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Mitspradieredit der Kirche

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Am 27. und 28. November fand der österreichische Anwaltstag 1962 statt. Für Katholiken wurde das unmittelbare Interesse an dieser Tagung eines im In- und Ausland angesehenen Berufsstandes durch das gewählte Thema, nämlich Fragen des Eherechts, ausgelöst, mithin eines Sachgebiets, bei dessen Regelung die Kirche unter Berufung auf ihren göttlichen Auftrag ein Mitspracherecht beansprucht.

Der unmittelbare Anlaß, am Anwaltstag 1962 gerade Fragen des Eherechts zu erörtern, mag wohl mit einem Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Justiz zusammenhängen, womit die bisherigen Regelungen, vornehmlich des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs über die vermögensrechtlichen Wirkungen der Eheschließung und Ehescheidung, geändert werden sollen. Die Vorträge und Aussprachen des Anwaltstages beschränkten sich aber nicht auf dieses Thema allein, sondern gaben eine Bestandsaufnahme aller Probleme des geltenden Eherechts, verbunden mit Vorschlägen zur Abänderung von Bestimmungen, die sich nicht bewährt haben. Dabei wurden allerdings eine Reihe von Ansichten vertreten, die der katholischen Auffassung von der Ehe so entgegengesetzt sind, daß zweierlei not tut. Einmal zu fragen, ob eine der katholischen Auffassung entsprechende Regelung des Eherechts nicht eine ganze Zahl von Problemen aus der Welt schaffen würde, um deren Lösung sich der Anwaltstag bemühte; weiters, ob nicht eine Rechtspflicht für die Republik besteht, das staatliche Eherecht nur im Verein mit der Kirche zu regeln.

Wir wenden uns zunächst der ersten Frage zu. Selbstverständlich war es den Referenten des Anwaltstages bewußt, daß die Problematik der Ehe nicht mit einer Betrachtung der Ehe als einer Erwerbsgemeinschaft der Ehepartner erschöpft ist, mithin die in. jeder Ehe auftretenden-Krisen und Bewährungsproben nicht mit einer Neuordnung der vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe allein gelöst werden können. Man durfte daher Stellungnahmen erwarten, die dem Wesen der Ehe als einer umfassenden Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau gerecht werden können. Zur Festigung der Ehen wurde jedoch laut Zeitungsmeldungen just die staatlich zu fördernde Verbreitung der Werke Van der Velde hervorgehoben. Diesem Gedankengang kann man nicht folgen.

Sicherlich werden manche Ehefragen eine ärztliche Beratung erfordern. Die katholische Kirche scheut sich auch nicht, in ihrem Brautunterricht den Weg „Vom Eros zur Ehe“ (so der Titel des Buches von Hans Wirtz) aufzuzeigen. Gerade vom Standpunkt der katholischen Moraltheologie mit ihrer Bejahung allen Lebens ist nichts dagegen einzuwenden, wenn auch den Problemen des Leibes die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Aber man wird bei derartigen Vorschlägen den Verdacht nicht los, daß es gar nicht um dieses „auch“, sondern um ein „ausschließlich“ geht. Dieses „ausschließlich“ bedeutet nicht — worüber man noch reden könnte —, daß sich der Staat darauf beschränken muß, die Ehe als eine Angelegenheit der Körperwelt zu betrachten und daher nur zu Maßnahmen befugt ist, welche die Existenz der Ehe nur von außen her fördern können. Darum handelt es sich nicht. Wir haben es hier vielmehr mit der Ansicht zu tun, die den Menschen und damit auch die Gemeinschaft von Mann und Frau mir als körperlichen Ablauf gelten läßt. Als Folge dieser Einstellung gibt es dann gar keinen anderen Weg, um das Eheband zu festigen und zu vertiefen, als Ratschläge zur Beseitigung vermeintlicher körperlicher Disharmonien.

Der hier ausgesprochene Verdacht, der Anwaltstag hätte in manchem dazu geneigt, die Probleme der modernen Ehe in Probleme der Körperwelt aufzulösen, wird bekräftigt durch die Stellungnahme eines Referenten zur Frage der Ehescheidung. WeT, wie es Pius XII. ausdrückte, sein Augenmerk nur den Sturzwellen des Hedonis-mus, welche die Welt unaufhörlich überspülen, zuwendet, der muß folgerichtig den Bestand der Ehe von der Intensität des Genusses, den sie verschafft, abhängig machen. Wenn sich also, mit anderen Worten, zwischen den Ehegatten einmal eine stärkere Verstimmung breitmacht, dann wäre dies auch bereits ein genügender Grund, damit der Staat die Ehescheidung zulassen soll, und eine Forderung des Anwaltstags ging tatsächlich dahin, die Scheidung der Ehe dem Bande nach noch weiter zu erleichtern, als dies nach dem staatlichen Ehegesetz bereits heute der Fall ist.

