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Krise der Synode?

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Löste der Ausklang der Jännersession der Synode bei allen Zufriedenheit und Freude aus, so kann das von der Maisession nicht gesagt werden. Der erste Halbtag verlief noch ruhig und mit einer sachlichen Diskussion über das Pastoralkonzept der Pfarre, wenn auch die Vorlage etwas mager war. Sie vermochte kaum etwas Neues über die Pfarre auszusagen.

Der zweite Tag aber begann schon unglücklich. In der Diskussion über die Eucharistievorlage verfiel man in eine unfruchtbare und kleinliche Auseinandersetzung über Formulierungen und Nebensächlichkeiten, die man nur als Entgleisung bezeichnen kann. Braucht man die Demokratie in der Kirche dazu, um zu entscheiden, ob die Ministranten bei der Liturgiefeier liturgische Gewänder tragen oder nicht? Noch ermüdender war die stundenlange Abstimmung über alle Ergänzungs- und Änderungsanträge, die am Vormittag gestellt wurden und fast zur Gänze in der Abstimmung wieder abgelehnt wurden.

Schon in der mittäglichen Pressekonferenz wurde das Unbehagen und die Verärgerung der Synodalen offen ausgesprochen. Man darf aber nicht, wie es geschehen ist, die Schuld an diesem Absinken des Synodenniveaus nur der mangelnden theologischen Bildung der Synodalen zuschreiben, sondern man muß die Schuld zuerst in den Vorlagen selbst suchen. Man hatte versucht, die bereits zur Jännersession fertiggestellte Vorlage des sogenannten „grünen Heftes“ durch eine neue, die vierzehn Tage vor Beginn der Synode ausgesandt wurde und in der die strittigen Punkte entschärft worden waren, zu ersetzen. Diese zweite Vorlage war noch pragmatischer als die erste und ließ den theologischen Hintergrund noch weniger sichtbar werden als das grüne Heft. Hätte man das grüne Heft von allen überflüssigen Resolutionen entrümpelt, deren Zahl nicht gering war, dann wäre der Synode eine brauchbare Vorlage geboten worden, und vielleicht wäre die erste Krise der Synode nicht so akut geworden. Man konnte auch durch die neue Vorlage nicht verhindern, daß die heißen Eisen doch in die Debatte geworfen wurden.

Der Antrag eines Synodalen, die Diskussion auf einige Grundsatzfragen zu beschränken, schien dann am Abend des zweiten Tages wieder einen Aufschwung zu bringen. So wurden an diesem Abend auch noch die Fragen der sogenannten Hausmessen, der Kelchkommunion, der Kommunionspendung durch Laien, der besonderen Form der Kindermessen und der Erfüllung der Sonntagspflicht am Samstag abends durchdiskutiert. Die Diskussion verlief sachlich, und es konnten die Resolutionen positiv verabschiedet werden.

Nun war aber schon Halbzeit dieser Session, und es mußte entschieden werden, ob man auf die gleiche Weise fortfahren und wieder einen Teil der Materie unerledigt auf eine nächste Session verschieben oder einen anderen Weg einschlagen wolle. Man entschied sich für letzteren Weg und beschloß aus den noch vorliegenden Materien — Bußsakrament, Taufe (die Taufverweigerung wurde abgelehnt), Firmung und Kirchenmusik — nur noch die Grundsatafragen zu diskutieren und die weiteren Punkte der Behandlung den Ausschüssen zu Überlasisen. Dies war sicher richtig, obwohl die Frage gestellt werden konnte: Was ist Grundsatzmaterie, was nicht? Man unterließ es aber, die Frage zustellen, und es kamen KÜe-heisöens Eisen: Bußandacht mit sakramentaler Lossprechung, Verweigerung der Taufe in Fällen, in denen die christliche Erziehung in keiner Weise sichergestellt ist, und Firmalter zur Sprache. Hier entdeckte man nun bei der Behandlung der Probleme, daß es gar nicht so selbstverständlich ist, die theologischen Voraussetzungen zur Lösung dieser Fragen mit Sicherheit festzustellen, so daß sowohl für die Lossprechung ohne persönliches Bekenntnis als auch für die Verweigerung der Kindertaufe in Einzelfällen schwerste Bedenken auftauchten. Die Abstimmung erzielte trotz schwerster theologischer und pastoraler Bedenken doch eine gewisse Mehrheit.

