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Michael Fink:Ein Sieger von Aspern

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Gegen den 20. Mai des Jahres 1809, einige Tage vor der Schlacht bei Aspern, klopfte in Bisamberg bei Wien ein großer starker Mann von etwa 50 Jahren an die Pfarrhoftüre und bat um Nachtquartier. „Ich bin der Schiffmeister Michael Fink aus Braunau am Inn, halte mich Geschäfte wegen im Gefolge der Armee auf und gedenke in einigen Tagen wieder weiterzureisen.“ Dies war seine Vorstellung.

Das offene gerade Wesen des Bittstellers und seine von höchster Armeestelle ausgefertigten Papiere, beseitigte das in solchen Zeiten berechtigte Mißtrauen des Pfarrers. Der Bittsteller erhielt Unterkunft und damit wurde der bescheidene Pfarrhof in Bisamberg zum Hauptquartier eines Unternehmens, das von geschichtlidier Bedeutung werden sollte.

Gerade die Wirkungen dieser Tat, die zum Sieg bei Aspern führten, verpfliditen, ein geschichtliches Verdienst dem zuzuweisen, dem es gebührt. Es soll an Hand der im Landesarchiv in Linz verwahrten Lebensgeschichte des Braunauer Schiffmeisters Michael Fink dargestellt werden.

Die sachlichen, von aller Ruhmredigkeit freien Aufzeichnungen, die wir nachstehend benützen, wurden 19 Jahre später, von dem nun Siebzigjährigen in seinen ..Lebenserinnerungen über das denkwürdige Jahr 1809“ gemacht.

„Ich fuhr nach Wien. Ein Kurier überbrachte den Befehl, die Stadt zu verteidigen, allein mir gefiel dies nicht. Ich ging zu dem kommandierenden Prinzen Maximilian, um mit ihm cterüber zu sprechen. Er war nicht zugegen. Ich sagte daher seinem Adjutanten, dessen Bekanntschaft ich schon früher gemacht hatte, daß sich Wien nicht verteidigen lasse, wohl aber könnte man durch den Wienerwald den Feind einige Zeit aufhalten, wenn dort Verhaue gemacht würden. Der Adjutant wollte jedoch dem Erzherzog nichts davon sagen. — Ich entschloß mich daher, zum Erzherzog Carl ins Hauptquartier zu reisen. Ich fuhr in der Früh mit dem Burgschwaiger fort. Unweit Horn erfuhr ich von einem Offizier, daß der Erzherzog nach Krems marschiere. Wir richteten nun unsere Reise nach Maissau, wo ich dem Generalen Hohenbruck meine Aufwartung machte und mit ihm über Verschiedenes sprach, bis eine Ordonnanz vom General Stipsitz mit der Nachricht kam, daß Wien uiber sey.

Ich fuhr nun der Armee nach. Auf dem Spitze fanden wir auf der großen Donaubrücke unsere Vorposten, auf der anderen Seite standen die französischen. Ich fragte zwey bekannte Wiener Freiwillige des 5. Freywilligenbataillons, ob Schiffe in den Seitengräben seyen, sie antworteten, es sind viele Fahrwerke da, aber schlechte und voll Wasser. Ich fuhr nun nach Wagram ins Hauptquartier und sagte dem General Hohenbruck, daß am Spitze viele alte Schiffe wären, mit welchen bey dem großen Wasser leicht die von den Franzosen errichteten Schiffsbrücken über die Donau in der Lobau zerstört werden könnten, wenn Pontoniers dazu verwendet würden. Er antwortete mir, daß er keinen Mann entbehren könne, nachdem er den Befehl erhalten habe, alles bereit zu halten, um die Pontons zurückzuführen.

Ich ging von ihm weg und suchte wieder die zwei Freywilligen auf. Ich unterrichtete sie, daß sie die Schiffe auswässern und viele Löcher bohren und dann Zapfen vorschlagen sollen, die man wieder ausziehen kann, um Wasser in die Schiffe zu lassen. Ich würde dann entweder selbst kommen oder einen Officier herschicken.“

An dieser Stelle soll also festgestellt werden: Fink hat eine Anregung von weittragender Bedeutung gegeben und zwar an der richtigen Stelle, beim obersten Chef des Brückenwesens, Generalmajor von Hohenbruck. Doch Hohenbruck konnte „keinen Mann zu dieser Aktion entbehren“. Fink entschloß sich mithin, auf eigene Faust zu handeln und das als richtig und entscheidend erkannte Vorhaben unter allen Umständen auszuführen.

Lassen wir ihn selbst weitersprechen:

„Ich kam den folgenden Tag wieder. Die Schiffe waren bereits gewässert und die Zapfen gemacht. Nur die Löcher waren noch zu bohren und da man aus den Vorkehrungen voraussah, daß eine Schlacht bald geliefert werden wird, so verabredete ich mit ihnen alles genau. Die Schiffe sollen unterdessen in Auen oder Gräben versteckt und wenn die Schlacht anfängt, herausgeführt werden, zwei oder drei in lange Seile aneinandergelegt, auf jedes Schiff drei oder vier Mann mit einer Weidzillen mitgegeben und dahin gearbeitet werden, daß die Schiffe soviel wie möglich an das gegenseitige Land kommen. Endlich sollen die Zapfen nach einer beyläufigen Berechnung zu einer Zeit ausgezogen werden, damit die Schiffe bey ihrer Ankunft an der Brücke bereits voll mit Wasser seyen.

Ich zahlte ihnen Wein und fuhr, nachdem ich die Leute voll Eifer für die gute Sache sah, gerade nach Wagram. Der General Hohenbruck war mit dem Erzherzog Carl weggeritten. Ich ging in das Quartier des Erzherzogs, um vielleicht dort einen geschickten Officier zur Ausführung meines Projektes aufzufinden. Ich fand jedoch keinen und war schon entschlossen, dieses ohne höheren Befehl selbst auszuführen und nicht der Warnung vor Gefahr, sondern bloß meinem Patriotismus Gehör zu geben, als mir einfiel, es dem alten Kammerdiener des Erzherzogs zu sagen, damit der dem Erzherzog meinen Plan und die getroffenen Vorbereitungen melde.

Ich unterrichtete noch den Oberleutnant Magdeburg vom Gcneralstab von allem und sagte ihm noch, er möchte trachten, von dem Erzherzog zu dieser Expedition erwählt zu werden, er könnte dadurch glücklich werden.“

Und nun wickelten sich die Ereignisse am 21. und 22. Mai 1809. den Tagen der Schlacht, so ab, wie Fink sie beabsichtigt hatte:

Der Oberleutnant von Magdeburg, Adjutant des Generalmajors von Hohenbruck, griff die Anregung Finks auf und bediente sich bei der nun gegen die französischen Schiffsbrücken einsetzenden Aktion der Vorkehrungen Finks am Nußdorfer Spitz in Form der vorbereiteten, angebohrten und beschwerten Schiffe und begann damit am Tage vor der Schlacht, also schon am 20. Mai.Ob und inwieweit die Vorbereitungen Magdeburgs über die von Fink getroffenen Vorbereitungen hinausgingen, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Das Operationsjournal des Korps Hiller hebt darüber nichts hervor.

Am 22. Mai abends gelang es Magdeburg, unterstützt von seinem Bruder Hauptmann von Magdeburg, die erste Staffel der vorbereiteten Zerstörungsschiffe an die französischen Kriegsbrücken heranzuführen und sie tatsächlich zu zerstören. Hiedurch verloren die Franzosen in den entscheidenden Abschnitten dieser Schlacht die Verbindung mit ihren noch südlich der Donau stehenden Streitkräften. — Daß ein Hauptteil des Sieges von Aspem auf diese Tatsache zurückzuführen ist, ist historisch einwandfrei festgestellt.

Fest sieht weiter die Tatsache, daß Magdeburg diese Aktion nicht über irgendeinen Befehl ausführte; die spätere Verleihung des Theresien-Ritterkreuzes an ihn, setzte entscheidendes Handeln aus eigenem Antrieb voraus. Ebenso fest steht daher, daß Magdeburg sowohl die Anregung zu seinem Handeln von dem Schiffmeister Fink erhielt, als auch bei der Ausführung seiner Tat sich der Vorbereitungen Finks bediente und kann mithin dem Urheber dieser Idee die Anerkennung seiner entscheidenden Anteilnahme an dem Siege von Aspern nicht versagt werden.

In seinen Erinnerungen schreibt Fink weiter:

„Am Pfingstsonntag und Montag sahen wir der Schlacht von einer Anhöhe zu und ich erkannte aus dem Rauche, daß die Franzosen verloren hatten, worüber meine Freude außerordentlich war.

Am folgenden Tag fuhr ich mit dem Burgschwaiger nach Wagram. Ich ging in den Pfarrhof, wo der Erzherzog wohnte. Im Hof begegnete mir der Stallmeister und noch zwey Personen, welche mir zuschrien: ,W i r gratulieren!' Ich sprang schnei! in den Stall und fragte, wozu sie mir gratulieren. Sie antworteten, ich hätte die Schiffsbrücke weggeführt, welches zur Gewinnung der Schlacht viel beygetragen habe. Ich versicherte, daß ich hiebei nicht persönlich Hand anlegte, und daß überhaupt die Sache nicht publik werden dürfe, weil sonst ioh und meine Familie das Opfer werden könnte. Der Stallmeister gab mir recht und entschuldigte sich damit, daß er vor Freude nicht daran dachte.“

Zum Verständnis dieser von Fink geforderten Geheimhaltung seiner Urheberschaft dieser Aktion, sei daran erinnert, daß Fink in Braunau am Inn zu Hause war, dortselbst seine Familie sich aufhielt und er sich von Seiten der damals mit Napoleon verbündeten Bayern für seine militärische Handlung als Zivilist bedroht fühlte. Wie recht er hatte, zeigen seine folgenden Aufzeichnungen:

„Ich hatte mir vorgenommen, ganz in Geheim nach Osternberg zu fahren und mein Gattin herauskommen zu lassen, um sie zu fragen, ob ich sicher sey, da ich schon bey der Armee in Erfahrung brachte, daß mich die Bayern beschuldigten, die Schiffsbrücke nach der Lobau weggeführt zu haben. Außerhalb Sdiärding ging der Schiffmann Lengauer, erkannte mich, ungeachtet ich mich in der Kutsche zurückhielt. Er sprang an den Wagen und sagte: ,Um Gottes Willen, Fink, fahren Sie nicht nach Hause. Sie werden totgeschossen.' Ich ließ halten und ihn einsetzen. Er erzählte mir, daß man in ganz Bayern mir die Schuld gibt, die Schiffbrücken weggeführt zu haben, daß man alle meine Sachen in Beschlag nehme und heute meine Gattin wegführen wollte. Ich antwortete ihm, daß ich von der Brücke gar nichts wisse und bat ihn, wie er ausstieg, niemandem meine Zurück-kunft bekanntzumachen.

In Altheim schickte ich den Kutscher zurück, ließ mir die Post einspannen und sagte dem Postknecht, er möchte in der Stadt (Braunau) schnalzen und blasen und dabey schnell fahren. Das Dach wurde zurückgelegt, um von Jedermann gesehen zu werden. Alles lief an die Fenster, auch in meinem Hause, wo einige französische Officiere waren. Meine Gattin lief mir entgegen, ich ging mit ihr durch das Zimmer, grüßte die Officiere und fragte, daß sie es hören müßten, nach den Schiffen und dergleichen. Im Nebenzimmer sagte ich zu meiner Gattin, daß sie auf Befragen sagen sollte, ich komme von Krummau, wo ich krank gelegen sey.“

Durch die Kaltblütigkeit, mit der er der Gefahr offen, ohne sich zu verstecken, begegnete, rettete sich der tapfere Mann. Mit der Bescheidenheit des echten Patrioten, der zufrieden war, seinem Lande mit Einsatz seines Lebens einen unschätzbaren Dienst erwiesen zu haben, hielt sich Michael Fink auch dann im Hintergrund, als der Ausführer des von ihm entworfenen und vorbereiteten Planes, Magdeburg, zum There-sienritter und in den erblichen Grafenstand erhoben wurde. Ein einfacher Schiffsmeisterssohn, einer mit 13 Kindern gesegneten armen Bauernfamilie, durch eigenen Fleiß und Tüchtigkeit hochgekommen, hatte, obwohl nie Soldat, zum ersten Sieg über den bis damals für unbesiegbar gehaltenen Imperator Napoleon wesentlich beigetragen.

Fink starb 82jährig, 1840 auf seinem Ruhesitz Osternberg bei Braunau, nach einem Leben voll Arbeit, aber auch Erfolg, das ihn mit vielen bedeutenden Männern seiner Zeit persönlich zusammengeführt hatte. Napoleon und seine Gattin, seine Marschälle und Generäle, die seiner deutschen Verbündeten und alle österreichischen Größen bis zu den Kaisern seiner Zeit, waren in seinem Gasthof in Braunau seine Gäste gewesen. Die aufrechte Gesinnung und das freie Wort dieses bürgerstolzen Mannes hatten ihm bei hoch und nieder ehrenvolle Geltung verschafft.

Mit diesen Zeilen soll eine geschichtliche Episode aus dem reichen Leben meines Urahnen der Vergessenheit entrissen sein.

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