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Nationale Autonomie in Kärnten

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Klagenfurt, Mitte Februar

Die londoner Verhandlungen über die Zukunft des Kärntner Slowenentums schienen jüngst in den Raum der politischen Realität einzuschwenken. Das Problem der Herstellung einer nationalen Autonomie für das slowenische Volkstum ist diskussionsfähig, wenn man einer ernsthaften Lösung zustrebt. Nach der Volksabstimmung im Jahre 192 0, in der sich die große Mehrheit der Kärntner Slowenen für Österreich entschied, wurde seitens der Kärntner Landesregierung immer wieder versucht, ein Autonomiegesetz für die slowenisch sprechende Bevölkerung ' in Kärnten zu schaffen. Man stand einmal schon vor einer endgültigen Einigung. Es bedurfte nur mehr einer formellen letzten Sitzung zwischen Vertretern der Landesregierung und Vertretern der Slowenen, um den Schlußpunkt unter die bereits festgelegten Vereinbarungen zu setzen. Da erschien zu dieser Schlußbesprechung ein slowenischer Politiker — selbst kein Kärntner —, der vom Slawenkongreß aus Genf zurückgekommen war. Er griff in die Debatte ein und ih^n gelang es, die Unterzeichnung des Übereinkommens zu verhindern. Das Kulturautonomiegesetz konnte n\cht durchgeführt werden. Trotzdem £ab es eine ruhige Weiterentwicklung bis zum Jahre 1938.

Welches Unheil das Hitlerregime in Kärnten, besonders unter den Slowenen, angerichtet hat, ist bekannt, Hunderte slowenische Bauernfamilicn wurden trotz allem Widerspruch, der sich selbst aus den Reihen der Kärntner Nationalsozialisten erhob, von Haus und Hof vertrieben. Hitler wollte die Grenze gegen Jugoslawien mit „einwandfreien“ nationalsozialistisch gesinnten Deutschen, die zum guten Teil nicht einmal Kärntner waren, besiedeln.

Nach der Befreiung im Mai 1945 war es die erste Sorge der Kärntner Landesregierung und aller aufrechten Kärntner im Lande, das geschehene Unrecht gutzumachen und den nationalen Frieden im Lande wiederherzustellen. Und wiederum dachte man auf deutscher wie auf slowenischer Seite an ein Autonomiegesetz. Die Landesregierung bot den Slowenen kulturelle und wirtschaftliche Autonomie an. Man wollte einen Zustand schaffen, der den Slowenen ihr Volkstum und ihr nationales, kulturelles und wirtschaftliches Eigenleben garantiert, also: slowenische Schulen für die slowenischen Kinder, slowenische Genossenschaften, Sorge für nationaleigene, kulturelle Entwicklung der Slowenen.

Als man meinte, das Kulturautonomiegesetz | Werde das volle Einvernehmen mit den SJowenen herstellen, erhoben sich aus der Mitte der slowenischen Intellektuellen pessimistische Stimmen. Sie sprachen sich wohl für ein ungeteiltes Kärnten aus, doch genüge nicht eine kulturelle Autonomie, um den Bestand der Slowenen in Kärnten zu sichern, dazu bedürfe es einer territorialen Autonomie, etwa der Bildung einer slowenischen Bezirkshauptmannschaft in Kärnten. Die Schule müsse aber auch in diesem Falle zweisprachig, das heißt, slowenisch und deutsch, geführt werden. Diese plötzlich in die Verhandlung geworfene Forderung rief zunächst Verwirrung hervor. Die Slowenen gaben! zur Begründung ihres Begehrens zu bedenken: eine kulturelle Autonomie erfordere von den Bewohnern des in Frage kommenden Gebietes das freiwillige Bekenntnis zum einen oder zum anderen Volksstamm. Da aber in Kärnten zum wirtschaftlichen Fortkommen die Beherrschung der deutschen Sprache sich als notwendig erweise, seien unter diesem Einflüsse von Sprache und Wirtschaf: die Bekenntnis-slowehen in den letzten Jahrzehnten an Zahl stark zurückgegangen. Viele Bewohner des gemischtsprachigen Gebietes, die rein slowenischer Abstammung seien, bekennen sich bereits als Deutsche und es lasse sich ausrechnen, daß in wenigen Jahrzehnten keine Slowenen mehr in Kärnten zu finden sein würden. Die Gebietsautonomie aber vermöge das slowenische Volkstum besser zu schützen, wenn auch nicht restlos. Die territoriale Autonomie würde im gemischtsprachigen Gebiet eine nationale Grenzziehung innerhalb /Kärntens voraussetzen. Doch hier beginnt die große Schwierigkeit. Es gibt keine scharfgezogene Grenze zwischen Deutschen und Slowenen in Kärnten. Man kann das Gebiet südlich der Drau als vorzugsweise slowenisches Gebiet ansprechen, muß aber gleichzeitig die Tatsache feststellen, daß in den geschlossenen Städten, Märkten und Dörfern dieses Gebietes das deutsche Element vorherrscht. Aber auch nördlich der Drau sind einzelne Landstriche mit slowenisch sprechender Mehrheit besiedelt, umgeben von einer deutschen Nachbarschaft. Würde nun der Norden dieses Autonomiegebietes, etwa von der Sattnitzlinie und dem weiteren Verlauf gegen Osten von der Drau, begrenzt sein, so hätten wir südlich dieser Grenze noch geschlossene deutsche Siedlungen, ebenso auch nördlich dieser Grenze slowenische Siedlungen.

Ideal kann die Lösung der Kärntner Frage durch die Gebietsautonomie also nicht erfolgen. Es muß Mittel geben, um auf eine vollkommenere Weise das Lebensrecht des Kärntner Slowenentums zu schützen. E s soll hier gesagt werden, daß wir Kärntner es als unsere Ehrenpflicht betrachten müssen, alles zu tun, um den weiteren Fortbestand der Slowenen in Kärnten als nationale Einheit zu gewährleisten.

Das Wichtigste ist und bleibt unsere Karawankensüdgrenze, für die uns kein Opfer zu groß sein darf.

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