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Müde „Dammhirsche“

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Das Dilemma, das die burgenländi-sche ÖVP seit geraumer Zeit — eigentlich schon seilt der Wahlniederlage im März 1968 — befallen hat, dauert weiterhin an. So hat es ganz den Anschein, als ob die „Übertritts“-Formalitäten des ÖVP-Landespartei-obmannes Soronics von der Bundesauf die Landesebene sich so lange hinziehen werden — wie etwa das Nachfolge-Gleißner-Spiel isa Oberösterreich —, bis sich der positive News-Effekt gänzlich verlaufen hat. Man weiß wicht, ob man weinten oder lachen soll, ganz sicher alber ist, daß es in dieser Frage schon fünf vor zwölf ist.

Wenn man Gerüchten Glauben schenken darf, ist man derzeit wenigstens beim burgenländi sehen Arbeiter- und Angestelltenbund — deren Landesobmann ebenfalls Soronics ist — bereit, ihm Intern die Prügel aus dem Weg zu räumen: soll heißen, daß man die Fronten abgesteckt hat und daß den ÖAABler Franz Soronics dien ÖAABler und langjährigen Eisensitäditer Bürgermeister Hans Tinhof als Landesrat „beerbt“.

Diesem ersten Schritt, so notwendig er auch ist, um die Installierung Sorondcs' aus Landesregierungsmit-glied zu ermöglichen, muß aber — endlich! — ein Schmübt-des Bauern-buodes folgen, seinen Mann, Landes-hauptmannstellveritreter Reinihold Polster, abzuziehen], om „El Zorro“ (wie er in Freundeskreisen scherzhaft tituliert wird) zum Spitzenmann der VP zu machen. Und an diesem Revirement, das die Nachfolge Polsters durch den AgrairpolMker Wiesler zur weiteren Folge haben sollte oder müßte, knackt man innerhalb der ÖVP in der Bisenstädter Rochus-straße schon geraume Zeit. Abgesehen von diesen Personalien, die die Burgenland-SoziaiKsten in immer wiederkehrenden Abständen genüßlich zu süffisanten Bemerkungen hinreißen läßt, liegt es auch am sachlichen Bereich in vielem im argen. So dürfte die vor kurzem erfolgte Beschlußfassung über die Strukturbereinigung in den burgen-ländischen Gemeinden von Seiten der ÖVP nicht auf ihre volle politische Auswirkung untersucht worden sein. Auch für politische Naivlinge dürfte es nämlich klar sein, daß Zusammenlegung von Gemeinden in eiTiem noch immer vorwiegend agrarisch strukturierten Land wie Burgenland zu Lasten eben der die bäuerlichen Interessen vertretenden Partei gehen kann. Wobei nicht einzusehen ist, daß nicht das unter ÖVP-Flagge segelnde Gemeindereferat der burgenländischen Landesregierung (Landesrat DDr. Rudolf Grohotolsky) die nötigen Bremsen angezogen hat So wird das Burgenland — was ungeachtet der möglichen politischen Gefahrenmomente durchaus positiv zu bewerten ist — mit Beginn des nächsten Jahres nur noch drei Gemeinden haben, die weniger als 1000 Einwohner aufweisen, während es bisher 230 der insgesamt 319 Gemeinden des Burgenlandes waren.

Noch übler aber ist die Lethargie der ÖVP in der Frage der Schnellstraße nach Oberwart. Dabei gäbe gerade diese Angelegenheit, nämlich die Nichteinhaltung eines ehrenwörtlich gegebenen Vensprechens nach Verlängerung der Schnellstraße Wien— Eisenstadt über die Bezirke Matters-burg, Oberpullendorf und Oberwart mit Anschluß an die Südautobahn, einiges her. Immerhin gab es im letzten Lamdtagswahlkampf einen von der SPÖ imibnenten .Aufstand“ wegen der „Bumgenland-Autobahn“. Bauteniminiister Kotzina avancierte damals innerhalb kürzester Zeit zum bestgehaßten Mann Buingenüanidis; es hagelte Protest, und es gab viel Wirbel im Parlament durch burgen-ländiische Nait ionalratsabgeordnete. Was blieb, ist wenig mehr als ein Lmsengericht. Und das sollte die ÖVP des Landes denn doch dem SPÖ-Larwieshauptmaran Kery sagen. Warum nicht etwa in Form einer einberufenen Landtagssitzung, in Form von Protestresolutionen an den nunmehrigen Bautenminister?

Leitungssorgen Oder ein anderes Beispiel: die Straße quer über den Neusiiedlersee. Was fiel der SPÖ seinerzeit an Schimpfwörtern nicht alles ein: Der mildeste Ausdruck war der, daß man die ÖVP-Funktionäre als „Dammhirsche“ bezeichnete. Haute preist sich Theodor Kery gleichsam als der Erfinder dieser Seeverbimduing. Auch hier wäre die ÖVP gut beraten, wenn sie die Dinge der Öffentlichkeit in ihrer richtigen Dimension präsentieren würde.

Womit wir wieder einmal am Ausgangspunkt der Betrachtungen über die bungenländLSche ÖVP angelangt wären, die sich aber durchaus auch auf Organisationen anderer Bundesländer ausdehnen ließen: Gemeint ist die Frage der Parteizeifcung. Der kurze Aufschwung, den das Landesparteiorgan nach der Umstellung vom „Burgenläraddschein Volksblatt“ zur kleineren „bvz“ genommen hat, ist längst vorüber, der alte Trott ist wieder eingekehrt und der Chefredakteur gefeuert. Ein Dreier-Direkrtonium hat die Agenden der Chefredaktion übernommen. Ob dies der richtige Weg dafür ist, um aus der Krise zu kommen, in der diese Partei seit mehr als zwei Jahren steckt, bleibt mehr als anzuzweifeln.

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