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Nagelprobe des Glaubens

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Am 15. September wäre Alfred Delp 60 Jahre alt geworden. „Wenn ich sterben muß, weiß ich wenigstens warum. Wer weiß das schon heute von den vielen.“ Diesen Satz schrieb ein politischer Häftling des Naziregimes wenige Tage vor der Hinrichtung mit gefesselten Händen: Der Jesuitenpater Alfred Delp. Mit Helmuth Graf von Moltke und weiteren Angehörigen des Kreisauer Kreises wegen Hochverrats vom berüchtigten Volksgerichtshof angeklagt, gehörte Alfred Delp zv, jenen Menschen, deren Opfertod Mahnung für Uberlebende und Nachfolgende bleibt.

Als Gymnasiast konvertierte Alfred Delp in seiner Geburtsstadt Mannheim und schloß sich als Neunzehnjähriger dem Jesuitenorden an. Als Mitarbeiter der „Stimmen der Zeit“ ließen die ebenso kritischen wie kompromißlosen Aufsätze des jungen Katholiken damals aufhorchen. Der von Delp als „kranker Held“ gekennzeichnete Typ des Dichters und Militärs Lawrence, dessen Flucht in die Anonymität Delp als „heroische Gottlosigkeit?' erschien, war zugleich eine Warnung vor den Idolen des Dritten Reiches, die er in seinem gegen Heideggers Philosophie gerichteten Buch „Tragische Existenz“ wiederholte. Alfred Delp hat sich über den Sieg des Rosen keine Illusionen gemacht, für den er nicht zuletzt die Schwäche des Guten verantwortlich machte, eine

„unfruchtbar gewordene Güte“, eine zur Tradition erstarrte konservative Bequemlichkeit und eine christliche Haltung, die die „Bewährung des Lebens nicht in den Raum des Lebens hineinverlegt, sondern daneben.“ Dieser fröhliche junge Mensch, dessen große intellektuelle Begabung eine große Zukunft als Soziologe und Publizist erwarten ließ, empfand sich als ausgebürgert und zum Bekenntnis aufgerufen. 1943 erschien sein Buch „Der Mensch und die Geschichte“, in dem er auf die Gegenwart bezogen schrieb: „Dunkler als das Unglück färbt das Unheil, das Unrecht, die Gewalttat das Bild der Geschichte.“

Seit 1942 führte Alfred Delp Gespräche mit Helmuth Graf Moltke über die Situation nach dem Kriege und eine christliche Erneuerung Deutschlands. Obwohl Delp nicht zum Kreis der Verschwörer um Graf von Staufenberg zählte, gehörte er nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 zu den Inhaftierten. Alfred Delp stand stellvertretend für seine Kirche vor Gericht, deren Vernichtung nach dem Endsieg längst beschlossene Sache war. In einer Botschaft aus der Zelle hat Delp klar ausgedrückt, warum er angeklagt wurde: „Weil man an Deutschland glaubt über die kommende Nacht hinaus, weil man an die Kirche glaubt, weil man zu diesem Orden gehört, weil man aus der Not des Volkes und der Botschaft der Kirche

eine justitia socialis wachsen sah.“ Obwohl alle Belastungspunkte der Anklage zu Fall kamen, wurde Alfred Delp schließlich nach Monaten der Einzelhaft mit gefesselten Händen und dauernden Mißhandlungen zum Tode verurteilt. „Das war kein Gericht, sondern eine Orgie des Hasses“, schrieb er auf einem Kassiber an Freunde, die ihm halfen, soweit das möglich war. Die Sakramente wurden ihm in die Zelle geschmuggelt und noch vor Prozeßbeginn konnte er sein Gelübde ablegen, das wenige Tage vor der Verhaftung erfolgen sollte. Als am 23. Jänner 1945 Graf Moltke und neun weitere Verurteilte hingerichtet wurden, begann für Alfred Delp die härteste Woche seines Martyriums.

Am 2. Februar folgte er den Freunden vom Gefängnis in Tegel zur Hinrichtungsstätte in Plötzensee. In der Erinnerung des Gefängnispfarrers Buchholz war er ein Vorbild an Starkmut und Geduld. Obwohl kein Priester den Verurteilten beistehen konnte, gelang es Buchholz, Alfred Delp noch heimlich zu segnen. Alfred Delps Brief an sein Patenkind ist ein Vermächtnis an uns alle: „Ich möchte, daß Du verstehst, was ich gewollt habe, wenn wir uns nicht kennenlernen sollten in diesem Leben. Das war der Sinn, helfen, daß die Menschen nach Gottes Ordnung und Gottes Freiheit leben und Mensch sein können ...“

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