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Maria-Langegg—und wie weiter?

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Ein kleiner verträumter Wallfahrtsort, friedlich eingebettet in die Hügeln des Dunkelsteiner Waldes, hat der Presse in den letzten Tagen Schlagzeilen geliefert. Die Vorgeschichte ist bekannt: Die Weihe einer Gedächtniskapelle für die gefallenen und im KZ ermordeten Priester führte zunächst zu dem Versuch einiger führender Funktionäre des Niederösterreichischen Kameradschaftsbundes, die Nennung der in den KZs des Dritten Reiches ermordeten Priester zu unterbinden, schließlich zu einer skandalösen Veröffentlichung in der in Krems erscheinenden „Landzeitung“ des Dr. Faber (vgl. „Die Furche“, Nummer 37/14. September 1963).

Die Öffentlichkeit hat dieses empörende Vorgehen einiger unentwegter „Führer“ schärfstens abgelehnt.

Eine österreichische Antwort

Innenminister 01 ah hat diesei Provokation eine österreichische Antwort erteilt. Dem ohne Zweifel harten Entschluß des Innenministers, dei erst nach eingehenden Untersuchungen gefaßt worden war, wurde in dei rechten Reichshälfte wenig Beifall geklatscht. Aber hätte nicht auch eir ÖVP-Minister so und nicht anders handeln müssen? Wir möchten es annehmen. Eine österreichische Partei: deren Programm auf christlicher Grundsätzen aufgebaut ist, sollte auch hier ohne Rücksicht auf Wählerstimmen eine klare Stellung beziehen.

Olah hat die schwerwiegende Entscheidung gefällt, obwohl er wisser mußte, daß er damit einer etwaiger SPÖ-FPÖ-Koalition keinen guter Dienst erweisen würde. Pfeifen es doch die Spatzen von den Dächern, daß ein sehr bedeutender Teil der Führer des Kameradschaftsbundes dem Funktionärskader der Freiheitlichen angehört.

Wenn auch einer der Haupträdelsführer in der Affäre Maria-Langegg ein Glied am extrem rechten Flügel der Kremser ÖVP bildete, so isl ein einflußreicher Teil seiner „Kameraden“ in der Wachau, im Waldviertel und in der St. Pöltner Gegend nicht nur gesinnungsmäßig in der FPC zu finden. (Einer jener Männer, angeblich Nationalratskandidat dei Freiheitlichen, hatte noch vor ein paar Jahren seine Rede bei einem Kameradschaftstreffen in Unterwölb- lirtg mit , den Worten geschlossen: „Dąrum . tpüssen wir eijtig sein im Kanipi für Volk, Führer und Vaterland!“)

Alles wieder in bester Ordnung?

Man soll nun nicht glauben, daß jetzt, da zwei Männer aus der Führung des Kameradschaftsbundes ausgeschieden sind, die doch nur das laut aussprachen, was die Führungsgruppe des Niederösterreichischen Kameradschaftsbundes denkt und schreibt (zum Beispiel „Verräter und Feiglinge nicht gefragt“, „Der Kamerad“, September 1963), alles wieder in bester Ordnung, daß die Atmosphäre plötzlich gereinigt ist. Warum hat man sich erst unter dem Druck der Öffentlichkeit und des Innenministers von den Äußerungen eines Dr. Faber und seiner Freunde distanziert? (Es ist uns nicht bekannt, daß man die Herren wegen ihres ungeheuerlichen Verhaltens aus dem Österreichischen Kameradschaftsbund ausgeschlossen hätte.) War es bei so manchem nicht die bloße Angst, daß die Soldatenspielerei, das Marschieren mit der ordengeschmückten Brust ein Ende haben könnte? Dabei wollen wir gar nicht bezweifeln, daß es im Österreichischen Kameradschaftsbund auch viele Mitglieder und einzelne Funktionäre gibt, die von positiven Motiven erfüllt sind.

Fragen wir uns einmal: Was sind die wahren Gründe, daß gewisse Funktionäre des Kameradschaftsbundes die Namen Gefallener und im KZ Ermordeter nicht in einem Atemzug nennen können? Waren nicht alle Opfer des Nazismus? Die einen, weil sie auf Anordnung Hitlers ihr Leben in einem Angriffskrieg gegen fremde Völker an der Front verbluteten, die anderen, weil sie von den SS-Schergen in den KZs hingemordet wurden. Hinter all diesen Opfern steht letztlich der wahnsinnige Befehl eines Adolf Hitlers. Daran wollen so manche Führer des Kameradschaftsbundes offenbar nicht denken.

Bei diversen Treffen in Österreich schien es manchmal — das konnte man aus den Reden bestimmter Funktionäre schließen —, als sei es die Pflicht der österreichischen Väter und Söhne gewesen, für Volk und Führer zu sterben. Sollte man bei solchen Treffen nicht immer wieder darauf hinweisen, daß der „Trommler aus Braunau“ unsere Landsleute in einen ungerechten Krieg gehetzt hat? Daß sie die Opfer eines grauenhaften Regimes wurden?

Wann hat man es je erlebt, daß die NS-Herrschaft in Österreich, die verbrecherische Staats- und Kriegsführung, in den Reden der ÖKB-Führer angeprangert wurde?

Der ideologische Bodensatz der NS-Ära vergiftet leider in manchem — siehe Maria-Langegg — die Atmosphäre im Kameradschaftsbund. Es scheint, daß dieser als Exerzierfeld ihrer „nationalen Ideen" benützt wird.

Um aus dem Kameradschaftsbund einen wahrhaft österreichischen zu machen, ist es daher notwendig, bestimmte, noch vom Nazismus und seiner Gedankenwelt infizierte Führer zu eliminieren. Die Funktionäre des ÖKB müssen nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat ein Bekenntnis zu Österreich und zur Demokratie able- gen. Auch zu jenem Österreich, das von 193 8 bis 1945 in den politischen Untergrund gehen mußte. Wer Hitlers sinnloses Gemetzel geradezu als heiligen Krieg ansieht, wer diese traurige Zeitspanne zum „Heldenzeitalter“ Österreichs erhebt, in welchem es sozusagen „Pflicht“ dieser Österreicher war, Ostmarkorden und Ritterkreuz anzustreben, der dürfte in den Führungsgremien eines österreichischen Kameradschaftsbundes nichts verloren haben.

Welche Werte sind es überhaupt, die es gilt, im Kameradschaftsbund hochzuhalten?

• Kameradschaft? Schön und gut Eine Eigenschaft, die wir Wirtschaftswunderkinder viel zuwenig üben.

• Pflichterfüllung und Tapferkeit? Jawohl. Es war eine harte Pflichterfüllung und es war echte Tapferkeit, wenn Hunderttausende an der Front aushielten, weil sie keine andere Alternative hatten, wollten sie nicht füsiliert werden.

• Aber was bedeutete „Tapferkeit“ in Hitlers Heer noch alles?

• Die Brutalität einer ideologisch zu Herrenmenschen erzogenen SS, die wehrlose Gefangene wie die Hasen abschoß?

• Der Fanatismus verführter und mit Haß aufgestachelter Pimpfe?

• Der Ehrgeiz jener Kommandeure, die plötzlich „Halsweh“ bekamen und die ihre halbe Kompanie oft leichtsinnig opferten, um nur die begehrte Auszeichnung zu erhalten?

Wie man sieht, ein sehr problematischer Begriff, der mit „tapfer“ im na- tun-echtlichen Sinn des Wortes recht wenig zu tun hat.

Keine Aufgabe also für den Kameradschaftsbund?

Ja! Aber es genügt nicht, zu marschieren, Fahnen zu weihen, Denkmäler zu enthüllen und Bälle zu arrangieren! Müßte es nicht ein großes Anliegen des Österreichischen Kameradschaftsbundes sein, eine neue Einstellung zum Krieg, im besonderen zum zweiten Weltkrieg zu schaffen?

Jahrelang wurde hunderttausenden jungen Österreichern durch eine raffinierte Propagandamaschine eingeimpft, daß sie für eine große heilige Sache zu kämpfen hätten. Das Morden wurde glorifiziert, die Vernichtung verherrlicht, eine neue Wertordnung in die Gehirne der Landser projiziert.

Und der psychologische Propaganda- „Krieg“ hat gerade in den Herzen vieler junger Menschen grauenhafte Früchte getragen. Nicht nur aus den Kriegsverbrecherprozessen wissen wir, zu welcher Brutalität die zu „Übermenschen“ Gemachten fähig waren.

Hier gilt es, auch heute noch, eine geistige Einstellung zu liquidieren, die noch in so manchen Gehirnen herumspukt.

Der Nimbus vom heiligen Krieg für „Europa“, vom Heldenzeitalter, muß durch die harte historische Realität ersetzt werden. Das bedingt echte Aufklärungsarbeit. In Vorträgen, Dias- reihen, Kurzfilmen und Diskussionen könnte ein neues Bild vom zweiten Weltkrieg und seinen Hintergründen geschaffen werden. Diese geistige Bewältigung der Vergangenheit müßte eine der ersten Aufgaben des Kameradschaftsbundes sein. Dann ließe sich auch leichter die Parallele zu den Opfern des Dritten Reiches finden, die ihr Leben für ihren Glauben, ihre Heimat, für die Freiheit und Wiedergeburt Österreichs in den Kerkern und KZs opferten.

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