6543201-1946_52_04.jpg
Digital In Arbeit

Naturrecht und Staat

Werbung
Werbung
Werbung

Anläßlich des diesjährigen Abschlusses der alljährlichen Bischofskonferenzen veröffentlicht im Namen des Episkopats der USA das Administrative Board der National Catholic Weifare Conference in Washington eine als „Feststellung“ bezeichnete grundsätzliche Erklärung uuter dem Titel: „Der Mensch und der Friede“.

Das Dokument, das der „Furche“ aus Washington zugeht, ist von zehn Bischöfen, an deren Spitze von den Kardinälen Samuel S t r i t c h von Chikago und Francis S p e 11-m a n, New York, unterzeidinet. Es stellt ein Aktenstück von historischer Bedeutsamkeit dar. Der Episkopat eines großen Staates, der im Krieg gestanden ist, erhebt hier seine Stimme zum Schutze der Menschenrechte inmitten eines Nachkriegszustandis, der die Härten des Krieges für viele Millionen Menschen fortsetzt. Eine Kundgebung von apostolischer Größe und Weltweite.

„Am Grund aller Probleme der Welt von heute“ — beginnt das Statement — „st das Problem Mensch. Wenn nicht jene, che heute die Verantwortung der Weltführerschaft tragen, in grundsätzlicher Übereinstimmung darüber sind, was Mensch bedeutet, gibt es keinen Ausweg aus der Verwirrung in den Konflikten, die heute den Weg zu einem wirklichen Frieden versperren.

Der Streit um Grenzen, nationale Sicherheit, Minderheitenschutz, Handelsfreiheit, freien Zugang zu den Rohstoffen, stufenweise Abrüstung und die Kontrolle der Atombombe, um so Wichtiges es sich dabei handelt, ist zweitrangig gegenüber der Notwendigkeit von Einigkeit, wo es sich um den Schutz des Menschen in dem Genuß seiner gottgegebenen Naturrechte handelt. Der Kampf der kleinen Nationen um ihre unbestreitbaren Rechte und das Kräftespiel der starken Nationen im Kampfe um die Macht würde ein erträgliches, wenn auch hartes Kompromiß zulassen, wenn nicht das Schicksal des Menschen selbst auf dem Spiele stünde. Um deutlicher zu sein: Es geht um die Frage, ob Staatsregierungen gewillt sind, das einzelne Individuum in der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Pflichten zu schützen oder zu' hindern, die ihm zustehen und den Vorrang haben vor irgendeiner Handlung des Staates.“ Die Kundgebung erinnert an die verfassungsrechtliche „Unabhängigkeitserklärung“ der USA, in der es heißt: „Wir halten folgende Wahrheiten für selbstverständlich: daß alle Menschen als gleiche geschaffen sind, daß sie durch ihren Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind, unter denen sich das Lebensrecht, Freiheit und das Streben nach Glück befinden. Achtung für die Rechte und Pflichten des Menschen als Individuum und als Glied der bürgerlichen und familiären Gesellschaft halten wir für ein jeder Regierung auferlegtes Gebot gegenüber ihren Bürgern. Der Staat hat einen gerechten Anspruch auf die Mitarbeit seiner Bürger an der gemeinsamen Wohlfahrt, aber nicht bis zu dem Grade, daß er Zwang anwenden, ihre persönlichen, politischen, sozialen und religiösen Rechte verletzen dürf e.“

Nach einer kurzen Darstellung des der Welt sich darbietenden Konflikts zwisdien Ost und West erinnert die Kundgebung daran, daß in der Charta der Vereinten Nationen die Signatarmächte sich verpflichtet haben, „zusammenzuarbeiten in der Aufrichtung und der Ermutigung des Respekts vor den Menschenrechten und den fundamentalen Freiheiten für alle, ohne Unterschied der Rasse, der Sprache und der Religio n.“ Man lasse die Nationen noch mehr für den Frieden tun und in feierlichen Verträgen überall den Menschen die Ausübung seiner angeborenen Redire sichern.

Die amerikanischen Bischöfe wenden sich dann nachdrücklich gegen che

und gegen ihre Verwendung als Arbeitssklaven zu Zwangsarbeit. „Sie sind Menschen und sollen als Menschen behandelt werde n.“ Eindringlich verlangen die Bischöfe ihre rasche Rückführung in ihre Heimat. „Es ist unwürdig für die Sieger, Ungerechtigkeit zu rächen durch Beugung des Menschenrechtes und durch angehäufte Beleidigungen der menschlichen Würde. Wie die Dinge jetzt stehen, könnte es geschehen, daß spätere Generationen die Sieger mit der Schuld von Unmenschlichkeiten belasten, die an Nazismus und Faschismus erinnern.“

Von vielen Millionen Menschen wird es als ein erlösendes Wort empfunden werden, was die Bischöfe der USA für che Heimatvertriebenen und „Displaced Per-sons“ sagen:

„Es hat sich etwas in Europa ereignet, das völlig neu ist in den Annalen der Geschichte. Durch Beschluß der Sieger wurden Millionen von Deutschen von ihren Heimen vertrieben und mittellos im Herzen von Deutschland angesiedelt. Hätte im Rate der Siegermächte eine rechte Einschätzung der menschlichen Würde geherrscht, so wären wenigstens Maßnahmen für eine menschliche Durchführung der Umsiedlung getroffen worden. Wir rühmen uns unserer Demokratie, aber unbewußt haben wir uns bei der Umsiedlung von der Herdentheorie einer herzlosen, totalitären, politischen Philosophie beeinflussen lassen.“ Für die Displaced Persons verlangt die Kundgebung, es sei von den Staaten ein Weg zu finden, um diesen Unglücklichen Ansiedlungsmöglich-k e i t e n in geeigneten Ländern zu bieten; es sei herzerfreuend, daß Präsident Truman sich öffentlich verpflichtet hat, vom Kongreß ein Gesetz für die Aufnahme einer ansehnlichen Zahl anzusprechen und durch diese Großherzigkeit andere Staaten anzuregen, dem Beispiel zu folgen.

Im Anschluß daran verlangen die Bischöfe eine Fortsetzung der Hilfsaktionen für die notleidenden Länder. Die mensdiliche Solidarität sowie die Brüderschaft in Christo fordere die Teilung der Güter mit Brüdern, die in Not sind. Aber die Bischöfe erinnern daran, daß Barmherzigkeit kein Ersatz für Gerechtigkeit ist. Das Andauern der Not ist hauptsächlich dem Umstände zuzuschreiben, daß die Staaten mit dem Abschluß der Friedensverträge so lange' zögern. Die Gerechtigkeit verlangt, daß ehestens ein Friede geschlossen wird, in dem alle Menschen als Menschen leben können.

„Für uns“, so schließt die Botschaft der Bischöfe, „ist es unmöglich, selbstzufrieden und tatenlos zu bleiben, während unsere Brüder in der menschlichen Familie unter Tyrannis stöhnen und an dem Redit der freien Ausübung ihrer Menschenrechte gehindert werden. In christlicher Solidarität, mit demütigem Herzen, bekennen wir unsere Sünden und die Sünden unseres Stammes und bitten inständig, durch die Verdienste Christi um gnädige Vergebung des Vaters im Himmel. Gedenkend der Verheißung des Erlösers beten wir für Erleuchtung und Kraft für jene, die in unserem Lande die sdiwere Verantwortung- auf sich genommen haben, Entschlüsse bei den Friedenskonferenzen zu treffen. Und in diesem Zusammenhang für alle, die an dem Frieden arbeiten.“

So endet dieser machtvolle Aufruf des amerikanischen Episkopates. In einer schwankenden Welt weist diese apostolische Kundgebung die Säulen, auf denen die Ordnung der Welt ruht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung