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Nach der dritten Runde in Indonesien

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Ein Jahr liegt zwischen der zweiten und dritten Runde in Indonesien. Ein Jahr, ausgefüllt von hartnäckigen Verhandlungen zwischen den drei beteiligten Gruppen: der Niederländer, der indonesischen Republikaner und der indonesischen Föderalisten. Weihnachten

1948 brachte den raschen Sieg der niederländischen Kolonialarmee über die ungeordneten, aber grausam kämpfenden Haufen der TNI (das ist die indonesischrepublikanische Armee). Weihnachten

1949 erlebten die Niederländer bereits ohne ihre koloniale Perle, Nederlands Indie'; an Stelle ihres wertvollsten Kolonialgebiets waren die Vereinigten Staaten von Indonesien (V. St. v. I.) getreten, deren erster Präsident, Dr. I. R. Soekarno, am 19. Dezember 1949 den Eid auf die neue Verfassung der „Vereenigde Staten van Indonesie“ geleistet hatte.

Was lag vor diesem Ereignis, und warum sprechen wir in der indonesischen Frage von drei Runden? Dies wird nach einem kurzen Rückblick voll verständlich und zeigt die bisher von allen anderen Staaten nicht erkannte Tragödie und Gefahr der neuen Lösung der indonesischen Frage, die jahrelang die UNO beschäftigte. Europa hat hier, neben China, seine größte Niederlage in Asien erlitten. Dies zu beschönigen, wäre leichtsinnig. Nederlands Indie, die Perle des alten niederländischen Kolonialreichs, umfaßte 1,904.346 Quadratkilometer mit über 70 Millionen Bewohnern, deren Mehrzahl (63 Millionen) mongolide Malaien, zum größten Teil dem Islam als Religion huldigen. Daneben zählt Indonesien Chinesen, Inder und Araber; religiöse Minderheiten sind die drei Millionen Christen, zwei Millionen Buddhisten und Hin-duisten sowie Gruppen primitiver Religionen. Die Stütze der niederländischen Herrschaft bildeten die malaiischen Christen. Obwohl 1906 die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde, blieb sie praktisch nur auf die christliche Bevölkerung und die höheren Klassen der Moslems beschränkt.

Wo liegen nun die Wurzeln der heutigen politischen Lage? Im März 1942 eroberten die Japaner das ganze Gebiet und nahmen es in ihre Verwaltung. Unter ihrer Herrschaft (die holländische Bevölkerung wanderte in KZ-Lager) entwickelten sich vier politische Richtungen in allen Kreisen der Bevölkerung: der Panislamismus, der Panasiatismus der mongolischen Rasse, der Nationalismus indonesischer Prägung und der Kommunismus. Die ersten drei Richtungen fanden sich auf gemeinsamer Basis und wurden von den Japanern weitgehend unterstützt. Die vierte lebte im Untergrund, sickerte jedoch allmählich in die anderen Richtungen ein. Eine Feststellung von größter Tragweite ist, daß überall, wo Japan herrschte, später der K o m m u n i s m u s ' d i e siegreiche Bewegung wurde, der sich überall in Asien der nationalrassischen Programmatik bediente (man vergleiche Burma, Malaia, Viet-Nam, China und Korea). Diese bedenkliche politische Erscheinung ist eine Folge einer der vielen Fehler der angelsächsischen Politik im Fernen Osten, getragen von den USA, Großbritannien und Australien. Auch in Indonesien war diese Entwicklung zu beobachten. Mit der Kapitulation Japans besetzten englische, australische und amerikanische Truppen Indonesien und übergaben der 1945 (17. August 1945) entstandenen halbkommunistischen republikanischen Regierung Indonesiens die Macht in Java und Sumatra. Dann erinnerte man sich erst an die alten Herren des Landes, die in den japanischen KZ-Lagern saßen, und „lud“ die Niederländer „ein“, ihre Kolonie wieder in Besitz zu nehmen, obwohl sich in dieser bereits neue Herren eingerichtet hatten.

