6702255-1963_36_04.jpg
Digital In Arbeit

MADAME NHU / IMMER DAS LETZTE WORT

Werbung
Werbung
Werbung

Aus einem Leserbrief an die „New York Times„Ich habe eine Katze eine Katze und einen Verräter einen Verräter genannt. Sie aber, überwältigt von einem buddhistenfreundlichen Komplex, sehen nichts als die Pagoden und die gelben Gewänder der Bonzen, warum blicken Sie nicht hinter die Fassade? Ich habe einige Leute schockiert, als ich gesagt habe, ich werde diese Provokateure noch mehr schlagen, wenn sie in Mönchsgewändern daherkommen, und ich werde klatschen, wenn ich sehe, daß da wieder ein Mönch geröstet wird. Man kann sich für den Irrsinn anderer Leute nicht verantwortlich fühlen.”

Dies schrieb vergangene Woche Madame Ngo Dinh Nhu an die angesehene New Yorker Zeitung, nachdem diese am Tag vorher erklärt hatte, die Regierung Diem in Saigon werde mehr und mehr zur Regierung des Ehepaares Nhu — zu einer Willkürherrschaft. Das Blatt hatte Frau Nhu die Lucrezia Borgia von Vietnam genannt. Darauf kabelte die streitbare Dame diese wutfauchende Antwort.

ln der Geschichte Vietnams ist Madame Nhu durchaus nicht die erste große weibliche politische Kraft: die Schwestern Tung, deren Andenken Madame Nhu durch die südvietnamesischen Frauenbataillone bewahrt sehen will, führten die vietnamesische Erhebung gegen die Chinesen im ersten nachchristlichen Jahrhundert an. Auch im dritten Jahrhundert wurde der zweite Aufstand gegen die chinesischen Herren von einem Mädchen geleitet, das, mit einem goldenen Panzer bekleidet, auf einem Elefanten in die Schlacht ritt.

Madame Nhu freilich trägt keinen Panzer. Die kampfeslustige Gattin des Bruders des Präsidenten, des leidenschaftlich antiamerikanisch gesinnten Chefideologen des Regimes und Leiters der Geheimpolizei, zieht andere Waffen vor. Ihre einzige Waffe, die sie aber um so stärker einsetzt, ist der Einfluß der Diem-Familie, die alle wichtigen Positionen Südvietnams besetzt hält. Die zierliche, ebenso elegante wie herrschsüchtige Vietnamesin ist erst 1943 zum Katholizismus übergetreten, der Übereifer der Konvertitin mischt sich nun mit dem Bestreben, das Land möglichst rasch die Jahrhunderte der Zivilisation aufholen zu lassen. Ihre einzigen offiziellen Stellungen sind die einer Parlamentsabgeordneten und einer Präsidentin der vietnamesischen Frauenbewegung, ihre inoffizielle Stellung dagegen macht sie zur einflußreichsten Persönlichkeit des Landes, die es sich leisten kann, selbst die Amerikaner zu brüskieren.

Seit ihrer Wahl ins Parlament im Jahre 1956 setzte Madame Nhu eine ganze Reihe von Gesetzen durch, die sich mit der Gleichstellung der Frau in Südvietnam befassen: so wurde die Vielweiberei abgeschafft, die Scheidung erschwert, Ehebruch wird seither mit Gefängnis bestraft. Die Abschaffung der Prostitution ist ebenfalls ihrer Initiative zu danken. Freilich unterschieben ihr ihre Gegner in letzterer Frage ganz andere denn idealistische Motive.

Madame Nhus Privatarmee besteht ausschließlich aus weiblichen Soldaten, die den doppelten Sold des regulären Soldaten beziehen. Diese Truppen, die im aktiven Buschkrieg gegen die kommunistischen Guerillas ausgebildet worden sind, stellen heute die einzige Ordnungsmacht dar, auf die sich das Regime Diems absolut verlassen kann. Die Luftwaffe steht in kaum verhüllter Opposition, auch die Haltung des Heeres ist zweifelhaft.

Präsident Kennedy hat kürzlich den Republikaner Henry Cabot Lodge, der sich bereits den Ruf eines harten und schlagfertigen Diplomaten erworben hat, zum Sonderbotschafter in Südvietnam ernannt. Madame Nhu hat bereits erklärt, der neue Botschafter sei herzlich willkommen; sollte er es aber wagen, sich in die inneren Auseinandersetzungen einzumischen, so werde man ihm in aller Öffentlichkeit den Platz zeigen, auf den er hingehört. Und diese Äußerung zeigt in aller Deutlichkeit. daß Madame Nhu. die anscheinend gewillt ist, Südvietnam auf den gefahrvollen Weg einer Isolierung zu führen, vorläufig wirklich immer das letzte Wort haben muß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung