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Ende Februar 1968 schlug die rumänische KP-Delegation zu der vorbereitenden kommunistischen Tagung in Budapest die Türe hinter sich zu; eine eiligst; einberufene Plenartagung des Zentralkomitees nannte die Bedingungen für eine Rückkehr zu den kommunistischen Beratungen. Von der ersten Zusammenkunft des eingesetzten Arbeiteausschusses im April blieben die rumänischen Kommunisten fern, da ihnen die geforderten „Garantien“ nicht gegeben wurden. Sie waren jedoch dabei — wenn auch nur als „Beobachter“ —, als am 18. Juni der Arbeitsausschuß zu einer Arbeitesitzung zusammentrat, ohne daß inzwischen dem rumänischen Standpunkt entgegengekommen worden wäre.

Nach dem Paukenschlag von Budapest sorgte die rumänische Delegation für Schlagzeilen auch beim Gipfeltreffen des Warschauer Paktes in der bulgarischen Hauptstadt, Anfang März, als Ceausescu eine Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung über den Atomsperrvertrag ablehnte. („Die Furche“, Nr. 14). Am 12. Juni stimmte dann Rumänien in der UN- Generalversammlung für die Resolution, die eine Unterzeichnung des Atomsperrvertrages empfiehlt.

Bereits Ende Mai hatte der Bukarester DPA-Korrespondent unter Berufung auf gutunterrichtete Kreise in Bukarest den erfolgreichen Abschluß der rumänischsowjetischen Verhandlungen über einen neuen Freundschafts- und Beistandsvertrag gemeldet, dessen feierliche Unterzeichnung zu einem geeigneten Zeitpunkt stattfinden soll. Das ist ein sichtbares Zeichen eines Rückzuges von früheren Positionen.

Man hat jedoch für dieses Vorgehen Begleitumstände arrangiert, so daß der voreilige westliche Kommentator weiterhin von der „Eigenwilligkeit der Rumänen“ und von Spannungen mit der Sowjetunion sprechen können wird. So hatte man zuerst geglaubt, daß Bukarest das Gipfeltreffen von Dresden boykottiert hatte: Es stellte sich heraus, daß es dort gar nicht eingeladen worden war. Als seine Meinung auch beim Moskauer Rumpfgipfel vom Mai nicht gefragt war, schloß mancher westliche Kommentator — in Unkenntnis der Hintergründe —, daß sich Moskau mit dem praktischen Austritt Rumäniens aus COMECON und dem Warschauer Pakt abgefunden hat, oder umgekehrt, daß die Sowjets den ewigen Störenfried nunmehr ausschließen wollen, so wie es mit den Chinesen aus den internationalen Organen der Frontorganisationen geschehen ist.

Moskaugegner abserviert

Die eingangs angeführten Vorkommnisse scheinen Elemente einer durchdachten Politik zu sein, die auf verschiedenen Gebieten verfolgt wird. Derselben Absicht einer Bereinigung des Verhältnisses mit Moskau unterziuordnen sind auch einige andere Handlungen des Regimes Ceausescus:eine davon ist die Beseitigung oder Diskreditierung derjenigen, die für die rumänische und westliche öffentliche Meinung als Exponenten des selbständigeren Kurses Bukarests galten.

Es fing sehr früh an. Im Herbst 1965 verloren sowohl der rumänische ständige Vertreter beim COMECON, Alexandru Barladeanu, wie auch der Planungschef Gheorghe Gaston Marin ihre Stellungen. Der erste hatte den rumänischen Standpunkt in den COMECON-Gremien in den Jahren 1963 bis 1964 vorgetragen, der zweite soll ein Befürworter der Erweiterung der Handelsbeziehungen mit dem Westen gewesen sein und hatte im Jahre 1964 eine viel beachtete Geschäftsreise durch die USA unternommen. Im Dezember 1967 wurde dann Alexandru Barladeanu, der dem höchsten Parteigremium, dem ständigen Präsidium des ZK angehört, durch den Verlust seiner Stellung als einer der ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten und Übernahme im Range eines Ministers der Leitung des Forschungsrates weiter abgewertet. Gleich nach seiner Wahl zum Parteisekretär leitete Ceausescueine Abwertung seines Vorgängers Gheorghiu-Dej ein, der als Initiator der Verselbständigung galt und diskreditierte ihn dann im April 1968, indem man Gheorghiu-Dej die ganze Verantwortung für den Terror der Stalinzeit aufbürdete. Von seinen Mitarbeitern mußte Alexandru Draghici in die Wüste gehen: ohne die absolute Treue und Ergebenheit des Innen- und Sicherheitsministers wäre es für Gheorghiu-Dej undenkbar gewesen, seinen neuen Kurs zu steuern. Andere Politbüromitglieder, unter anderem Emil Bodnar as,der als Vertrauter Moskaus gilt, blieben unbehelligt.

Im vergangenen Frühling entdeckte dann Ceausescudie Vorteile der Kooperation mit den sozialistischen Brudierlänctem, deinen Bukarest eifrigst .hunderte von konkreten Vorschlägen“ — wie es amtlich hieß — unterbreitete.

Im vergangenen Herbst wurde der Visumzwang zwischen der Sowjetunion und Rumänien abgesdhafft, so daß die Rumänen ihre Freunde und Verwandten in der ehemaligen Provinz Bessarabien, der jetzigen SSR Moldau, leichter besuchen können.

Bemerkenswertes ist auch auf dem Sektor der Militärpolitik geschehen. Die Kürzung der rumänischen Militärdienstzeit im September 1966 (von 24 auf 16 Monate) soll die Russen sehr geärgert haben (allerdings kürzten auch sie im darauffolgenden Jahr die Militärdienstzeit ebenfalls um ein Drittel, von drei auf zwei Jahre). Nun führten die Rumänen im Frühjahr 1968 eine sehr umfassende vormilitärische Ausbildung ein, die nach der Erklärung des höchsten Politoffiziers, Generalmajor Coman, sogar die eigentliche Ausbildung als Raketist oder als Flieger während der Dienstzeit erheblich verkürzt. Die vormilitärische Ausbildung erfaßt sogar die Mädchen. Die Kürzung der Dienstzeit wird somit mehr als wettgemacht. Der Grund für die Unzufriedenheit Moskaus wurde beseitigt.

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