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„Letzte Runde“ unter der Enns

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Obwohl die SPÖ derzeit alle Kanonen auf Niederösterreich gerichtet hat, scheint aus der angekündigten Herbstoffensive auf die Hochburg der Volkspartei dm Land unter der Enns nichts zu werden. Durch die Olah-Krise wurde die noch beim Landesparteitag in Sankt Pölten (13. und 14. Juni) so geschlossene Schlachtreihe der Sozialisten gespalten. Was nützt es, daß sich nun Außenminister Kreisky, Landesparteichef Winkler und andere Parteifreunde mit Vehemenz hinter Olah stellen? Die Verwirrung und Orientierungslosigkeit wird dadurch nicht geringer.

Franz Olah bleibt nach wie vor „Paraderedner“ der SPÖ, mit unglaublicher Ausdauer macht er den Versammlungsreigen der Spitzenpolitiker in Sachen Wahlkampf mit. Wo er spricht, dort sammeln sich Parteifreunde und interessierte Außenstehende wie die Fliegen am Honigglas, denn man glaubt, daß der abgesetzte Innenminister auch zu den hinter den Kulissen stattgefundenen und stattfindenden Machtkämpfen Stellung nehmen wird. Olah — keineswegs zu einer „Selbstkritik“ bereit — vertröstet bis nach den Wahlen, „dann reden wir weiter“.

Die Sozialisten haben im Hainfelder Gedenkjahr einen Wahlkampf zu führen, der wohl einmalig ist: Die Zuhörer bei den vielen Versammlungen wollen vornehmlich die vielen offenen Fragen innerhalb der Partei besprochen wissen, nicht einmal die überaus scharfen Angriffe gegen die Volkspartei können das Fußvolk von dem Hauptproblem der SPÖ ablenken.

Die ÖVP ist wieder optimistisch

Kein Wunder, daß die Volkspartei unter solchen Umständen mit neuem Optimismus in den Wahlkampf gezogen ist. Die ÖVP kann auf eine große Aufbauarbeit in Niederösterreich hinweisen, sie präsentiert sich als eine stabile Partei mit positiven Parolen. Landeshauptmann Figl ist Spitzenkandidat in allen vier Wahlkreisen, es steht ihm eine stark erneuerte Mannschaft zur Seite. Daß es auch in Niederösterreich noch Wunder gibt, bewies die jüngste Sitzung des Landesparteipräsidiums: bei der endgültigen Nominierung der Kandidaten wurde auf die strikte Einhaltung der Altersgrenze bestanden, etwa 40 Prozent der Mandatare wurden ausgewechselt. In der Mannschaft der Volkspartei steilen nun die Vierzigjährigen eine starke Mehrheit dar. Der jüngste Kandidat ist der est 29jährige Landesjugendführer der ÖJB, Buchinger. Die Liste der ÖVP wird auf die vielen Jungwählenden ihren Einfluß nicht verfehlen.

Die Chancen der SPÖ — ihr

Spitzenkandidat in allen Wahlkreisen ist Landeshauptmannstellvertreter Dr. Tschadek — auf einen Mandatgewinn haben sich jedenfalls verringert.(Derzeit steht es 31 ÖVP- Mandate zu 25 SPÖ-Mandate, Freiheitliche und KPÖ sind im Landtag nicht vertreten.) Hart auf hart wird die Wahlschlacht im Waldviertel werden. Dort geht es nämlich darum, wer von den beiden großen Parteien jenes Mandat, das auf Grund der Volkszählung in den St. Pöltner Wahlkreis (Viertel oberm Wienerwald) wandert, verlieren wird. Wahlarithmetiker haben bereits errechnet, daß einige hundert Stimmen die Entscheidung bringen werden. Nicht von ungefähr propagiert die SPÖ einen „Entwicklungsplan“ für das Wald viertel.

Das Konto der Volkspartei

Bei einer Vorschau auf die Landtagswahlen gilt es nicht nur, die gegenwärtige politische Situation zu berücksichtigen, sondern man muß auch die bisherige Entwicklung der Parteien unter die Lupe nehmen. In den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg war Niederösterreich eine Domäne der Volkspartei. Es blieb bis heute das Kernland der ÖVP. Seit 19 Jahren stellt die ÖVP den Landeshauptmann. Aus Niederösterreich kamen die Baumeister der Zweiten Republik, Leopold Figl und Julius Raab. Die Männer der Volkspartei brachten große Opfer, um dieses Land nach dem Inferno eines fürchterlichen Krieges wieder aufzubauen.

Die SPÖ spielt in Niederösterreich als „zweite Regierungspartei“ eine weit geringere Rolle als auf Bundesebene. Sie konnte die ÖVP-Mehrheit bisher niemals gefährden. Zugute kam der SPÖ die soziologische Umschichtung, hier ist vor allem der bedeutende Rückgang der bäuerlichen Bevölkerung zu nennen. Viele Bauernsöhne und -töchter sind in die Städte abgewandert, und nicht immer haben sie der Volkspartei die Treue gehalten.

Allmählich wird auch Niederösterreich von einem Agrarland immer mehr zu einem Industrieland. Bei den jüngsten Arbeiterkammerwahlen hat sich freilich auch gezeigt, daß die zunehmende Industrialisierung nicht zwangsläufig zu einer Stärkung der Sozialisten führen muß. ÖAAB und Christliche Gewerkschafter konnten bereits respektable Breschen in bisher uneinnehmbare Bastionen schlagen. Von den drei Mandaten, die der ÖAAB bei den Arbeiterkammerwahlen gewinnen konnte, fallen zwei den Arbeitern zu. Das deutet die Volkspartei mit gewissem Recht als gutes Omen für die Landtagswahlen.

Wenig Chancen für FPÖ und KPÖ

Kaum in einem Bundesland ist der Zug zum Zweiparteiensystem so stark wie in Niederösterreich. Die Freiheitlichen haben im Lande unter der Enns den Status einer „Zwergpartei“. Sie waren im Landtag noch nie vertreten. Es wird ihnen auch diesmal kaum gelingen, ein Grundmandat zu erreichen. (Bei den Arbeiterkammerwahlen ist ihr Stimmenanteil noch weiter zusammengeschrumpft.)

Die KP hatte in Niederösterreich ihre Glanzzeit, als noch der reiche Vormund aus Moskau im Lande „zu Gast“ war. Damals waren die Kommunisten sogar im Landtag mit einem Mann vertreten. Die ungarische Revolution war ein schwerer Schlag für die KP im Lande unter der Enns, von dem sie sich nie richtig erholen konnte. Man muß allerdings zugeben, daß ein Comeback im Landtag nicht ganz ausgeschlossen wäre. Im Viertel unter dem Wienerwald (Wr. Neustädter Gegend) verfügt die KP über eine starke Kerngruppe. Zieht man die Nationalratswahl von 1962 als Vergleich heran, so fehlen den Kommunisten dort nur rund 1500 Stimmen auf ein Grundmandat.

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