Damit kehren wir zum Ausgangspunkt der ersten Frage zurück. Die Ehe ist ihrem Wesen nach mehr als ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag, dem der Staat die bindende Wirkung durch die Erlaubnis erleichterter Auflösbarkeit ohnehin weitgehend genommen hat. Die Eheschließung leitet die Familienbildung ein und ist damit die Vorstufe für die unterste Gemeinschaft jedes Staatswesens, der wesentliche Bedeutung zukommt, wie das vom Subsidiarkätsprinzip der katholischen Soziallehre erhellt wird. Der Gesetzgeber ist also schlecht beraten, wenn er die Ehescheidung allzu sehr erleichtert. Zweifellos bedürfen die guten Ehen nicht einer strengen Ehegesetzgebung. Aber für die Wankelmütigen und Leute, die immer nur an sich denken, ist sie eine Mahnung, der Ehe jenen Ernst, jenen Opfermut und jenes Verantwortungsgefühl entgegenzubringen, das ein gläubiger Christ ihr schon deshalb nicht verweigert — ohne etwa erst an die Gefährdung der Kinder durch eine leichthin genommene Ehe erinnert werden zu müssen —, weil er vom sakramentalen Charakter der Ehe durchdrungen ist.

Gerade dieses letzterwähnte Bewußtsein drängt den Katholiken zur zweiten Frage, die eingangs erwähnt wurde. Hat der Staat den sakramentalen Charakter der Katholikenehe für ien Bereich seiner Gesetzgebung zu beachten oder nicht?

Die derzeitige Rechtslage wird bekanntlich durch das sogenannte System ier obligatorischen Ziviltrauung gekennzeichnet, das heißt, eine Ehe kann in einer für den Staat gültigen Weise nur vor dem staatlichen Standesamt geschlossen werden. Die kirchliche Trauung ist reine Privatsache, mag auch deren Vornahme vor der staatlichen Trauung heute nicht mehr strafbar sein. Im Gegensatz zum kanonischen Recht ist jede Ehe durch die staatlichen Gerichte dem Bande nach trennbar, das ist die sogenannte „Scheidung“ (im Gegensatz zur Scheidung von Tisch und Bett des kirchlichen Rechts, wodurch das Eheband nicht aufgelöst wird). Das im Jahre 1.938 für Österreich und Deutschland ergangene Ehegesetz änderte damit die bis dahin bestandene Rechtslage in einschneidender Weise.

Bei Wiedererstehen der Republik im fahre 1945 wäre zwar zu überlegen gewesen, ob nicht auch das von Hitler beschlossene Ehegesetz wegen des Aufbaues nach völlig anderen Gesichtspunkten dem „Rechtsempfinden des österreichischen Volkes“ widerspricht und die Regierung daher gemäß dem Rechtsüberleitungsgesetz, StGB1.6/l945, verpflichtet gewesen wäre, mittels Kundmachung die Aufhebung des reichsdeutschen Ehegesetzes festzustellen. Diese Frage kann aber mit allen innenpolitischen Belastungen auf sich beruhen, seitdem geklärt ist, daß das Konkordat vom 5. Juli 1933 zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl, BGBl. 2/1934, II. Teil, die wiedererstandene Republik weiterhin bindet.

Die Auswirkung der Konkordatsgeltung für das bestehende staatliche Eherecht ist bisher nicht entsprechend gewürdigt worden. Die Überlegungen drängen sich jedoch auf. Ist ,das Konkordat als ein gültiger völkerrechtlicher Vertrag anzusehen, dann ist der Bestand unseres gegenwärtigen Eherechts der einseitige Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages. Im Konkordat ist nämlich eine eindeutige Regelung der Katholikenehe vereinbart worden (Art. VII). Man mag die Anwendung dieser Bestimmung wegen allfälliger innenpolitischer Zwistig-keiten hintanhalten und Retuschen dieses Artikels durch Unterhandlungen auf diplomatischer Ebene zu erreichen trachten. Unabhängig vom Ausgang derartiger Bemühungen ist jedoch schon jetzt auf innerstaatlichem Weg, und zwar vor allen anderen Änderungen des Eherechts, eine Regelung erforderlich, die der Kirche vorläufig wenigstens ein Mitwirkungsrecht in Ehesachen sichert. Dieser Anspruch ergibt sich nämlich ohne Bedachtnahme auf den schon zitierten Artikel über die Katholikenehe bereits aus dem Art. I, 1 und 2 des Konkordats, durch den die Republik die Zuständigkeit der Kirche bei der Sakramentenverwaltung anerkennt, womit, selbst bei vorsichtiger Interpretation, Österreich zumindest zu erkennen gegeben hat, daß es in der Ehe nicht ausschließlich einen bürgerlich-rechtlichen Vertrag, sondern auch ein Sakrament sieht. Dem österreichischen Gesetzgeber steht es in keinem Falle mehr zu, die Ehe als abgeschlossenes Ganzes zu regeln.

Der erste Schritt Österreichs als eines zu den Grundsätzen des Rechtsstaates und der internationalen Vertragserfüllung stehenden Staatswesens wäre auf dem Gebiete des Eherecrfts wohl die Einführung der fakultativen Zivilehe. Der Standesbeamte müßte den Seelsorger zur Vornahme einer staatlich gültigen Trauung ermächtigen dürfen. Eine Scheidung von Ehegatten, die bei Eheabschluß katholisch waren, sollte weiter von den staatlichen Gerichten nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn vom zuständigen Seelsorger ein Zeugnis vorgelegt wird, daß mit den Eheleuten erfolglos die Frage einer Aufrechterhaltung der Ehe oder einer bloßen Scheidung von Tisch und Bett besprochen wurde. Dem neu gewählten Nationalrat sind damit große und vordringliche Aufgaben gestellt, denen er sich nicht entziehen sollte.

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