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Nach dem schmerzlichen Ereignis

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Die sterbliche Hülle des verewigten Kardinals und Erzbischofs von Wien, Dr. Theodor Innitzers, wurde am Dienstag im Konsistorial-saal des Erzbischöflichen Palais aufgebahrt. Das Volk von Wien hat Gelegenheit, bis Donnerstag jeden Tag von 10 bis 20 Uhr von seinem Oberhirten Abschied zu nehmen. Der Zugang ist von Stephansplatz 7, der Abgang Rotenturm-straße 2. Am Freitag um 9 Uhr beginnen die eigentlichen Begräbnisfeierlichkeiten. Der Trauerzug wird seinen Weg vom Erzbischöflichen Palais über Rotenturmstraße, Hohen Markt, Tuchlauben, Graben auf den Stephansplatz und rund um den Dom nehmen und dann in den Dom einziehen. Nach einem feierlichen Pontifikalrequiem mit fünf Absolutionen wird der verewigte Kardinal in der Gruft der Wiener Erzdiözese unter dem Hochaltar von St. Stephan beigesetzt. An den Begräbnisfeierlichkeiten werden sämtliche österreichischen Bischöfe sowie die Vertreter des Staates und der öffentlichen Körperschaften teilnehmen. Samstag, den 15., und Montag, den 17. Oktober 1955, jeweils um 8 Uhr, wird im Dom von St. Stephan ein feierliches Requiem gehalten. Priester und Gläubige mögen in Dankbarkeit ihres heimgegangenen Oberhirten in Gebet und Opfer eingedenk bleiben. Im Sinne des Verstorbenen wird gebeten, von Kranzspenden abzusehen und dafür ein Opfer für die Caritas zu geben.

Vom Staatssekretariat Sr. Heiligkeit Papst Pius“ XII. ist eine Beileidsdepesche folgenden Inhaltes eingetroffen:

„Der Heilige Vater, der mit tiefem Schmerz die Nachricht vom Tod des hochwürdigsten Herrn Kardinals Innitzer empfangen hat, richtet für die Seele des heimgegangenen Wiener Oberhirten innige Fürbittgebete zu Gott und erteilt der ganzen Erzdiözese zum Trost seinen besonderen Apostolischen Segen.“ Bundespräsident Dr. Körner begab sich

Montag vormittag in das Erzbischöfliche Palais, um Erzbischof Dr. J a c h y m, der nun als Kapitelvikar die Regierung der Erzdiözese führt, mit warmen Worten persönlich seine Anteilnahme an dem schweren Verlust auszudrücken, der die Kirche und das gläubige Volk von Wien mit dem Verlust ihres Oberhirten, Kardinal-Erzbischof Dr. Innitzers, getroffen hat.

Im Auftrag des am Montag von Wien abwesenden Bundeskanzlers Ing. Raab sprach Sektionschef Dr. Chaloupka bei Erzbischof Dr. Jachym vor. Der Bundeskanzler selbst sprach am Dienstag Erzbischof Jachym sein Beileid aus.

Bis Montag mittag hatten im Erzbischöflichen Palais ferner Vizekanzler; Dr. Schärf, Außenminister Ing. F i g 1, der niederländische Gesandte Starbusman, der dänische Geschäftsträger Broch und der argentinische Geschäftsträger Dhago vorgesprochen. Kondolenzschreiben waren bis dahin eingelangt vom Präsidenten des österreichischen Nationalrates Dr. H u r d e s, von Innenminister H e 1 m e r und von Finanzminister Dr. Kamit z. In Telegrammen hatten bis Montag mittag ihre Anteilnahme ausgesprochen: sämtliche österreichischen Bischöfe und Prälat Weinbacher von der Anima, die Kardinäle Frings (Köln), Wendel (München), F e 11 i n (Paris) und L i e n a r t (Lille), Minister a. D. Dr. Kolb, Landeshauptmann K r a i n e r, der österreichische Gesandte beim Vatikan Kripp, Erzherzog Hubert, Fürst Karl Loewenstein, der Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken, Generaldirektor Meyer-Gunthof, Polizeivizepräsident Dr. H ü 111, OeVP-Generalsekretär S c h e i d 1, Vertreter der Geistlichkeit und der Ministerien, verschiedener Landsmannschaften, der serbisch-griechisch-oriehtalischen Kirchengemeinde und die NCWC-Vertretung in Oesterreich. Darüber hinaus trafen ungezählte Beileidskundgebungen aus allen Kreisen des Volkes ein. Gleichfalls kondolierten die Vertreter der in Wien akkreditierten diplomatischen Missionen.

