6578446-1951_03_14.jpg
Digital In Arbeit

Kulturkampftaktik in der Tschechoslowakei

Werbung
Werbung
Werbung

Schauprozesse, Konzentrationsklöster, Bischofsverhaftungen sind nicht die einzigen Waffen, mit denen der Kampf gegen die katholische Kirche in der Tschechoslowakei geführt wird. Es sind wohl die schwersten Geschütze, daneben aber gibt es eine Vielzahl von Waffen aller Kaliber, mit denen der konzentrische Angriff auf die Kirche eröffnet wurde. Die Kette der Verfolgungen reißt nicht ab. Eben kommt die Nachricht, daß das Brünner Konventhaus der Ursulinen geräumt werden mußte. Die letzten drei tschechischen Chorfrauen müssen Zivilkleider tragen und privat wohnen. Die wertvollen Bilder, Statuen und Kruzifixe des Konventhauses wurden gesammelt und dem Lager des Brünner Stadtmuseums übergeben. In dem Konventgebäude sollen gegen 120 Beamte Wohnung erhalten.

Heute, da etwa 70 Prozent aller Pfarreien in der Tschechoslowakei unbesetzt, die Bischöfe jeglicher Handlungsfähigkeit beraubt und etwa 3000 von den 7000 Priestern verhaftet oder interniert sind, da es keinerlei katholische Presse oder Nachrichtenmittel gibt und keinerlei katholische Lehranstalten, auch nicht solche für den Priesternachwuchs, lohnt es sich, einen Rüdeblick auf dieses Ringen zu werfen, das mit vielfach unzureichenden Mitteln begonnen wurde, die in ihrer Plumpheit oft naiv erscheinen mochten:

Da wurden gegen den Vatikan schwere Vorwürfe erhoben, weil er die .Einheit der Republik“ nicht anerkenne und zwei Gesandtschaften auf dem Gebiet der Tschechoslowakei unterhalte, eine apostolische Nuntiatur in Prag und eine in Tyrnau in der Slowakei — man hatte die apostolische Nuntiatur mit der apostolischen Administratur des slowakischen Anteil an der Erzdiözese Grari verwechselt!

Dann wieder gab es große Aufregung wegen eines slowakischen katholischen Kalenders, der am 14. April 1948 ein Fest des hl. Josef verzeichnete. Der Kalender wurde beschlagnahmt, denn man erblickte darin die Einführung des Festes eines slowakischen Heiligen am Jahrestag der Verurteilung Msgr. Josef Tisos. Wie konnte man auch ahnen, daß die katholische Kirche seit hundert Jahren das Schutzfest des hl. Josef am dritten Mittwoch nach Ostern feiert, der damals zufällig gerade auf den 14. April fiel.

Noch ein anderes Mal gab ein Kalender Anlaß zu Angriffen, als man nämlich feststellen zu müssen glaubte, daß die Katholiken den „heiligen Johannes Hus“ beharrlich aus ihrem Kalender weglassen, während sogar deutsche Heilige darin aufscheinen — nämlich die hl. Theresia, die „bekanntlich aus dem bayrischen Konnersreuth stamme“.

In der Reihe dieser Angriffe fehlen nicht Anwürfe, daß der Vatikan Tiso zum Bischof ernannt habe, daß kein Primas für die ganze Tschechoslowakei bestellt wurde, daß Nuntius Pacelli, der gegenwärtige Papst, gemeinsam mit Papen, bei Hindenburg die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erzwang.

Wölfe im Schafpelz Bald sah man ein, daß böser Wille allein nicht genügt, sondern immerhin einige Sachkenntnis notwendig ist, soll die kirchenfeindliche Propaganda nicht das Gegenteil erreichen. Hatten die Kommunisten vor ihrer Machtübernahme die Angriffe gegen die Kirche lieber anderen überlassen und sich uninteressiert gestellt, so packten sie die Sache 1948 systematisch an. Vor allem galt es, sich einen Stab von Mitarbeitern zu schaffen, deren Namen im katholischen Lager selbst einen guten Klang hatten. Mit welchen Mitteln man dabei vorging, zeigt etwa der Fall des Regisseurs am Prager Nationaltheater Ing. Pujman, den man zum Vorsitzenden der sogenannten katholischen Aktion ausersehen hatte. Pujman, der von zahlreichen kirchlichen Veranstaltungen, katholischen Akademikerwochen und dergleichen mehr als Redner und Vortragender bestens bekannt ist, ist der Gatte der kommunistischen Dichterin Marie Pujmanova. Der einzige Sohn dieses ungleichartigen Ehepaares wurde im Zusammenhang mit den Ereignissen des Februar 1948 in einen Hochverratsprozeß verwickelt, und man legte dem Vater eindringlich nahe, die angebotene Funktion unter allen Umständen anzunehmen, um den Ausgang des Prozesses günstig zu beeinflussen. Dieser Erfolg trat freilich nicht ein, der junge Pujman wurde vielmehr zu 13 Jahren schweren Kerkers verurteilt, aber der Name des Vaters unter den zahlreichen Aufrufen der pseudo-katholischen Aktion richtete größte Verwirrung in den Reihen der Katholiken an und zeitigte den von den Kommunisten gewünschten Erfolg.

