie sie manche „Reformisten” wünschen.

Krainer jedenfalls scheint entschlossen, die Konsequenzen zu ziehen, falls seine gegenwärtige Position — halb schob man ihn, halb drang er hin — den Wählern mißfallen sollte: Bei einer Funktionärstagung in Kapfenberg tat er seine Absicht kund, sich zurückzuziehen, wenn das Wahlergebnis als Mißtrauensvotum gegen ihn ausgelegt werden könnte. Noch deutlicher formulierte er diesen Entschluß auf der Semmeringtagung. „Wartet den Ausgang der steirischen Wahlen ab. Wenn mein Standpunkt dort durchfällt, bin ich gerne bereit, meinen Kopf auf das Schafott zu legen.”

Krainer „ante portas”

Die Semmeringtagung hat mit der Berufung Gorbachs zum Bundeskanzler den Sozialisten übrigens einen durchschlagskräftigen Propagandaschlager geraubt: Vor der Wahl hatte ein sozialistischer Landesrat, erklärt: „Eines tuftwir sicher nicht —’ den Krainer angreifen.” Also beschränkte man sich auf eine Flüstert propaganda in den Betrieben und wußte zu erzählen, Krainer wolle nur noch diese Landtagswahl schaukeln, dann gehe er ohnedies nach Wien. Dieses Argument ist nun hinfällig geworden, und die Volkspartei kann — ohne derartige Attacken von sozialistischer Seite befürchten zu müssen — den Landeshauptmann „ganz groß herausbringen”: Krainers steirischer Charakterkopf blickt überlebensgroß von allen Plakatwänden, er wird an einem Tag durch 24 Betriebe in Graz gehetzt und spricht tags darauf bei Wahlversammlungen in der Weststeiermark. „Krainer ante portas”, ist in letzter Zeit auch zu einer Erscheinung geworden, die sozialistische Betriebsräte mit Grimm erfüllt: Der Landeshauptmann pflegt nämlich mit Jeep und Lautsprecherwagen bei Schichtwechsel vor Fabriktoren aufzukreuzen, wo er dann an die Arbeiter appelliert. Schließlich wirbt er auch noch auf amerikanische Art per Telephon um Vertrauen zur Landespolitik.

Ein Mann, der nicht die physische Kondition Krainers besitzt, würde das Monsterprogramm, das ihm Tag für Tag von den Wahlorganisatoren aufgebürdet wird, gar nicht, durchstehen. Die steirische ÖVP hat. ihre „Krainer- Wahlen” großzügig organisiert und sich auch nicht gescheut, einmal neue Methoden im Wahlkampf zu versuchen. Neben der schon erwähnten Wahlwerbung per Telephon und dem überfallähnlichen Auftauchen Krainers vor Großbetrieben veranstaltet die Grazer Stadtparteileitung Jazzkonzerte für Jugendliche, man wirft in Massen Flachzünder mit dem Bildnis Krainers unter das Volk, und 10.000 grüne

Luftballons mit der Aufschrift, Krainer zu wählen, werden in den nächsten Tagen in Graz verteilt.

Und wieder: das Gleichgewicht.

Die Sozialisten versuchen es — trotz des angeblich drohenden Galgens — mit Humor und engagierten drei Kabarett-Teams, die nimmermüde und gutbezahlt durch das Land reisen, um zwischen publikumwirksamen Witzeleien den Wählern sozialistische Wahlpropaganda zu servieren. Daß seit kurzem neben dem Bildnis des Landeshauptmannes auch der Kopf des sozialistischen Spitzenkandidaten DDr. Schachner-Blazizek an den Plakatwänden prangt, dürfte ein Akt der Notwehr sein, denn die Sozialisten sind — wenn man ihren Beteuerungen glauben darf — dem Personenkult abhold.

Die eifrige Gleichgewichtspropaganda, die von der steirischen SPÖ noch betrieben wird, wirkt auf den einfachen Wähler deshalb überzeugend, weil die Sozialisten geflissentlich verschweigen, daß sie bei den Nationalrats wählen im Jahre 1959 ohnedies schon dreitausend Stimmen mehr als die Volkspartei erringen konnten. Eine Stimmenmehrheit, die sich allerdings mandatsmäßig nicht auswirkte. Die ÖVP sitzt derzeit mit 24 Abgeordneten im Landtag, die SPÖ hat 21 Mandate und die FPÖ drei.

„Zweckpessimismus” bei ÖVP und SPÖ

Vertreter von beiden Koalitionsparteien beurteilen die Chancen für die kommende Wahl mit einem sorgenvoll zur Schau getragenen Zweckpessimismus: Ein sozialistischer Landesrat äußerte im Brustton der Überzeugung: „Die ÖVP gewinnt ein Mandat dazu”, und die Politiker der Volkspartei bangen um ein Reststimmenmandat in der Obersteiermark. Wenn es in diesem industriereichen Wahlkreis den Kommunisten gelänge, ein Grundmandat zu erobern (und es fehlen ihnen nur rund 3500 Stimmen dazu), könnte eine zynische Wahlarithmetik der Volkspartei den Streich spielen, daß sie eines ihrer Rest-

Stimmenmandate verliert. Die Grundmandate aller drei Parteien sind durch Reststimmenpolster so gut abgesichert, daß sich hier keine Verschiebungen ergeben können — wenn nicht ein unerwarteter „Erdrutsch” alle Berechnungen über den Haufen wirft.

Optimistisch ist eigentlich nur die Freiheitliche Partei: Man rechnet mit einem Stimmenzuwachs in allen Wahlkreisen und drückt verschämt die Hoffnung aus, daß sich dieser Gewinn auch in Mandaten auswirkt. „Ein neues Mandat wäre für uns schon ein großer Erfolg”, bemerkte der steirische Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Kandutsch. Und wenn die FPÖ von diesem Mandat spricht, denkt sie vor allem an die Oststeiermark.

Die Sozialisten wollen mit sieben neuen Kandidaten ihrer Fraktion im Landtag eine kräftigende Injektion verabreichen — die ÖVP begnügt sich mit zwei Änderungen. Dabei überraschte vor allem, daß der Name des bisherigen Landtagspräsidenten Wall- ner auf der Kandidatenliste fehlt. Wallner, der im Vorjahr zum Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes gewählt worden war und als Meister in der Kunst der Ämter- kumulierung in der Steiermark eine gewisse Art von Popularität besitzt, wird in den Nationalrat einziehen: Er übernimmt das Mandat von Nationalrat Roth, der in die Alpine-Direktion abwanderte.

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