6650172-1958_48_21.jpg
Digital In Arbeit

Lebendige Kräfte

Werbung
Werbung
Werbung

Das Gebiet der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch umfaßt Nordtirol vom Arl-berg bis zum Ziller, Osttirol und Vorarlberg. In den fast vierhundert Seelsorgestellen stehen über sechshundert Kirchen und noch mehr Kapellen mit Meßlizenz. Seit dem Barock dürfte es keinen Zeitabschnitt mehr gegeben haben, in dem so viel renoviert und gebaut wurde wie in den letzten dreizehn Jahren. Gründe können dafür mehrere angeführt werden. In Innsbruck waren durch die Bomben gerade die größten, Kirchen schwer beschädigt worden. Auch sonst waren durch Kriegseinwirkung manche Schäden an kirchlichen Gebäuden entstanden. Ein anderer Grund ist in der wirtschaftlichen Lage der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zu suchen. Damals war die Finanzierung von Neubauten und auch von Reparaturen sehr schwierig. So mußte beim Bau der Heiligen-Kreuz-Kirche in Bludenz zu Beginn der dreißiger Jahre buchstäblich jeder Schilling erbettelt werden, da es weder kirchliche noch andere Subventionen gab. Der Bau selbst ging rasch vorwärts, . da sich die Arbeitslosen um eine Beschäftigung drängten. Für die Finanzierung aber brauchte es fünfzehn Jahre unverdrossenen Sammeins. Die günstige Entwicklung der wirtschaftlichen Lage nach dem letzten Kriege ist eine wichtige Voraussetzung, daß sich der kirchliche Aufbau so entfalten konnte. In Vorarlberg, wo die wirtschaftliche Konjunktur besonders spürbar wurde, sind gleichzeitig acht Kirchen im Bau.

Eine neue Möglichkeit der Mithilfe an baulichen Vorhaben brachten die Kirchenbeiträge, durch die größere Subventionen für Neubauten .und im kleineren Ausmaß auch für Instandsetzungsarbeiten möglich wurden. Dazu kommt das Interesse der öffentlichen Stellen. So wird vom Land Tirol anläßlich des Gedenkjahres 1959 ein Betrag von zwei Millionen Schilling für den Bau der St.-Pauls-Pfarrkirche an der Sillmündung zur Verfügung gestellt. Dort, wo neue Stadtteile entstehen, wird bei der Planung von vornherein darauf Rücksicht genommen, daß die Kirche in das Zentrum der neuen Siedlungseinheit gebaut werden kann.

Das Interesse der Bevölkerung' ist! auch von größter Bedeutung. Bei Beschaffung von Glocken war dies so rege, daß die Gemeinden in edlem Wettstreit ganz aus eigenem oft in kürzester Zeit die Mittel aufbrachten. Bei Renovierungen von Kirchen werden vielfach von kleinen Berggemeinden die größten Opfer gebracht. Der Neubau von Kirchen wirkt als Kristallisationspunkt, um den sich die neue Seel-sorggemeinde bildet. Das Interesse wächst zugleich mit dem Bau. Vom Standpunkt des kirchlichen Bauens aus braucht man nicht Pessimist zu sein. Ohne lebendige religiöse Kräfte wäre das alles nicht zu erklären. Ein Lichtblick ganz eigener Art ergibt sich aus folgender Tatsache: In der Tränke-Siedlung bei Reutte wurde letztes Jahr eine Kirche geweiht, die der Initiative von Arbeitern ihr Entstehen verdankte. In diesem Herbst wurde in Wattens ein großzügiges kirchliches Bauwerk zum Abschluß gebracht, das der Unternehmerschaft zu danken ist. Großzügig ist die Gesamtanlage von Kirche, Widum, Pfarrheim und Mesnerhaus wie auch die gediegene Ausstattung der Kirche.

Wir finden erfreulich viele Gründe, denen der kirchliche Aufbau seit 1945 zu danken ist. All diese Kräfte erhalten ihre Ordnung durch die konsequente Planung des Bischofs Dr. Paulus Rusch. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Bekämpfung der Wohnungsnot am vordringlichsten. Nur die Wiederinstandsetzung der bombenbeschädigten Kirchen war möglich. Den Gemeinden, die sich durch Prunkgeläute hervortun wollten, wurden Abgaben für die Caritas vorgeschrieben. In den Jahren 1947 bis 1949 wurde auf Initiative des Bischofs durch Spenden der Bevölkerung die Heiligjahr-Siedlung in Innsbruck erbaut, wodurch kinderreichen Familien die Möglichkeit des Erwerbes eines Eigenheimes geschaffen wurde. Erst nach 1950 wurde mit dem Bau des Priesterseminars begonnen und dann mit dem Bau der notwendigen Kirchen. Die kirchliche Bauordnung, die im Jänner 1957 erlassen wurde, will erreichen, daß die geplanten Bauvorhaben eine Reihung nach der Dringlichkeit erfahren können. Für Innsbruck zum Beispiel sollte durch wenigstens sieben Jahre jährlich eine Kirche gebaut werden, um den seelsorglichen Bedürfnissen in der wachsenden Stadt gerecht zu werden. In dieser Bauordnung ist vorgeschrieben, daß jeder kirchliche Neubau oder Umbau, der einen Kostenaufwand von hunderttausend Schilling übersteigt, beim kirchlichen Bauamt einzureichen ist. Bei größeren Bauvorhaben sind wenigstens drei verschiedene Architekten zur Planung einzuladen. Das Bauamt ist behilflich bei den Ausschreibungen, bei Erstellung der Schlußbriefe, bei Ueberprüfung der Abrechnung und übernimmt, wenn möglich, die örtliche Bauaufsicht.

Verschiedene Bauvorhaben wurden notwendig, um die Voraussetzung für die im Konkordat vorgesehene Errichtung der Diözese zu schaffen. So erfolgte der Bau des Priesterseminars und die

Einrichtung des Ordinariatsgebäudes. Das bischöfliche Knabenseminar Paulinum entstand schon Ende der zwanziger Jahre. Zur NS-Zeit wurde es enteignet. In der Nachkriegszeit wurden Renovierurigsarbeiten notwendig. Im letzten Sommer konnten für die Oktavaner Dreierzimmer eingerichtet werden. Mit dem Bau eines Knabenkonviktes in Bregenz wird bald begonnen. Der Bischof selbst residiert auch heute noch in einer Benefiziatenwohnung, die er zur NS-Zeit, die ihm keine andere Wohnmöglichkeit ließ, bezog.

Wenn im folgenden eine Aufzählung der Renovierungsarbeiten versucht wird, so erhebt diese keinen Anspruch auf Vollständigkeit, speziell werden die Klosterkirchen in diesem Zusammenhang nicht behandelt. In Innsbruck wurde von den Pfarrkirchen St. Jakob durch Bomben am meisten beschädigt. Die Wiederherstellung konnte im wesentlichen bis 1950 unter Propst Weingartner erfolgen. Die zerstörten barocken Gemälde wurden rekonstruiert, um den barocken Gesamteindruck zu erhalten. Für die Renovierungen, die stets im Einvernehmen mit dem Denkmalamt durchgeführt werden, gilt als Grundsatz: Das gute Alte erhalten, sonst aber den Künstlern unserer Zeit Möglichkeiten des Schaffens zu bieten. Renoviert wurden weiter in Innsbruck die Basilika in Wilten, die Servitenkirche, Dreiheiligen, Mariahilf, Mühlau, Amras, die alte Pfarrkirche Hötting, Mentlberg. Im übrigen

Nordtirol: Zirl (Kirchendach), Unterperfuß, In-zing, Hatting, Polling, Flaurling, Rietz (Vergrößerung), Telfs, Pfaffenhofen, Oberpettnau, Leibifing, St. Jakob a. A., Prutz, Fiß, Oetz, Um-hausen, Scharnitz, Seefeld, Reith bei Seefeld, Barwies, Nassereith, Axams, Telfes, Fulpmes, Pfons, Stainach, Schmirn, Tulfes, Hall, Schwaz, Wiesing, Weer, St. Martin im Gnadenwald. Im Außerfern: Leermoos, Tannheim, Grän, Forchach, Vorderhornbach, Nesselwängle. In Osttirol: Sillian, Strassen, St. Korbinian, Bannberg, Ainet. In Vorarlberg: Frauenkirche in Feldkirch, Tostars, Götzis, Düns, Schnifis, Frastanz, Satteins, Göfis, Laterns, Gisingen, St. Georg, St. Gallus, St. Martin, Herz-Jesu in Bregenz, Kennelbach, Hörbranz, Möggers, Schwarzach, Hohenems, Lustenau, Dornbirn, Gaißau, Schwarzenberg, Damüls, Egg, Lingenau, Hittisau, Schröcken, Großdorf, Bludesch, Stuben, Lech, Nenzing mit Beschling, Bürserberg, Raggal, Marul, Tschagguns, St. Gallenkirch, St. Anton im Montafon.

Ein spezielles seelsorgliches Anliegen sind die Pfarrheime. In großen Pfarreien soll ein eigenes Pfarrheim errichtet werden, während in den kleineren wenigstens ein Raum im Pfarr-hof für diesen Zweck zur Verfügung stehen soll. Bei Neubauten von Pfarrhöfen wird dies immer berücksichtigt. Bei der Planung neuer Kirchen wird grundsätzlich ein eigenes Pfarrheim vorgesehen. An Kirchen wurden fertiggestellt — in Klammern wird der Name des Architekten angeführt: In Tirol: Innsbruck-Neupradl (Albert), Innsbruck-Wilten-West (Eichberger), Grinzens, Mittewald in Osttirol (Menanü), Tränke-Siedlung bei Reutte, Wattens (Karl und Charlotte Pfeiler). In Vorarlberg: Bings und die Fatima-Kirche in Bludenz. Vor der Fertigstellung stehen: Innsbruck „Guter Hirte“ (Haas). In Vorarlberg: Altach (Kopf), Bredens, Bregenz, St. Gebhard (Braun), Muntlix und Tisis (Ender-Magloth), Lorüns (Linder, Stuttgart), Nofels (Wouk), Vandans (Feßler jun.).

Bei den Kirchenbauten entspricht das Innere durchwegs den liturgischen Erfordernissen und hinterläßt eine befriedigende Wirkung. Ein Anliegen bleibt, daß auch heute die Kirche nach außen hin eine charakteristische Form bekomme und daß das Bauwerk in seiner Erscheinungsform etwas über seinen Inhalt aussagen kann. Gewiß sind gute Ansätze vorhanden.

Viel ist geschehen. Es werden viele Opfer gebracht. Wenn man aber Vergleiche anstellen wollte, was ein neuer Eisenbahnwaggon und eine neue Kirche kostet, wieviel für Sportanlagen ausgegeben wird, für Kinos usw.. . ., dann stehen die kirchlichen Bauten heute doch wie der arme Lazarus vor der Tür der Reichen. Wir sind aber dankbar für alle Brosamen, die vom Tisch des Wohlstandes fallen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung