6613183-1955_14_07.jpg
Digital In Arbeit

Kulturelle Botschaft in Italien

Werbung
Werbung
Werbung

Als der Schreiber dieser Zeilen noch an der Spitze der Wiener Staatsbühnen stand, hatte er bereits im Jahre 1945 den Entschluß gefaßt gehabt, die künstlerische Entwicklung der österreichischen Bundestheater nicht nur mit allen Mitteln und aller Liebe emporzureißen, ohne Rücksicht auf sich und andere, sondern es lag schon damals in der systematischen Arbeit, im Auslande möglichst rasch davon Kunde zu geben, daß dieses Oesterreich in erster Linie als geistige Macht und als Kulturfaktor zu leben hat, und man damit nicht nur sich selbst das österreichische Nationalbewußtsein wiedergeben kann, sondern auch der Welt zu geben imstande ist. Es wurde damals vom Verfasser dieser Gedanken das Wort der geistigen Großmacht Oesterreichs zum erstenmal in Paris im Jahre 1947 gebraucht und auch im Ausland aufgenommen. Die Bemühungen waren nicht fruchtlos, und es sei hier nur an eine einzige, fast historische Begegnung erinnert. Als nämlich die Wiener Oper im Herbst 1947 das erste Mal in 'London zu einem dreiwöchigen Gastspiel im königlichen Covent Garden erschien und nicht weniger als fünf Neuinszenierungen der Wiener Oper (Mozart, Beethoven und Richard Strauss) zur Aufführung brachte, da geschah am Tag der Premiere (Don Giovanni) folgendes: Der englische Premierminister war mit dem englischen Außenminister und anderen Kabinettsmitgliedern von dem damaligen österreichischen Botschafter Schmidt, einer der hervorragendsten Persönlichkeiten der österreichischen Diplomatie mit allergrößtem Kunstverständnis, in eine Loge eingeladen worden, und dieses britische „Rumpfkabinett“ wohnte der Vorstellung bei. In der Pause hatte der englische Premierminister im Beisein der übrigen anwesenden Portefeuilleträger den österreichischen Botschafter und den Schreiber dieser Zeilen empfangen und uns folgendes eröffnet: „Heute, an dem Tag, an dem die Wiener Oper mit so durchschlagendem Erfolg den ,Don Giovanni' hier in diesem Opernhaus aufführt, an diesem Tag hat die königliche britische Regierung den Entschluß gefaßt, daß sie den Kriegszustand mit Oesterreich für beendet ansieht.“

Es mag eine Formalität gewesen sein, es war aber mehr, viel mehr: dem künstlerischen Oesterreich hat ein englischer Premierminister die frohe Botschaft des Friedenszustandes verkündet.

In einen anderen, natürlich viel engeren Rahmen nunmehr verschlagen, ist es das Anliegen des Verfassers dieser Gedanken vom ersten Tage an, daß ein solches Kulturinstitut der Kulturbotschafter Oesterreichs in dem Gastlande zu sein hat. Als neulich die Frage aufgeworfen wurde, welches Programm eigentlich ein solches Kulturinstitut habe, welche Agenden und welche Autgaben, da wurde mit Recht darauf geantwortet: Das kann man nicht sagen, nicht umreißen, wenn Sie wollen — nichts, wenn Sie aber für Oesterreich wirklich wollen — alles. Es hat also das Institut die Aufgabe, auf jedem Gebiet, ob es das Theater, ob es der Film, ob es die Musik, das Buch, der Verlag oder gar der Kulturpublizist ist — überall hat das Institut zur Verfügung zu stehen, zu helfen; vor allem aber — die Initiative zu ergreifen.

Eine wirklich schöpferische Leistung liegt nicht darin, daß man vorhandene oder an sich herankommende Probleme mehr oder minder geschickt löst, oder ohne Aufsehen mehr oder minder ungelöst treiben läßt. Die wahre Leistung besteht darin, Probleme zu erkennen, ja unter Umständen sogar zu schaffen und sie dann zu lösen.

Das, was eben ausgeführt wurde, ist das Programm eines Kulturinstitutes ohne feste Vorschriften, aber mit ganzer Bereitschaft. Es war seinerzeit ein glücklicher Gedanke, als der erste aus freien Wahlen hervorgegangene Unterrichtsminister der Zweiten Republik bei der Wiedererweckung dieses Institutes sich nicht mit dem früheren und sicher hervorragenden Fundament der historisch-wissenschaftlichen Forschung begnügt hat, sondern den Begriff der allgemeinen Kulturebene zur Geltung gebracht wünschte.

Natürlich ist Rom der klassische Boden für wissenschaftliche Forschung geworden und geblieben. Das darf aber nicht daran hindern, daß die lebendigen Kräfte der Gegenwart, auch wenn sie in einer Kulturcäsur liegen, übersehen werden dürfen. Es ist daher die Verpflichtung jedes Volkes und jedes Staates, alle seine Leistungen auf kulturellem Gebiete den Nachbarstaaten zu zeigen und um Verständnis und Zusammenarbeit zu werben. Nie, vielleicht nie in der Geschichte der Menschheit hat dieses Europa, das ja die wirtschaftliche und politische Führung der Welt verloren hat, so sehr die Aufgabe, sich geistig und kulturell zusammenzuschließen, wie vielleicht in diesen Tagen. Es müßte von Staat zu Staat, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf bei den Nachbarn geworben werden, um allen begreiflich zu machen, daß dieses Europa, das der Welt so unendlich viel gegeben hat und kulturell noch immer der Gebende geblieben ist, zusammengehört, und wir, dieses Europa, eine große geistige Familie zu sein haben. Vielleicht werden sich, wenn das gelingt, die Politik und die Wirtschaft besser verständigen können. Im Rahmen dieses gesamteuropäischen Bekenntnisses im Reiche des Geistes nimmt ein solches Institut, wie das österreichische in Rom, eine kleine, ganz winzige Position ein. Aber es kommt im Leben nie darauf an, wie groß der Machtbereich einer Aufgabe und eines Zieles ist, sondern es kommt einzig und allein darauf an, ob man dort, wo man steht, und sei es der kleinste Platz, voll und ganz seine Aufgabe erfüllt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung