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Meilensteine auf idem Weg zum „Wiener Kongreß“

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1938 STEHT AUF DEM KALENDER. Gewitterwolken ziehen auf dem Horizont der Weltpolitik auf. In das Donnern der Rotationsmaschinen aller Zeitungen und in das Klingeln der Telephone mischen sich von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde bedrohlichere Nachrichten. Trotzdem und vielleicht gerade deswegen setzt die „Union de la presse catholique“ als Tagungsort ihres Weltkongresses die Stadt Wien auf den Kalender. Von hier aus soll in letzter Stunde an die Staatskanzleien der großen Mächte ein Mahnruf ergehen. Das Tagungsprogramm wird bis in die Einzelheiten festgelegt. Aber über das Donnern der Rotationsmaschinen dröhnen Bombengeschwader, in das Klingeln der Telephone schüttern die mahlenden Ketten der Panzer, die Unfreiheit bringend. Statt der Gewalt des Wortes zuckte aus

den Wetterwolken das Wort der Gewalt. Der Weltkongreß 1938 fand nicht statt. Der zweite Weltkrieg wurde programmgemäß abgewickelt.

1951 STEHT AUF DEM KALENDER. In einer geteilten Welt, die dem Namen nach im Frieden lebt, findet der III. Weltkongreß der Katholischen Presse in Rom statt. Wer Symbole liebt, mag aus dem Tagungsort ein sol

ches ableiten. Aus der Ewigen Stadt kam immer, wenn Haß und Vernichtung ihre Köpfe erhoben, die Botschaft der Liebe. Wer anders als die katholischen Publizisten und Journalisten hätte diese Botschaft weitertragen können? Wer anders als jene Männer, die am eigenen Leibe erfuhren, was Haß und Zwang heißt? Die Geschichte der „Internationalen Union der katholischen Presse“ ist die Geschichte des Kampfes gegen Unfreiheit. Um die Jahrhundertwende gab es noch keine über Staatsgrenzen hinausreichende Verbindung innerhalb der katholischen Presse. Erst 1926 erfolgte, nachdem schon vorher kollegiale Gremien sich gefunden hatten, aus belgischer Initiative die Gründung eines „Bureau International des Journalistes Catholique". Der erste Präsident war der damalige Chefredakteur des in Namur erscheindenen Blattes „Vers l'Avenir“, Renė D e 1 f o r g e. Nach seinem Tode wurde im Jahre 1930 Dr. Friedrich Funder zur Präsidentschaft berufen, jener Mann, der bereits 1936, bei der 3. Konferenz, die Einladung der österreichischen Regierung zur Tagung für 193 8 nach Wien überbrachte.

1954 STEHT AUF DEM KALENDER. Die Welt ist nicht versöhnlicher geworden, als sich zwischen dem 3. und 7. Mai im Hotel des Centraux, Rue Jean-Goujon Nr. 12, zu Paris 300 Journalisten aus 29 Nationen zum IV. Weltkongreß zusammenfinden. Mitten unter ihnen vier Delegierte aus Oesterreich. Bevor die Neuwahl der Vorstände der in der „Union de la Presse Catholique" zusammengeschlossenen Berufsverbände erfolgte, erhob sich Dr. Funder und erneuerte die Einladung nach Wien. Die Annahme und der Beifall, der sich erhob, galt einem Lande, das seit dem Jahre, da der „Wiener Kongreß“ nicht mehr stattfinden konnte, allen Gewalten zum Trotz sich erhalten und Beweise seines Aufbauwillens und seines Willens zum Frieden und zur euro- päschen Zusammenarbeit geliefert hatte. Wien hieß also, und nut) Whrhafttg Und'endgültig, der Tagungsort: Treffpunkt der katholischen Journalisten aus aller Welt für 1957.

