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MSGR. OESTERREICHER / ERFÜLLUNG UND BRÜCKENSCHLAG

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Als der noch nicht einmal vierzigjährige katholische Priester Johannes Oesterreicher im November 1940 als Emigrant in den USA eintraf, konnte er, der damals noch kein Monsignore war und nicht die amerikanischen Vornamen John M. führte, wohl auf einige Gravamina hinweisen, die ihm ein Leben in dem von Hitler beherrschten Europa unmöglich machten. Er war nicht nur katholischer Priester und noch dazu einer, der sich in den Jahren des österreichischen Todeskampfes vor 1938 als besonders klarer und konsequenter Gegner des Nazismus erwiesen hatte, sondern er war zudem im Sinne der die Taufe nicht anerkennenden Rassengesetze Jude. (Der 1904 zu Liebau in Mähren Geborene war 1924 während seines Medizinstudiums in Österreich katholisch geworden.) Neben diesen Belastungen für ein Dasein in der Alten Welt konnte er wenige Pluspunkte für eine Existenz in der Neuen aufweisen. Das Wertvollste, das er besaß, war ein persönliches Empfehlungsschreiben des Kardinalstaatssekretärs Pacelli. Man wußte die abgewogenen Worte, mit denen der sonst beim Loben eher sparsame Kirchendiplomat den jungen Priester charakterisierte, in Amerika zu schätzen. Von einer großen Leistung war in diesem und in einigen anderen Empfehlungsschreiben besonders die Rede: Vom „Opus Sancti Pauli“, seiner Gründung in Wien, die sich mit der geistlichen Beheimatung jener befaßte, die, wie einst Paulus, den unmittelbaren Gnadenweg von der Synagoge zur Begegnung mit dem Auferstandenen geführt worden waren. Natürlich hatte der Nazismus dieses Werk sofort vernichtet. (Nur die Grundmauern waren im geheimen und in der Verfolgungszeit stehengeblieben.) Ohne Englisch zu können, stellte sich der Priester — über Nacht vom Pater zum Father geworden — der Seelsorge zur Verfügung. Schneller als erwartet meisterte er sogar das Predigtamt. Nach seinem Seßhaftwerden nahm er nicht nur seine karitative Tätigkeit auf, die ihn besonders in der Nachkriegszeit, als er durch eine eigene Organisation „von Mensch zu Mensch“ Ungezählten, besonders im besiegten Deutschland und Österreich, mit Spenden vieler amerikanischer Wohltäter half, in Besitz nahm. Sein eigentliches Lebensanliegen, jener Auftrag, von dem er glaubt, daß aus besonderen Gründen gerade er ihn im Reiche Gottes erfüllen muß, wurde wieder zum bestimmenden: Die Sorge um die christlichjüdische Verständigung, die für ihn den einzig adäquaten theologischen Namen trägt: Brücke vom Alten zum Neuen Bund desselben Gottes. Als es ihm nach sehr zähen Mühen und unter Beihilfe alter und neuer Freunde, zu denen der amerikanische Universitätspräsident P. Dougherty ebenso gehört wie der Abt des Dormitio-Klosters im Heiligen Land, Dr. Rudioff, gelang, am Festtag Maria Verkündigung 1953 das „Institute of Judaeo-Christian Studies“ an der Seton Hall University Newark zu eröffnen, war er sich selbst wohl gleichgeblieben, sein ursprüngliches Konzept aber war in den harten Jahren gereift. Hatte der junge Priester seine einst in Wien erschienene Zweimonatsschrift in eschatologischem Feuereifer bereits „Die Erfüllung“ genannt und, getreu dem Herrenauftrag, dem „Himmelreich Gewalt antun“ wollen, so nannte der lebensreife Professor, dem über Vorschlag Kardinal Königs, seines Wiener Diözesanbischofs, der Titel eines Monsignore verliehen wurde, das die Arbeit des Instituts dokumentierende Jahrbuch „Die Brücke“. Dieses Jahrbuch, dessen einzelne Beiträge die Frucht und zugleich der Ausgangspunkt der Institutsarbeit sind, hat sich zur Aufgabe gestellt, die grundlegende Einheit des Alten und Neuen Testaments, die ununterbrochene Heilsökonomie aufzuzeigen: die Wunder des Alten im Lichte des Neuen und die Herrlichkeit des Neuen im Lichte des Alten. Diese Aufgabe ist so groß und breit, daß sie von einer einzelnen Disziplin, von einer einzigen Fakultät nicht bewältigt werden kann. Wenn auch der Theologe das letzte Wort in dieser Frage hat: Er wird es nicht sprechen, ohne das Zeugnis des Philologen, des Historikers, des Literaten, des Philosophen, des Soziologen aufmerksam und auf-nahmsbereit gehört zu haben. Eben dies soll am Institut dieses österreichischen Amerikaners, der alles andere als ein unangenehm amerikanisierter Österreicher geworden ist, Tag für Tag geschehen. Viefe natürliche Anlagen befähigen ihn für diese große und nur im harmonischen Zusammentreffen mehrerer Begabungen: der des Seelsorgers, des Forschers, 'des Diplomaten und ein klein wenig der des Agitators und Missionärs, zu meisternde Aufgabe. Die drei dicken Bände seines Jahrbuchs — angefüllt mit Beiträgen von amerikanischen und europäischen Autoren — stehen für den bald Sechzigjährigen erst am Beginn einer langen Reihe von anderen Arbeiten, die noch folgen sollen...

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