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Merk-würdig: Das vergessene Jubiläum

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Ein kirchliches Ereignis wie vor zwei Jahrzehnten scheint in Österreich nicht mehr möglich zu sein.

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Ein kirchliches Ereignis wie vor zwei Jahrzehnten scheint in Österreich nicht mehr möglich zu sein.

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Die katholische Kirche feiert gerne Jubiläen; das Jobel- Horn schallt durchs ganze Kirchenjahr. Nicht nur auf liturgischem Gebiet, wo jeder Tag dem Andenken an Heilige und Selige gewidmet ist; auch die runden Geburtstage kirchlicher Würdenträger aller Ränge, Weihejubiläen von Pfarrern und Bischöfen, Gründungstage katholischer Organisationen und Einrichtungen finden liebevolle Aufmerksamkeit. Stutzig macht angesichts dieser Jubiläumsfreudigkeit, welche Jubiläen nicht begangen werden.

20 Jahre Österreichischer Synodaler Vorgang - wäre das kein Grund zum Feiern? Immerhin ziert ein schmales, orangefarbenes Bändchen mit der eindrucksvollen Rückenaufschrift „Österreich-Synode“ wohl noch die meisten Bücherregale kirchlicher Einrichtungen. Es enthält die „Dokumente des österreichischen Synodalen Vorganges in Form der Beschlußfassung durch die österreichischen Bischöfe am 2. Juli 1974“. Die Liste der 190 Mitglieder liest sich wie ein „Who is Who“ des katholischen Lebens: Bischöfe, Bürgermeister, Professoren, ehemalige Minister, Ordensobere, , Studentinnen, Chefredakteure, Pfarrer, Arzte und viele andere.

Nach dem Vorbild der „Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ (Würzburger Synode 1971-1975), der Pastoralsynode der Jurisdiktionsbezirke in der DDR“ (Dresdener Synode 1975-1975) und der „Schweizerischen Ausgleichssynode“ in Bern sollte auch in Österreich eine gemeinsame Synode stattfinden. Bischof Paul Rusch (Innsbruck) hielt dies für nicht notwendig. Der damalige Weihbischof Alois Wagner aus Linz schlug vor, dann eben keine Synode, sondern nur einen „Synodalen Vorgang“ zu machen. „Das ist möglich“, erklärte Bischof Rusch, und es geschah. Minister a. D. Ludwig Weiss sinnierte bei der ersten Vollversammlung: „Wir sind also hier nicht Synodalen, sondern Synodale Vorgänger.“

In seiner Schlußansprache (177- 179) erklärte Kardinal Franz König: „Wir sind uns sachlich und menschlich nähergekommen. Wir haben offen miteinander diskutiert. Man hat dabei keinen Unterschied zwischen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien verspürt. Nähergekommen sind sich vor allem auch die Diözesen. Es gab keinen diözesanen Separatismus ... Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit um eines bitten: Erwarten Sie nicht alles von den Bischöfen. Auch wir sind nur Menschen, allzusehr der Gefahr ausgesetzt, daß man uns überfordert ... Heute haben wir ein Recht uns aus zuruhen, morgen nicht mehr. Der Mensch sehnt sich nach Ruhe, aber er lebt aus der Unruhe. Ungewißheit und Wagnis ist das Schicksal des Menschen. Das Gewisse liegt nicht bei uns. Die Synode ist nicht zu Ende.“

Die Beschlüsse, die gefaßt wurden, zeugen von einem erstaunlichen Weitblick. Die Synode machte Aussagen zu Problemkreisen wie Ausländer, Ökologie, Frauen, Priester, Diakone, neue kirchliche Dienste und dergleichen, die heute noch aktueller sind als damals. »Einige Beispiele: Die Synode gab die Empfehlung (62-63): „Die Österreichische Bischofskonferenz möge sich dafür einsetzen, daß gläubige wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen an den Sakramenten teilnehmen können.“ Dazu erklärte die Bischofskonferenz, sie nehme diese Empfehlung „zum Anlaß, im Einvernehmen mit anderen Bischofskonferenzen in Rom vorstellig zu werden, daß wiederverheiratete Geschiedene, von denen viele in ihrer Situation leiden und Sehnsucht nach den Sakramenten haben, unter noch zu bestimmenden Voraussetzungen an den Sakramenten teilnehmen können.“

Im Kapitel „Träger kirchlicher Dienste“ ist bereits von „Gemeindeassistenten“ (heute Pfarrassistenten, Pfarramtsleiter oder sonstwie genannt) die Rede (21): „Sie sind im Rahmen ihrer Beauftragung und Zuständigkeit verantwortlich für die ihnen anvertraute Gemeinde (zum Beispiel eine nicht mehr besetzte Pfarre ...).“

Dazu wurde auch der Beschluß gefaßt (18): „Ist eine Gemeinde so geartet, daß sie durch einen Provisor excurrendo allein nicht genügend versorgt werden kann, so ist ein Gemeindeassistent einzusetzen. Der abschätzbare Bedarf der Diözese an Pastoral- und Gemeindeassistenten ist zu erheben und ein Dienstpostenplan zu schaffen; ferner sind Richtlinien aufzustellen, nach denen Pasto-ral- und Gemeindeassistenten eingesetzt werden.“ Im Abschnitt „Bildung und Erziehung“ wird appelliert (90): „Es ist Aufgabe der Öffentlichkeit, jedem Kind einen Kindergartenplatz - je nach Bedarf Halbtags- oder Ganztagskindergarten - zu sichern. Privatinitiativen, die diesem Ziele dienen, sind entsprechend zu fördern.“ Als Leitsatz wurde formuliert (89): „Die Errichtung und Erhaltung von Kindergärten und Sonderkindergärten ist als Dienst der Kirche an Kindern, Eltern und Gemeinde unbedingt zu bejahen, auch wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten.“

Ein Leitsatz für das Spannungsfeld Kirche und Medien lautet (130): „Diskrepanzen im innerkirchlichen Dialog und Widersprüche eines gesellschaftlichen Verhaltens (oder eines Verhaltens einzelner) zu den in der Kirche anerkannten Normen können am besten in kommunikativer Form beseitigt werden. Bewußtes Totschweigen, Zensur und Redeverbot sind ungeeignete Methoden zur Herstellung gemeinsamer Überzeugungen.“

Aus der Aufzählung von Institutionen der Kirche in Österreich (33) hat die Bischofskonferenz „Gesamtösterreichische Synodale Vorgänge“ gestrichen. Es wird wohl keinen ÖSV mehr geben; die Synodalen Vorgänger werden keine Nachfahren haben. Einige Nachdenker aber könnten in dem etwas schwierigen Gelände, durch das sich die Kirche heute bewegt, aus diesem Vorgang Wege und Orientierung finden.

Der Autor ist

emeritierter Professor für Pastoraltheologie (Theologische Hochschule Linz).

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