In drei Etappen (1945, 1947 und 1948) eroberten nunmehr die Niederländer Indonesien. Durch vier Jahre war das Land durch eine Stacheldrahtlinie, die „Status quo lijn“, in zwei feindliche Teile gespalten. Dieses Abkommen sowie die von Renville und Lingadjati bildeten die Grundlage für die Errichtung der Vereinigten Staaten von Indonesien, wobei die Holländer unter Leitung ihres großen Indonesienfachmannes Dr. Hubertus van Mook, selbst Halbmalaie, auf den von ihnen kontrollierten Teil die Union von Indonesien zu verwirklichen begannen. So entstanden mit Hilfe der Föderalisten die Bundesstaaten Westjava, Ostsumatra, Ostindonesien (20. Dezember 1947, 20. Dezember 1947, 19. Jänner 1948). Ani 3. Jänner 1948 beschlossen die Vertreter der unter holländischer Kontrolle stehenden Staaten Westjava, Ostsumatra, Borneo und Ostindonesien die Gründung der Vereinigten Staaten von Indonesien. Später, nach der Eroberung ganz Indonesiens, kamen die Staaten Mittelostjava und Westsumatra, die ja vorher die Republik bildeten, hinzu. Die UNO ihrerseits schuf den „Gute-Dienste-Ausschuß“, der unter amerikanischer und australischer Führung (andere Mitglieder waren England, Belgien und Frankreich) sich stets gegen die Niederländer wandten. Am 29. Oktober 1948 verabschiedeten die „Staten Generaal“ das Indonesien-Notgesetz und an Stelle van Mooks trat als „Höge Vertegen-woordiger van de Kroon“ Dr. L. J. Beel (Nachfolger seit 1949 A. H. J. Lovinks). Er war es, der am Samstag, den 19. Dezember 1948, um 17 Uhr, über Radio Ba-tavia verkündete, daß die niederländische Regierung nicht länger gewillt sei, die Provokationen und Vertragsbrüche (4000 Zwischenfälle bewaffneter Natur) der republikanischen Regierung Zu dulden und daß am selben Tag um 17 Uhr niederländische Truppen mit der Polizeiaktion gegen die Rebellen beginnen würden. Unter der Führung General Simor Spoors ( 25. Mai 1949) eroberten die Niederländer ganz Indonesien und verhafteten in Djokjakarta durch einen Fallschirmjägerhandstreich den Präsidenten Dr. Soekarno, Mp. Doktor Moh. Hatta und den Großteil der indonesischen Regierung. Die zweite Runde im Kampf um Indonesien wurde ein restloser Erfolg Hollands, jedoch erklärte die kommunistische Notregierung am 22. Februar 1949, Dr. Soekarno und Dr. Moh. Hatta, die seit 7. Jänner 1949 in Banka interniert waren, zu Verrätern. Es begannen neue Kämpfe, und im April 1949 kam es zu jener unglücklichen Wendung für Holland, als die USA am 1. April 1949 die Niederlande zum Nachgeben in der indonesischen Frage zwangen. Die Folgen dieses Schrittes, deren Exekutivorgan der von den Holländern höhnisch genannte „Gute-Verdienste-Ausschuß“ der UNO war, waren umwälzend genug, um den niederländischen Sieg in eine Niederlage zu verwandeln.

Ein neuer Waffenstillstand trat in Kraft, der Abzug der Holländer begann, und die Führer der Republikaner kehrten ehrenvoll nach Djokjakarta zurück. Ferner erließ Dr. Soekarno eine Amnestie für alle Kommunisten und eine sogenannte „Round - Table - Konferenz“ (23. August bis 23. September 1949) arbeitete eine indonesische Verfassung aus. In weiterer Folge wurde am 19. Dezember 1949 Dr. I. R. Soekarno als Präsident der Vereinigten Staaten von Indonesien vereidigt.

Europa hat in Südostasien seine größte Niederlage erlitten, und dies wird unzweifelhaft in absehbarer Zeit einen denkbar ungünstigen Einfluß auf die Lage in Burma, Malaia und Viet-Nain zur Folge haben. Dies zeigt schon ein deutlicher Zug nationalistischer Forderungen nach der Vereinigung aller malaiischen Gebiete, was in erster Linie die britischen Kolonien und Schutzgebiete Malaia, Sarawak, Brunei und Nord-borneo betrifft. Ebenso vernichtend ist der Schlag für die Niederlande, in die sich ein Strom von hunderttausenden Rückwanderern aus Indonesien ergießt, die den nun kleinen Staat auf das schwerste belasten, der außer seiner sehr hohen Bevölkerungszunahme nun alle Reichtumsquellen Indonesiens praktisch verloren hat — abgesehen von den Kapitalinvestitionen der Holländer in Indonesien, die gerade in letzter Zeit mit der Ausbeute neuer, größter Erdölfelder in Borneo begonnen hatten. Es erübrigt sich, den wirtschaftlichen Verlust der Niederlande näher anzuführen, wenn man bedenkt, daß Indonesien zu den reichsten und dichtbesiedelsten Ländern Asiens gehört.

Bereits wenige Tage nach der Ausrufung des neuen Staates begannen Kämpfe zwischen moslemitischen und kommunistischen Verbänden, so daß sich die berechtigte Frage erhebt, ob und wann Indonesien den Weg Chinas geht. Der neue Bundesstaat, der in der nächsten Zeit Mitglied der UNO werden wird, ist nur locker, viel lockerer, als dies bei der Indischen Union ist, mit der Krone des ehemaligen Mutterlandes verbunden. Ob diese „symbolische“ Verbindung mit der Krone des Hauses Oranje-Nassau in Einklang mit den kommunistischen Symbolen der TNI und der indonesischen Organsationen gebracht werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Das weiß man in Den Haag ebenso wie in Jakarta (wie sich die Indonesier beeilten, die Hauptstadt Batavia umzubenennen, um alles Holländische auszumerzen) und zwingt zu ernster Besinnung, denn Indonesien ist der südlichste Angelpunkt der sowjetischen Asienoffensive, an deren östlicher Flanke ein kommunistisches China und Korea, an deren westlicher Flanke eine sowjetisierte arabische Welt stehen soll. So wird, wenn wir einmal von einer vierten Runde sprechen müssen, dies die Ausrufung der indonesischen Volksrepublik sein.

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