Nach dem karionischen Recht sind mit dem Tod des regierenden Bischofs die Funktionen des Koadjutors und des Generalvikars erloschen. Die Regierung der Diözese geht auf das

Diözesankapitel über, das den Kapitelvikar zu wählen hat. Dieser Kapitelvikar führt die Regierung der Diözese bis zum Amtsantritt des neubestellten Bischofs. Am Sonntag um 8 Uhr früh trat das Domkapitel von St. Stephan im

Kapitelsaal des Erzbischöflichen Palais zusammen, um den neuen Kapitelvikar zu wählen. Gewählt wurde der bisherige Koadjutor Erzbischof Dr. Jachym.

Erzbischof Dr. Jachym, der zum Kapitelvikar gewählt wurde, ist in Wien am 3. September 1910 geboren. Er verlor frühzeitig seine Eltern, wurde im Vizentinum in Wien-Fünfhaus erzogen und besuchte anschließend das Gymnasium in Meidling und Hollabrunn. Nach der Matura trat er in das Wiener Priesterseminar ein und wurde am 19. Juli 1936 in Wien zum Priester geweiht. Bis 30. September 1937 war er Kaplan in Purkeisdorf, dann berief ihn Kardinal Innitzer zu seinem Zeremoniär. Erzbischof Jachym hat diese Funktion in der schwersten Zeit, von 1937 bis 31. Juni 1945, ausgeübt. Inzwischen war er am 3. September 1941 an der Wiener Universität zum Doktor der Theologie promoviert worden. Seit August 1945 bereitete er sich auf das Lehramt vor, wurde 1947 zum Privatdozent und am 23. März 1949 zum außerordentlichen Professor für Moraltheologie an der Universität Wien ernannt. Am 20. Jänner 1950 ernannte ihn Papst Pius XII. zum Titularerzbischof von Maronea und Koadjutor von Kardinal-Erz-bischof Dr. Innitzer. Erzbischof Dr. Jachym wurde sodann am 19. Mai 1950 in der Kirche S. Maria Dell'Anima in Rom zum Bischof konsekriert.

Die Auswahl der Erzbischöfe und Bischöfe steht nach österreichischem Konkordat, das sich hierin an das kanonische Recht hält, dem Heiligen Stuhle zu. Bei Erledigung eines erzbischöflichen oder bischöflichen Sitzes legen die einzelnen österreichischen Diözesanbischöfe innerhalb eines Monats eine Liste von geeigneten Persönlichkeiten dem Heiligen Stuhle vor, ohne daß dieser an die Liste gebunden ist. Bevor an die Ernennung eines residierenden Erzbischofs oder Bischofs geschritten' wird, teilt der Heilige Stuhl den Namen des in Aussicht' Genommenen oder des Erwählten der österreichischen Bundesregierung mit, um zu erfahren, ob sie Gründe allgemein politischer Natur gegen die Ernennung geltend zu machen hat. Das bezüg- liehe Verfahren ist streng vertraulieh, so daß bis zur Ernennung die gewählte Person geheimgehalten wird. Wenn vom Zeitpunkt der erwähnten Mitteilung an 15 Tage ohne Erteilung einer Antwort verfließen, wird das Stillschweigen in dem Sinne ausgelegt, daß die Regierung kein Bedenken zu erheben hat und der Heilige Stuhl die Ernennung ohne weiteres veröffentlichen kann.

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