Allerdings mußte bei der Abstimmung zuerst festgestellt werden, daß die Anträge nicht einmal klar formuliert werden konnten, dann aber auch, daß die Vertreter der Anträge ihren Gegnern gegenüber nicht sehr tolerant vorgingen, was im umgekehrten Fall niemals festgestellt werden konnte.

Die Unruhe und das Unbehagen, das ein Großteil der Synodalen bei dieser Session an den Tag legt, mag auch witterungsmäßig bedingt gewesen sein. Es ist ebenso richtig, daß die Synode in ihrer Gesamtheit theologisch die gestellten Fragen nicht bewältigt hatte, es wäre aber falsch, wollte man damit diesen kritischen Abschnitt der Wiener Diözesansynode entschuldigen. Der tiefere Grund liegt anderswo. Dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen, hieße für die Zukunft der Synode nichts aus den Erfahrungen lernen zu wollen. Auch mit bloßen Änderungen der Geschäftsordnung ist nicht viel getan. Wir sind der Uberzeugung, daß der tiefere Grund in den mangelhaften Vorlagen liegt. Man wird sich in Zukunft bemühen müssen, sich in den zu behandelnden Gegenständen- zu beschränken, dafür aber die Vorlagen gründlicher zu erarbeiten. Dazu ist notwendig, daß in den Kommissionen und Ausschüssen echte Fachleute mitarbeiten, die imstande sind, theologisch einwandfreie und allgemein verständliche Formulierungen zu geben.“ÄlfcH aTs' Berichterstatter sollten nur i-.sölch; Fachleute bestellt werdemy<&e imstande sind, Unklarheiten sofort klarzustellen. Man konnte in den ersten zwei Teilsessionen zwischen guten und weniger guten Berichterstattern genau unterscheiden. Bei den ersteren liefen die Debatten und Abstimmungen relativ reibungslos, während bei den letzteren wiederholt Schwierigkeiten auftraten.

Es soll aber diese zweite Teilsession nicht nur negativ gesehen werden. Es konnte festgestellt werden, daß — einige Entgleisungen ausgenommen, so unter anderem die Worte einer jungen Synodalin — die Debatten ruhig, ernst und sachlich geführt wurden, daß auch offene Worte und Diskussionsbeiträge im Geist der gegenseitigen Verständigung gefallen sind. Es konnte auch in den strittigen Punkten eine größere Klarheit und eine gewisse Einigung erzielt werden. Doch kann kaum behauptet werden, daß synodenreife Beschlüsse erzielt worden sind, dies schon deshalb nicht, weil es nicht gelungen ist, zufriedenstellende Formulierungen zu finden. Ob aber genügend auf das gläubige Volk Rücksicht genommen wird und nicht zu sehr eine Wunschkirche Intellektueller als Leitbild bei prominenten Synodalen der treibende Faktor ist, wollen wir dahingestellt sein lassen.

Wenn die Thematik eingeschränkt, die Resolutionen auf Wesentliches reduziert und die Formulierungen verständlich und theologisch eindeutig gegeben werden, läßt sich hoffen, daß die kommenden Sessionen aus den gemachten Erfahrungen noch fruchtbar werden können. Störend wirkt auf der Synode, daß Presse- und Fernsehinterviews in der Synodalkirche selbst gleichlaufend mit den Sitzungen gehalten werden, daß ferner während der Sitzungen Gäste, ja sogar ganze Gruppen eingeführt und die Verhandlungen oft in schwierigen Augenblicken durch Begrüßungen unterbrochen werden. Einfach getadelt werden müssen schließlich die wiederholten Beifallskundgebungen der Synodalen gegen die ausdrücklich entgegengesetzten Weisungen des Präsidiums.

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