APRIL 1956 STEHT AUF DEM KALENDER. Bei der Jahreskonferenz des Büros der „Union Internationale de la Presse Catholique" in Mailand, im Hause der „Italia“, sind von österreichischer Seite Dr. Kurt Skai nik und Dr. Richard Barta zur Stelle. Ansichten werden ausgetauscht über die zeitliche Festlegung, über Haupt- und Nebenprogramm, über die Formulierung der einzelnen Themen, die auf dem kom-

menden Kongreß zur Sprache kommen sollen. Als „Generalprobe“ für den Weltkongreß kann die Arbeitstagung von hundert deutschsprachigen Journalisten aus dem mitteleuropäischen Raum in Wien im Juni 1956 angesehen werden Im Herbst 1956 findet das zehnjährige Jubiläum der „Katholischen Presseagentur“ in Wien statt. Der Leiter des Pariser Büros, Chef des ständigen Sekretariats der Union. Jean-Pierre Dutois- D u m ė e, und P. Emile Gabel, ehemaliger Chefredakteur von „La Croix“, kommen nach Wien. Zur gleichen Zeit wird das Wiener Kongreßbüro errichtet. Wien 1, Goldschmiedgasse 10, taucht im Ausland immer häufiger als Briefadresse auf, und die exotischen Marken der hier einlaüfenden zahlreichen Briefe finden das Interesse der österreichischen Sammler.

ANFANG 1957 STEHT AUF DEM KALENDER. Die ersten Faltprospekte verlassen das Wiener Kongreßbüro auf ihrer Reise rund um

die Welt. Das Präsidium des „Verbandes der katholischen Publizisten Oesterreichs“, in dem sich Journalisten und Verleger vereinen, ist bei weiteren Unterredungen in Paris und Rom, die von Generaldirektor Karl M. Stepan geleitet werden, überdies bestrebt, das Schema der üblichen Kongresse aufzulockern. Bei der Jahrestagung des Büros in Brüssel vertritt hierauf Generaldirektor DDr. Willy Lorenz diese "Gedatikėngarige vor einem weitereh Föruni.“',Es geht beim V. Weltkongreß in Wien nicht nur um fachliche Erörterungen und Stellungnahmen, sondern es ist das Profil einer Zeit zu entwickeln und vor allem auch den Gästen mit ihren Begleitpersonen ein Bild der geistigen Situation des Gastlandes in seiner historischen Ausformung zu geben. Wer heute das Kongreßprogramm in den Händen hält, ahnt nicht, welche Summe von Zeit und Mühe oft eine einzige Zeile an technischer Vorbereitung erfordert hat.

10. SEPTEMBER 1957 STEHT AUF DEM KALENDER, und es ist in den letzten Tagen vor dem Kongreß, als wir dem Tagungsbüro einen Besuch abstatten. Schon zu früher Morgenstunde kommt der Telegrammbote und ladet Bündel von Depeschen ab, knattert der Telexanschluß Nummer 01 1007, und allen offiziellen Anmeldeschlußterminen zum Trotz kommen noch immer Meldungen. Wie die Lage im Augenblick unseres Besuches war, sind aus 30 Ländern 400 Teilnehmer zu erwarten, also um ein Drittel mehr als vor drei Jahren in Paris. Wir fragen nach der Anmeldeliste und erhalten ein Bündel engbeschriebener Papierbogen in die Hand gedrückt, auf denen sich in alphabetischer Reihenfolge wirklich die ganze Welt ein Stelldichein gibt. Afrika — das steht gleich oben an der Spitze des ersten Bogens. Und dann gleitet der Blick weiter zum nächsten Erdteil, Australien. Delegierte reisen um den Erdball nach Wien: aus China. Brasilien, Chile, Ekuador, Haiti, Mexiko, San Salvador, Uruguay, Venezuela. Ueber den Atlantik, aus den Vereinigten Staaten und Kanada kommen Journalisten, aus dem Nahen und Fernen Osten durch den Suezkanal, an den Brennpunkten der Weltpolitik vorbei. Diesmal aber nicht sosehr als Berichterstatter, vielmehr als Erwartende und Erwartete, als Empfangende.

30. SEPTEMBER 1957. Der Wiener Kongreß tanzt nicht, er „marschiert" Als Empfangende sind die Männer der katholischen Publizistik nach der Donaumetropole gekommen; als Sendboten mögen sie unsere Stadt verlassen.

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