6709604-1964_14_11.jpg
Digital In Arbeit

Krieg und Frieden

Werbung
Werbung
Werbung

IS/T DER KRIEG, NOCH ZU RETTEN? Die wichtigsten militärpolitischen Meinungen der Gegenwart. Idee und Bilanz vpntGolo M a n BS AHred-SchensiVarlag, Bern, 1963. 205 Seiten. Preis 9.80 DM.

Seit einem halben Jahrhundert schweigen die Waffen nicht, es ist daher kein Wunder, daß die beunruhigende Lage vieler Wissenschaftler, Politiker und Militärs veranlaßt, die Möglichkeiten waffenlosen Zusammenlebens zu prüfen. Leider geht kaum einer der Autoren dem Problem Krieg — Frieden auf den Grund, alle kreisen fazsziniert um Abrüstung und einen eventuellen Kriegsfall USA—UdSSR: neun Amerikaner, je zwei Engländer, Deutsche und Franzosen, ein Russe und ein Däne. Als Ergebnis kann angeführt werden: Taylor (USA) empfiehlt eine „flexible Reaktion“, das heißt, gegen konventionelle wie Atomkriege gleicherweise gerüstet zu sein; Teller und Brown (USA) glauben an begrenzbare Atomkriege, allerdings unter der Voraussetzung, daß man militärisch stark genug ist, den Kriegsverlauf diktieren zu können; Kahn (USA) verspricht sich viel von kriegsspielartigem Durchdenken aller wahrscheinlichen Fälle,

da man nur derart allgemein bereit sein kann; Strauhs-Hupe-Kintner-Possony (USA): „Daher ist die Fähigkeit, einen allgemeinen Kernwaffenkrieg zu führen, das Herzstück der amerikanischen Landesverteidigung ... uns bleibt keine andere Wahl, als eine katonische Strategie zu wählen“; Herz (USA): „Eine Begrenzung des Krieges ist nur möglich, wenn beide Seiten sich an gewisse von der Vernunft diktierte Mindestbedingungen halten“, das heißt vor allem Begrenzung der Rüstungen; der amerikanische Franck-Report empfahl 1945 die Sondierung der öffentlichen Meinung vor Gebrauch neuer Waffen; der Brite Russell setzt alle Hoffnungen in eine Weltregierung, sein Landsmann King-Hall will dem Krieg dadurch ausweichen, daß man dem Gegner die Besetzung des eigenen Landes freigibt, weil „ein Land mit feindlicher Besatzung besser dran ist als ein Land in Schutt und Asche“; Robert Jungk berichtet von den in den USA bestehenden 170 Organisationen zur Erforschung des Friedens, hier sehen wir eine richtige Spur, denn man muß Hera-klit variieren: „Der Frieden ist der Vater aller Kriege“, wenn also der Frieden gut ist, kann kein Krieg entstehen; der Franzose Aron ist skeptisch, er mahnt zum Frieden — „sofern er überhaupt möglich sein wird“; der zweite Franzose Miksche (altösterreichischer Offizier) sagt: „Nur wer militärisch abgestuft (s. bei Taylor!) handlungsfähig ist, kann politisch beweglich handeln“; der russische Marschall Sokolowski aber bezeichnet im modernen Krieg den ersten Augenblick für den entscheidenden, man müsse somit schnell handeln, doch auch mit langer Kriegsdauer rechnen. Niels Bohr wünschte 1944 gemeinsame Kontrolle neuartiger Kampfmittel, um dadurch die Gefahren eines Atomkrieges zu mindern.

Alle diese Für und Wider nimmt Golo Mann, der glaubt, man sei „frei, Krieg zu machen oder nicht“, unter die Lupe. Er kritisiert scharf die — wie er sich ausdrückt — Kriegsprofessoren, Strategievolontäre und Schreibtischstrategen und scheut sich nicht, einigen von diesen Spekulationen, Albernheiten, Ratlosigkeit, geistige und moralische Verwirrung, auch profunde Un-zuverlässigkeit vorzuwerfen, er lobt dafür Raymon Arons „Paia; et guerre entre les nations“ mit dem Satz, eine „großartigere Abhandlung über das Wesen des Krieges ist seit

Clausewitz nicht geschrieben worden“. Mann leugnet den Krieg als Mittel der Politik und ruft mit Recht diese zur Ordnung: „Politik wird zu erweisen haben, ob der Mensch, der genug technischen Witz besaß, den Krieg unmöglich zu machen, auch gut genug für den Frieden ist.“

Die Einbegleitung der Anthologie bestreitet Helmut Lindemann, er appelliert an Sittlichkeit, Vernunft und Menschenwürde und meint, die Wissenschaft habe den Krieg unbrauchbar gemacht, der „nicht mehr zu retten“ sei. Lindemann nennt nicht die Wege zur Kriegsverhütung, und seine Auffassung ist genauso anfechtbar wie seine Äußerung, das Militär sei für den Krieg, weil es sonst seine Existenzberechtigung verlieren würde. Uber die Stellung des Soldaten zum Krieg hätte Lindemann bei Montecuccoli, Erzherzog Carl, Feldmarschall Schwarzenberg und Conrad nachlesen sollen.

IUI £C111£.C11 kTlGkC Uno uuv.il w** —

brauchbaren Uberblick über gutgemeinte, richtige und falsche Meinungen zur Gegenwartssituation, nicht aber zum Kernproblem der ganzen Menschheitsgeschichte. Krieg und Frieden sind einmal ein unteilbares Ganzes, nur die gleichzeitige gemeinsame Erforschung beider Phänomene, ohne sich in Randfragen zu verlieren, kann Licht bringen, hier harrt der Wissenschaft eine der größten ihr je gestellten Aufgaben, an der mitzuarbeiten beide Seiten, die Politiker und die Soldaten, die zivilen und militärischen Fachleute, berufen sind. Cle-menceau hatte vollkommen recht, als er sagte: „Der Krieg ist zu ernst, als daß man ihn allein den Generälen überlassen darf“ — ebenso richtig ist aber auch das Wort: „Der Frieden ist zu ernst, als daß man ihi den Politikern allein überlassen darf.“

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung