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Die Verabschiedung des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes stellt einen entscheidenden Schritt in der Reform des österreichischen Hochschulwesens dar. Nochvor den Sommerferien des Nationalrates solli- das’ Gesetz im Plenum. zur. .Abslirrnnung gelangen. Damit im Zusammenhang sollen auch einige kleinere Gesetze, so zum Beispiel ein Gesetz, das die Linzer Hochschule betrifft, verabschiedet werden. Gewisse Unklarheiten innerhalb der Regierungsfraktion müssen allerdings vorher noch geklärt werden, damit die Gesetze mit Beginn des Studienjahres 1966 67 in Kraft treten können. Dr. Walter Schaffelhofer sprach mit dem Abgeordneten zum Nationalrat Doktor Josef Gruber, der als Mitglied des Unterrichtsausschusses auch dem Unterausschuß angehörte, der die Hochschulgesetze behandelte. Er hat als Mitglied dieses Ausschusses an der Ausarbeitung der in Frage stehenden Gesetze maßgeblich mitgewirkt. Als dem Abgeordneten eines oberösterreichischen Wahlkreises liegt ihm besonders die Errichtung und der Ausbau der Linzer Hochschule am Herzen.

FRAGE: Herr Abgeordneter, Sie haben als Mitglied des Unterrichtsausschusses an der Ausarbeitung jener Gesetze mitgewirkt, die unter dems Titel Hochschulgesetze zusammengefaßt werden können. Welche einzelnen GesetzeiUmfaßt dieses Ga- setzespaket?

ANTWORT: Wir haben im Unter- richtsäusschuß einen Unterausschuß eingesetzt, der sich mit vier Gesetzesmaterien befaßte. Und zwar mit dem Allgemeinen Hochschulstudiengesetz, mit dem Studiengesetz für die Sozialwissenschaften, mit einer Novelle zum Hochschulorganisations- gesetz betreffend die Errichtung einer Fakultät für Bauingenieur - wesen und Architektur in Innsbruck und mit einem Gesetz betreffend die Errichtung eines Hochschulfonds in Innsbruck.

FRAGE: Eine der auffallendsten Neuerungen des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes ist die Einführung neuer akademischer Grade, wodurch eine gewisse Zweiteilung des Studiums erzielt wird. Welche Motive waren für diese Neueinführungen maßgebend?

ANTWORT: Ich glaube, in erster Linie war es das Motiv, daß eine entsprechende Berufsausbildung auf wissenschaftlicher Basis für alle jene geschaffen wird, die in den Beruf eintreten, daß aber darüber hinaus eine ai (zusätzliche wissenschaftliche

Ausbildung erfolgen soll für jene, die sich der Wissenschaft widmen.

FRAGE: In der Diskussion über die Hochschulreform sind immer wieder die Forderungen nach Lehr- und Lernfreiheit erhoben worden. Hat sich der Ausschuß mit diesen Forderungen auseinandergesetzt und wie hat er dieses Problem gelöst, beziehungsweise wurde das gar nicht als Problem betrachtet?

ANTWORT: Es wurde sehr viel über dieses Problem gesprochen, sowohl die Lehrfreiheit wie auch die Lernfreiheit wurden eingehend erörtert Es wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf sowohl die Lehrfreiheit wie auch die Lemfrei- heit garantiert wäre, wobei aber feststeht, daß natürlich die Lemfrei- heit nicht so verstanden werden kann, daß ein Student tun und lassen kann, was er will, sondern daß er sich an gewisse Ordnungen zu halten hat.

FRAGE; Nach dem Allgemeinen Hochschulstudiengesetz wird es jetzt möglich sein, zugleich an verschiedenen Hochschulen und Fakultäten zu studieren, sich also gleichsam selbst ein Studium zusammenzustellen. Stimmt das, und nach welcher Richtung wird hier nach Ihrer Meinung die Entwicklung gehen? Werden die Fakultäten diese Freiheit fördern oder einzuschränken suchen?

ANTWORT: Es ist richtig, daß diese Möglichkeit eröffnet ist, aber doch wohl nur in einem beschränkten Umfang. Es ist die Möglichkeit gegeben, an mehreren Fakultäten gleichzeitig zu studieren. Es ist auch möglich, sich Studienfächer zu wählen, die nicht immer als Studium einer bestimmten Richtung in den Studdenplänen gekennzeichnet sind, man nennt das das sogenannte Studium irreguläre. Wie sich hier die Dinge entwickeln werden, kann im Moment noch nicht abgesehen werden, aber gerade diese Bestimmungen sind dazu angetan, den Studierenden möglichste Lernfreiheit zu gewährleisten.

FRAGE: Das Gesetz erlegt dem Bundesministerium für Unterricht die Durchführung des Gesetzes auf, auch die finanzielle! Woher wird das Unterrichtsministerium die erforderlichen Mittel nehmen, hat sich der Ausschuß mit Bedeckungsvorschlägen beschäftigt?

ANTWORT: Der Unterausschuß des Unterrichtsausschusses hat diese Frage im Detail nicht erörtert, es war aiber allen Abgeordneten klar, daß die Durchführung der Gesetze zweifellos einen größeren finanziellen Einsatz für das Hochschulwesen erforderlich macht.

FRAGE: Betrachten Sie es in diesem Zusammenhang als zielführend, daß sich neben dem Bund auch andere Gebietskörperschaften an den Kosten der Hochschulen beteiligen,

wie das in Linz und in Innsbruck bei der Errichtung der neuen Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Fall ist?

ANTWORT: Es ist zwar richtig, daß das Hochschulwesen Bundessache ist, aber es ist zweifellos eine Unterstützung der Bemühungen des Unterrichtsministers, wenn sich Gebietskörperschaften wie Bundesländer oder Städte auch an den Kosten beteiligen. So kann man sagen, daß hier das Land Oberösterreich und die Stadt Linz bahnbrechend gewirkt haben und dieses gute Beispiel macht ja bereite Schule; wie Sie selbst gesagt haben, das Land Tirol und die Stadt Innsbruck wollen diesem Beispiel folgen.

FRAGE: Herr Abgeordneter, Sie kommen aus einem Öberösterreichischen Wahlkreis. Welche Ausurir- kungen erwarten Sie sich auf das kulturelle und geistige Leben Ober-

österreichs durch, die Errichtung der Hochschule in Linz?

ANTWORT: Die Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wird im Oktober feierlich eröffnet werden. Damit erhält das Land Oberösterreich endlich ein geistiges Zentrum, das sicherlich befruchtend auf das Geistesleben dieses Bundeslandes wirken wird. Es können sehr viele Studierende aus dem Lande Oberösterreich nun in ihrer eigenen Landeshauptstadt studieren. Aber es ist nicht nur so, daß die Studierenden von anderen Hochschulen abgezogen würden, sondern es kann damit eine sicherlich vorhandene Reserve an geistigen Begabungen ge weckt werden, weil nun die Möglichkeit gegeben ist, leichter und auch billiger zu studieren. Darüber hinaus wird sich der Sitz einer Hochschule für das geistige Leben der Landeshauptstadt auch sonst noch sehr segensreich auswirken.

FRAGE: Jetzt, knapp vor der Verabschiedung des Gesetzes über die Linzer Hochschule, wurde noch über die Einfügung einer juridischen Fakultät gesprochen. Was waren hierfür die Beweggründe, und ist dadurch nicht der Charakter der Linzer Hochschule als einer Hochschule eigenen Typs gefährdet?

ANTWORT: Uber diese Frage der Errichtung einer juridischen Fakultät in Linz ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Man kann jedenfalls das eine sagen, daß im Lande Oberösterreich und auch darüber hinaus im Oberlandesgerichtssprengel Linz ein großer Bedarf an Juristen vorhanden ist und daß sich daher viele Institutionen, so das Oberlandesgericht Linz und die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich, für die Errichtung einer juridischen Fakultät in Linz ausgesprochen haben.

FRAGE: Mit diesen Gesetzen ist ein sehr wesentlicher Markstein in der österreichischen Hochschul- gesetzgebung gesetzt worden. Kann man sagen, daß damit die Hochschulreform auf einige Zeit abgeschlossen ist, oder stehen noch wesentliche Materien in Behandlung?

ANTWORT: Die Hochschulreform ist zweifellos nicht abgeschlossen, denn es wird zunächst einmal nur das sicherlich grundlegende Allgemeine Hochschulstudiengesetz verabschiedet und das Studiengesetz über die Sozialwissenschaften. Es wird aber notwendig sein, in absehbarer Zeit auch die Studiengesetze über ‘.die anderen Studienrichtungen in Angriff zu nehmen und möglichst bald der parlamentarischen Behandlung zuzuführen.

Danke für das Gespräch.

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