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Nationalfeiertag - klare Linie

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Das Tauziehen um den österreichischen Nationalfeiertag, besser um die gesetzliche Arbeitsruhe für diesen Tag, geht weiter. Das „Tauschekirchlichen - Feiertag - gegen-Nationalfeiertag-Spiel“ hat, seitdem die „Furche“ zuletzt dazu Stellung genommen hat (Nationalfeiertag — am Friedhof? Nr. 29/1966), nichts von seiner Tragikomik eingebüßt. Nur die Fronten haben sich verhärtet, und im Falle einer doch noch durchgedrückten Lösung für 1966 wird eine allgemeine Befriedigung schwieriger denn je zu erreichen sein.

Neuen Auftrieb haben die Spekulationen in der Vorwoche erfahren, als man etwas von Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und Vertretern der Kirche gehört haben wollte. Nur haben offizielle Gespräche nicht stattgefunden; auch wäre eine Lösung nur im Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl möglich, da die Frage der staatlich anerkannten kirchlichen Feiertage Konkordats- materie ist (!).

Unmittelbar nach diesen Gerüchten sollen jedenfalls die Mitglieder des ÖVP-Parlamentsklubs in seltener Einmütigkeit sich darüber geeinigt haben, jeden Feiertag, nur nicht den 1. November, opfern zu wollen. Sie schlagen vor, den Fronleichnamstag als gesetzlichen Feiertag aufzuheben und das Fronleichnamsfest auf den nächstfolgenden Sonntag zu verlegen. Daneben gibt es immer noch jene Stimmen, die meinen, der 8. Dezember sei im Volk am wenigsten verankert; man sollte daher diesen opfern, wenn er auch vor Jahren schwer erkämpft wurde. Also, wie gesagt, im wesentlichen nichts Neues. Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, daß hier ein ziemlich unwürdiges Feilschen im Gange ist, das selbst den jungen Sozialisten schon aufgefallen ist, die sich laut sozialistischem Zentralorgan überhaupt gegen einen Tauschhandel aussprachen.

Nun spricht bei jedem der in Frage stehenden Tauschtage etwa gleich viel für ihn wie gegen ihn. Der 1. November ist nicht nur in der christlichen Tradition unseres Landes sehr stark verankert. Er ist nach der Praxis der Prediger leider oft auch der einzige Tag, an dem den Gläubigen das Wesentliche der christlichen Lehre über Tod und Auferstehung gesagt wird.

Außerdem haben die Worte, die Dr. Skalnik vor zwei Monaten in seinem Artikel gebrauchte, inzwischen nicht ihre Gültigkeit verloren:

„An diesem alten christlichen Fest, das vor dem Totentag Allerseelen steht, pilgern jährlich viele Zehntausende Österreicher zu den Gräbern ihrer verstorbenen Angehöri-

gen. Was läge näher, als diese Fried- hofsbesuche dann mangels einer anderen Gelegenheit am 26. Oktober abzustatten. Das Bundesvolk am Nationalfeiertag auf den Friedhöfen? Nein: Diese Vorstellung ist doch zu makaber."

Dem Fronleichnamstag aber kommt ebenfalls die Verkündigung eines sehr wesentlichen Glaubensgeheimnisses zu, wenngleich über die Form der Feier des Fronleichnamsfestes (weiterhin Prozessionen durch leere Straßen?) sicher grundlegend neue Überlegungen getroffen werden müßten. Schließlich aber scheint man auch ein Marienfest nicht gern aufgeben zu wollen, insbesondere, da der 8. Dezember erst vor wenigen Jahren neu zurückgewonnen wurde, der 15. August aber völlig indiskutabel erscheint. Auch hätte die Wirtschaft vom 15. August in Anbetracht der Urlaubszeit wenig. Bei der letzten in den vergangenen Tagen kolportierten Lösung, nämlich Tausch 1. November gegen Nationalfeiertag, dafür Einführung eines Staats- beziehungsweise Nationaltrauertages am ersten Samstag im November, kann man sich des Eindrucks der Gequältheit dieses Vorschlags nur schwer erwehren, insbesondere da niemand einsehen wird, warum ein kirchlicher Feiertag, der dem Gedanken der Toten diente, abgeschafft werden soll, um ihn durch einen staatlichen Trauertag zu ersetzen. Warum aber muß die Frage, die nun so lange ungelöst liegengeblieben ist, noch heuer schnell erledigt werden?

Eines scheint jedenfalls festzustehen, die (sogenannte) Wirtschaft ist offenbar nicht gesonnen, noch einem zusätzlichen freien Tag zuzustimmen. Begründet wird das mit der gegenwärtigen Wirtschaftslage, aber auch mit dem Hinweis auf die Tatsache, daß Österreich in der Zahl der Feiertage an der Spitze der euy iischen Länder liege und man ir , : ? e Arrangements mit der LW G die hohe Zahl der Feiertage sowieso nicht halten könne. Wenn also die Wirtschaft schon nicht bereit ist, auf Dauer einen weiteren Feiertag zu billigen, so könnte sie doch wenigstens ihre Bereitschaft bekanntgeben, für die Übergangszeit, das heißt bis eine wirklich vernünftige und vor allem auch eine von der Mehrheit des Volkes akzeptierte Lösung gefunden ist, ein Opfer zu bringen. Ein Vorschlag für eine solche Übergangslösung geht nun dahin, jetzt nichts zu überstürzen, und für 1966 noch die gleiche Lösung zu wählen, die im Vorjahr gegolten hat, oder für den heurigen 26. Oktober einen halben Tag frei zu geben. Das könnte die Wirtschaft vielleicht verkraften, das wäre für sie auch die Möglichkeit, sich zwischen dem zu gewärtigenden Vorwurf des Starrsinns und einem Gesichtsverlust aus der Affäre zu ziehen. Schließlich sind die Schweizer doch auch ein sehr nationalbewußtes Volk, und dort ist es möglich, nach einem halben Arbeitstag noch einen würdigen Nationalfeiertag zu begehen. Welche Lösung immer aber für heuer gefunden wird, es muß auch diesmal schon versucht werden, die gesamte Bevölkerung in die Gestaltung des Nationalfeiertages einzubeziehen. Es darf kein Feiertag nur für Schüler werden, denn selbst die Lehrer sind teilweise — nämlich sofern sie nicht direkt mit der Gestaltung der Schulfeiern befaßt sind — bei den Feiern nicht anwesend. Bis zum nächsten Jahr könnt man in Ruhe über legen, welche Lösung für Österreich die günstigste ist.

Bisher haben sich allerdings an der Suche für eine solche Lösung nur „Experten“ beteiligt. Sollte man nicht noch einen anderen Weg wählen, der in einer Demokratie auch gar nicht so abwegig erscheinen könnte: den Weg einer Meinungsbefragung. Dafür bieten sich konkret zwei Wege an: entweder man beauftragt ein Meinungsforschungsinstitut, das einen repräsentativen Querschnitt der Meinung der österreichischen Bevölkerung feststellen könnte, oder man versucht den Weg über die Presse, indem Fragebögen zum Problem des Feiertagstausches eingeschaltet werden. Beide Wege könnten ein Bild der Meinung der Bevölkerung geben, jede dann zu fällende politische Entscheidung hätte eine reale Grundlage, die akzeptiert oder abgelehnt werden kann. Wertvoller Nebeneffekt wäre für die Kirche aber auch eine Untersuchung über die Verankerung der Kirchenfeste.

Noch eines aber wäre zu tun: Überlegungen anzustellen über die Gestaltung des neu zu gewinnenden Nationalfeiertages. Die weithin unbefriedigende Gestaltung der Schulfeiern dürfte sich ja herumgesprochen haben, und den Nationalfeiertag vielleicht mit dem Hintergedanken einzuführen, die Bevölkerung kommt sowieso zu keinen Feiern, weil sie den freien Tag genießen will, wäre schlicht gesagt — unverantwortlich. Überhaupt scheint die Frage der Gestaltung viel vordringlicher zu sein als die des Termins. Man kann nicht nach dem Motto Vorgehen, „Hauptsache, wir haben ihn, was dann geschieht, ist gleichgültig!“ Ein halber Nationalfeiertag heuer wäre eine harte Feuerprobe, denn an einem freien halben Tag mitten in der Woche würde die Bevölkerung sicher nach einem Angebot für die Mitfeier greifen und nicht aus der Stadt fliehen. So besehen wäre die Zwischenlösung der wichtigste Ansporn, aus dem bloß zusätzlichen oder getauschten freien Tag einen wirklichen Nationalfeiertag zu machen.

Wenn aber Überlegungen bezüglich der Gestaltung der Feiern angestellt werden, dann möge man auch endlich neue Wege gehen, sich auch von dem Gedanken der Anziehungskraft solcher Feiern leiten lassen. Wir wissen, daß ein Team am Werk ist, die große Jugendfeier in der Wiener Stadthalle am 26. Oktober vorzubereiten, ein Team, dem noch vor Beginn seiner Arbeit zahlreiche Knüppel vor die Beine geworfen wurden. Die Gefahr, der die „Arrangeure“ solcher Feiern unschwer erliegen könnten, ist evident: Allzu fatal nämlich wären Massenaufmärsche mit Fahnenwald und Sprechchören, weißen Hemden und Tücherschwenken, die Erinnerung an die Jahre 1934 bis 1938 drängt sich da wohl von selbst auf. Und die österreichische Jugend dahin zu bringen, am 26. Oktober mit echter Anteilnahme ein würdiges Fest zu begehen, dafür müßten wohl neue Formen gesucht werden.

Zusammenfassend könnte man also folgende Punkte für die weitere Vorgangsweise empfehlen:

• Keine überstürzten Experimente mit dem Nationalfeiertag für 1966.

• Für heuer soll die im Vorjahr angewendete Lösung, besser noch aber ein halber Feiertag, gewählt werden, der vielleicht auch als endgültige Lösung übernommen werden könnte.

• Sollte aber doch ein voller Feiertag als das günstigste erscheinen, so möge man keine überstürzte Entscheidung fällen, sondern im Einvernehmen mit der Bevölkerung einen solchen „Abtausch“ durchführen.

• Vordringliches Problem aber ist die Findung einer für das ganze Volk entsprechenden Fei exform des Nationalfeiertages.

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