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In welcher Lage befindet sich gegenwärtig unser Außenhandel? Zweifellos entwickelte sich im Vorjahr eine lebhafte Bewegung bei den Importen und den Exporten, die in der Ordnung der Staaten und Warengruppen deutlich verfolgt werden kann, so daß manche The sen und Vorstellungen, die noch vor zwei oder drei Jahren ihre volle Gültigkeit haben mochten, heute teilweise überholt sind. Den provisorischen Daten des Statistischen Zentralamtes zufolge, erreichte das Gesamtvolumen von Jänner bis Dezember 96,22 Milliarden Schilling (+ 11,8 Prozent) mit der sehr interessanten Wendung, daß bei den Importen (siehe Tabelle A) im Wege einer Rationalisierung eine Konzentration auf Europa stattfand, von der alle drei großen Staatengruppen

— die Freihandelszone, die Wirt schaftsgemeinschaft und der Ostblock — gleichmäßig profitierten. Auffallen mußten dabei die Erhöhung der Bezüge aus Italien (4512 Millionen Schilling, + 25 Prozent) und der Tschechoslowakei (988 Millionen Schilling, + 28 Prozent), aber auch aus Dänemark (675 Millionen Schilling, + 42 Prozent). Die Warenordnung verzeich- nete Rückgänge bei Steinkohle und Braunkohlenbriketts über Roh- und Heizöl bis zur Wolle und Baumwolle, daneben bei Garnen, Fellen, Weinen und natürlichen Düngemitteln, zugleich die höchsten Zuwachsraten bei Obst und Gemüse, Eisen und Stahl, Gerste und Kleidung, schließlich bei landwirtschaftlichen Traktoren

(+ 35 Prozent) und im Sektor der Verkehrsmittel. Allein von Jänner bis September wurden 6726 Lastkraftwagen und 93.899 Personen- automobile importiert.

Ganz anderen Tendenzen unterlag der Export (siehe Tabelle B). Nachdem die EWG durch den Rückfall in Italien (4481 Millionen Schilling,

— 3 Prozent) und die EFTA durch die Schwierigkeiten in Großbritannien (1616 Millionen Schilling,

— 6 Prozent) belastet wurden, erziel ten hohe Zuwachsraten der Ostblock mit 13,8 Prozent und die Randstaaten, besonders Spanien' und Griechenland mit 17,4 Prozent, vor allem jedoch die Exporte nach Übersee, die knapp das Volumen des Ostblocks erreicht hatten, so daß sich der Handelspolitik neue Perspektiven eröffnen. Neben Papier und Chemikalien, Kleidung und Schuhwaren bewiesen die größte Durchschlagskraft abermals elektrische Apparate, allerdings übertroffen durch Kupfer (+ 44 Prozent), Molkereiprodukte (+ 32 Prozent), lebende Tiere (gleichfalls ± 32 Prozent) und elektrischen

Strom (+ 30 Prozent). Es bereitet geradezu Mühen, überhaupt eine Verlustliste zusammenzustellen, bis man endlich entdeckt, daß leichte Einbußen bei Gasöl und Glaswaren,

Lastkraftwagen und Fahrrädern ohne Motor eingetreten waren. Ernste Rückfälle erlitt nur Aluminium (698 Millionen Schilling, — 3 Prozeit).

Für eine Beurteilung der Exportkonjunkturen ist stets die Streuung über die einzelnen Staatengruppen von Bedeutung. Darnach entfielen von Jänner bis Dezember des Vorjahres auf die EWG 46,6 Prozent, die EFTA 18,4 Prozent, den Ostblock 15,2 Prozent und die sogenannten Randstaaten (Spanien, Jugoslawien, Griechenland, die Türkei und einige Inseln) 5,3 Prozent, dagegen auf die femden Kontinente 14,5 Prozent des Gesamtexportes. Zur selben Zeit, in der sich Österreich in Brüssel um eine Lockerung der Diskriminierung bemüht hatte, gelang dem Außenhandel ein regelrechter Durchbruch der Exporte nach Übersee, besonders drastisch nach dem Nahen Osten, wo erstmals die Milliardengrenze überschritten und die höchste Zuwachsrate erzielt wurde (+ 39 Prozent).

Falsche Klischees

Seit Monaten wird im Inland und Ausland vom „Anschluß“ Österreichs an die EWG gesprochen. Die öffentliche Meinung ist im Glauben, eine Assoziierung mit Brüssel werde mit Leichtigkeit eine Erhöhung der Exporte nach der EWG von 46,6 Prozent auf 60 Prozent bringen, womit angeblich alle Probleme des Außenhandels gelöst wären und ein ewiges Leben im dynamischen Wohlstand beginnen könne, eine Fata Morgana, die alle Opfer vergessen läßt, die Österreich schon zu allem Anfang bringen müßte. Das erste Opfer bestand bereits im freiwilligen Verzicht auf eine Anspruchnahme der langfristigen Kredithilfen für zurückgebliebene Gebiete der EFTA, die Norwegen und Portugal zuflelen, aber nicht Österreich, das gar keinen Antrag stellen konnte, weil es an allen internationalen Tagungen bald in Dur, bald in Moll seinen bevorstehenden Übertritt zur EGW anzukünden pflegt. Das zweite Opfer, das in Brüssel gewissermaßen als selbstverständliche Vorleistung an- geboten wurde, damit sich die Kommission nach langem Zögern endlich doch zu Vorbesprechungen mit Österreich herbeiläßt, betraf die Zusicherung, Österreich wolle natürlich den Außenzoll der EWG übernehmen und damit gleichzeitig verschiedene Zollerhöhungen gegen alle Drittländer durchführen. Die beschönigende Formel, Österreich möchte der EWG und zugleich der EFTA angehören, vermochte niemanden zu überzeugen, weil die Besprechungen in Brüssel auf der Voraussetzung eines Austritts aus der EFTA beruhten, ein Prinzip, das 1 als „Arbeitshypothese“ in die offiziellen Akte der Hallstein-Kommission eingegangen ist.

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