Noch wichtiger war es natürlich, Anhänger aus den Reihen des Klerus zu gewinnen. Der Budweiser Pfarrer Plojhar, der trotz des ausdrücklichen Verbots der Bischofskonferenz bei den Wahlen des Jahres 1948 kandidierte und den Posten eines Gesundheitsministers übernahm, war dazu ausersehen, eine ähnliche Abfallbewegung in den Reihen der tschechischen katholischen Priester zu entfachen, wie dies 1919, nach der Beendigung des ersten Weltkrieges, ins Werk gesetzt worden war. Damals waren in der Erzdiözese Prag 63 katholische Priester vom Glauben abgefallen, in der Diözese Königgrätz 68, in Leitmeritz 47 und in Budweis 40. Plojhar, der mit ähnlichen nationalen und romfeindlichen Argumenten auftrat, wie 25 Jahre vorher ein Farsky oder Pavlik, blieb ein solcher Erfolg versagt. Wohl konnte unter Ausnützung der ersten Verwirrung — es gab bereits keine katholische Presse mehr — manche Unterschrift, manche Zustimmungserklärung zu den neuen Kirchengesetzen der Regierung gebucht werden, doch zog auch hier das Exkommunikationsdekret die notwendige scharfe Trennungslinie. Selbst die kleine Gruppe der tatsächlich Abgefallenen verringerte sich wieder — es sei nur an die Flucht des Caritasdirektors Fiala erinnert.

So blieb letzten Endes nur ein Ausweg: die Einsetzung genehmer Persönlichkeiten durch das Kirchenministerium auf wichtige Posten der katholischen Kirche. Das geschah erstmalig, als Pfarrer Dechet zum Verwalter der verwaisten Diözese N e u s o h 1 ernannt wurde. Inzwischen erhielten auf ähnliche Weise die die Diözesen Königgrätz und Budweis neue Generalvikare. Nunmehr wurde das Domkapitel von Neutra neu besetzt: ein „Vertreter des Generalvikars“, vier Domherren und drei Ehrendomherren legten am 20. Dezember 1950 den Eid in die Hand des slowakischen Beauftragten für das Kirchenwesen, eines ehemaligen Rot-Spanienkämpfers, ab, gleichzeitig mit ihnen der neuernannte „Generalvikar“ und der „Leiter des bischöflichen Amtes“ von Kaschau, neuernannte Domherren von Preßburg und Tyrnau.

Für die tschechischen und slowakischen Katholiken ist eine Situation entstanden, wie sie der Frontsoldat bisweilen erlebt hat: der Verlauf der Hauptkampflinie ist nicht mehr erkennbar, die Unterscheidung zwischen Freund und Feind kaum mehr möglich:

Da werden wegen ihrer Verdienste im Kampf um den Weltfrieden die beiden exkommunizierten Priester Plojhar und Horäk vom gleichfalls exkommunizierten Dekan der neuerrichteten römisch-katholischen Cyrill-Method-Fakultät, Sanda, zu Ehrendoktoren promoviert, und an diesem Akt nimmt neben den prominentesten Persönlichkeiten des staatlichen und Parteilebens, neben dem Generalsekretär der „Bewegung patriotischer Priester“ auch der Prager Weihbischof Anton Eltschkner teil.

Da wird der neue Kapitularvikar der Zipser Diözese installiert, der in einem Telegramm an den Außenminister bittet, „auf dem Boden der Vereinten Nationen zu verdolmetschen, daß wir römischkatholischen Priester mit großer Entrüstung den Eroberungskrieg verurteilen, den die USA gegen das koreanische Volk führt... Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch nachdrücklich darauf hinweisen, daß wir mit den Hetzsendungen des vatikanischen Rundfunks nichts zu tun haben und daß wir auch nichts mit denen zu tun haben wollen, die gegen unser teures Vaterland und gegen die UdSSR losziehen ... wir stehen eindeutig im Friedenslager mit der Sowjetunion“.

Die „Katholische Zeitung“, die als Motto den Ausspruch Bischof Jirsiks trägt: „Gott — Kirche — Vaterland“, bringt einen Festartikel zum Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, das „Mitteilungsblatt für den katholischen Klerus“ befaßt sich mit der Eingliederung der Geistlichen in die Arbeit in den Kolchosen, im „Seelenhirten“ erörtert Minister Plojhar die Aufgaben, die dem „vaterländischen Priester“ obliegen, um eine Synthese von Religion und „neuem Leben, wie der Sozialismus es gestaltet“, zu erzielen.

Die katholischen Geistlichen, die noch ihre Pfarren verwalten, dürfen ihre Seelsorgesprengel ohne polizeiliche Genehmigung nicht verlassen.' Aussprachen mit den Amtsbrüdern in Nachbargemeinden sind kaum möglich. Von ihren kirchlichen Vorgesetzten wissen sie oft nicht, ob die Kirche oder der Staat sie in ihr Amt eingesetzt hat. Die Weisungen, die sie erhalten, lassen meist nicht erkennen, ob sie von legitimer kirchlicher Stelle herrühren oder vom Kirchenminister und den von ihm eingesetzten Funktionären. So paradox es klingt — das Ausland ist über die kirchliche Situation in der Tschechoslowakei besser informiert als der einzelne tschechische oder slowakische Geistliche auf seiner einsamen, künstlich von der Umwelt abgeschnittenen Pfarre.

Von der täuschenden Hülle, unter der sich der Kommunismus oft verbirgt, von einer wahrhaft dämonischen Propaganda, wie sie die Welt bisher vielleicht noch nicht gesehen hat, die, von einem einzigen Zentrum geleitet, äußerst geschickt den Lebensbedingungen der verschiedenen Ländern angepaßt ist, sprach bereits vor 13 Jahren Pius XI. in seiner Enzyklika „Divini redemptoris“. Solche Feststellungen werden leider oft erst geglaubt, wenn man sie am eigenen Leibe 6pürt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung