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Kürzer - auch fairer?

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Mit einem Teamnstakkato wurde der Wahlkampf 1970 eingeleitet: Dem -ron <fc v.,*dcskanzler Dr. Klaus im übervollen Presseklub Concordia vorgelegten Rechenschaftsbericht der Buhdesregierung folgte noch in der zweiten Jännerwoche der mit künstlerischem Programm umrankte Wahlkampfauftakt von Oppositionsführer Dr. Kreisky, zu dem sich der Exaußenminister einen Kleinen-Koalitions-Baumeister, den SPD-Minister Ehmke, als Schützenhilfe aus Bonn einniegen ließ. Die dritte Jännerwoche wurde von einem 103-Minuten-Parteirat der SPÖ und durch die Aktion „Reiner Wein“ der FPÖ* geprägt. Von der „Plattform 70“ startet die ÖVPam 19. Jänner endgültig in den Wahlkampf.

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Mit einem Teamnstakkato wurde der Wahlkampf 1970 eingeleitet: Dem -ron <fc v.,*dcskanzler Dr. Klaus im übervollen Presseklub Concordia vorgelegten Rechenschaftsbericht der Buhdesregierung folgte noch in der zweiten Jännerwoche der mit künstlerischem Programm umrankte Wahlkampfauftakt von Oppositionsführer Dr. Kreisky, zu dem sich der Exaußenminister einen Kleinen-Koalitions-Baumeister, den SPD-Minister Ehmke, als Schützenhilfe aus Bonn einniegen ließ. Die dritte Jännerwoche wurde von einem 103-Minuten-Parteirat der SPÖ und durch die Aktion „Reiner Wein“ der FPÖ* geprägt. Von der „Plattform 70“ startet die ÖVPam 19. Jänner endgültig in den Wahlkampf.

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Dieser Wahlkampf wurde von einem Wiener Massenblatt mit dem an Kriegsgreuel gemahnenden Adjektiv „total“ belegt. Wird es wirklich so arg werden? Sicher ist, daß es sich um einen der kürzesten Wahlkämpfe der zweiten Republik handeln wird: Ganze 50 Tage eigentliche Wahlkampfzeit stehen zur Verfügung. Rechnet man die Regierungsbildung, der die SPÖ-Entscheidung über Teilnahme oder Nichtteil-nahme an einer neuen Koalition voranging, hinzu, so wurden in dieser Legislaturperiode weniger als 100 Tage durch Wahleinwirkung von der Zeit für Regierungsarbeit abgezwackt. In der guten alten Koalitionszeit dauerten allein schon die Regierungsbildungen bis zu vier Monaten, der Wahlkampf brach schon in der Budgetnacht aus. Wie gering diesmal aber die Arbeitsblockierung durch den Wahlkampf ist, geht auch daraus hervor, daß die Regierung noch ein Budget für das Wahljahr über die Bühne bringen konnte. Ausgangspositionen und Wahlziele der Parteien sind diesmal völlig andere als bei allen vorhergegangenen Nationalratswahlen: Erstmals sagen beide großen Parteien, daß sie die absolute Mehrheit im Nationalrat anstreben. Die ÖVP will ihre Linie mit einer klaren und entscheidungsfähigen Mehrheit fortsetzen, die SPÖ wurde von ihrem Vorsitzenden Dr. Kreisky im Herbst 1969 endgültig auf den Kurs der absoluten Mehrheit gebracht. Die durch Land-tags-Protestwähler in ihrem Selbstbewußtsein gestärkte FPÖ will am 1. März am Mandatsanzeiger der Hauptwahlbehörde im Innenministerium die Zahl 12 sehen.

Zu Beginn des Wahlkampfes stehen beide großen Parteien Kopf an Kopf in den Startlöchern: Je 41 Prozent der Bevölkerung sprachen sich in einer der jüngsten Meinungsbefragungen für ÖVP und SPÖ aus. Noch ist für beide Parteien die absolute Mehrheit möglich. Denn: Die Entscheidung von 500.000 noch nicht Entschlossenen und von ebenfalls einer halben Million Erstwählern ist noch offen.

Wird dieses harte und durch die Chancengleichheit noch verschärfte Ringen auf die Fairneß des Wahlkampfes drücken, wird es zu Exzessen gegenseitiger Schmutzkübelpropaganda kommen? Kenner der innenpolitischen Situation prophezeien einen zwar sachlich harten, aber in den Formen der Auseinandersetzung eher friedlichen Wahlkampf. Mit dazu beitragen dürfte die Tatsache, daß beide großen Parteien regelmäßig Meinungsforschungen durchführen, aus denen sich unschwer herauslesen läßt, daß man mit Diffamierungen des Gegners zwar den eigenen Funktionären imponieren kann, aber vor allem die unentschlossenen Wähler mit Sicherheit abschreckt.

Daß es „Rückfälle“ geben kann, demonstrierte SPÖ-Chef Doktor Kreisky auf dem SPÖ-Parteirat, als er den Bundeskanzler mit Goebbels verglich und behauptete, Dr. Klaus sei „in der Diktatur Sekretär der gleichgeschalteten Scheingewerkschaft“ gewesen. Diese hoffentlich letzten Ausfälle dürften jedoch auf das Bestreben Dr. Kreiskys zurückzuführen sein, die im letzten Jahr nicht immer hinter ihm stehenden Funktionäre der SPÖ einzuschwören. Als Partei, die infolge des KPÖ-Zer-

falls mit der Mehrzahl der kommunistischen Stimmen, aber auch mit den Stimmen der meisten DFP-Wähler von 1966 rechnen kann, geht die SPÖ mit statistischem Optimismus in den Wahlkampf. Mit ihrem „Alternativprogramm“ zeigt die SPÖ den Wählern auf, was sie besser machen will als die ÖVP-Regierung. Die ÖVP versucht die SPÖ-Attacken mit dem Hinweis auf die gegenüber den letzten i vier Koalitionsjahren höheren Einkommen und die wesentlich höhere Staatsverschul-dung anderer Länder vom Tisch zu wischen und einen Wahlkampf zu führen, in dem sie auf die Erfolge der vier Jahre auf wirtschaftlichem, sozialem und bildungspolitischem Gebiet verweist und ihr 62-Seiten-Konzept für die nächste Legislaturperiode propagiert. Neben diesem Profilierungsversuch gegenüber der SPÖ fürchtet die ÖVP die Aufwertung der Freiheitlichen zu einem Zünglein an der Waage: Hier werden der Versuch einer kleinen Koalition in Österreich von 1963/64 und das bundesdeutsche Beispiel ins Treffen geführt, wo „die relative Mehrheit der Stimmen nicht ausreichte, um die schon vorher ausgehandelte kleine rot-blaue Koalition und den SPD-Kanzler zu verhindern“. Hauptkampffeld der FPÖ ist der Versuch, sich angesichts des Rennens ÖVP—SPÖ als dritte Kraft glaubwürdig zu präsentieren. Bei allen drei Parteien gibt es also genug Munition für einen sachlich harten Wahlkampf — einen Wahlkampf jedoch, bei dem es trotz des Fehlens eines Wahlkampfübereinkommens fair zugehen könnte. Denn: Wirklich fehlt das Wahlübereinkommen niemandem. In vergangenen Wahlkämpfen hat der Abschluß solcher Abkommen und die tatsächliche Form des Wahlkampfes lediglich bewiesen, daß Papier geduldig ist.

Diesmal hat man das rein propagandistische Schwarze-Peter-Spiel um ein Wahlabkommen erst gar nicht zu Ende gespielt. Daß sich die ÖVP durch die Hinterlegung einer offiziellen Fairneßerklärung bei einem Wiener Notar einseitig zu einem diffamierungsfreien Wahlkampf verpflichtet hat und damit sicherlich auch gleichartige Überlegungen in der SPÖ auslöst, der es überdies um die Ausnützung ihrer größeren Wählerdisziplin durch Herunterspielen einer harten Entscheidungssituation gehen dürfte, ist ein weiteres Hoffnungsindiz dafür, daß dieser kürzeste Wahlkampf auch fairer werden dürfte. Im Interesse einer aufgeklärten Demokratie.

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