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Neue Rangordnung der Ausgaben

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Die Rangordnung der Verwaltungsausgaben (siehe Tabelle „Die Staatsausgaben“) erfuhr eine Änderung. An der Spitze stehen nach wie vor das Sozialressort und das Ministerium für Unterricht mit ihren ausgedehnten Wirkungs kreisen, die dritte Stelle aber beanspruchen heute nicht mehr die Bauten, sondern die Schuldendienste mit 3,3 Milliarden Schilling (+17,1 Prozent), wobei auf den Zinsendienst 1509,4 Millionen und die fällige Amortisation 1796,4 Millionen Schilling entfallen. Damit ist der Schuldendienst vom fünften auf den dritten Platz vorgerückt. Die Verschuldung an das Ausland ist — gemessen an der Situation anderer Staaten — relativ gering geblieben. Dagegen erfordern die seit 1947 im Inland aufgenommenen Kredite und Anleihen im nächsten Jahr einen Aufwand von 2,31 Milliarden Schilling (+ 15 Prozent). Unter 33 angeführten Posten beanspruchen den höchsten Betrag mit

587,6 Millionen Schilling die ominösen Bundesschatzscheine. Bei allen anderen wichtigen Verwaltungsausgaben erweisen sich die Erhöhungen als bescheiden; denn sie erreichen bei den Preisstützungen 1,3, der Landesverteidigung 3,2, den Bauten 6,6, dem Innenministerium 7,1 und den Pensionen 7,9 Prozent.

Die Kampagne gegen die Stützungen der Milch- und Brotpreise sowie der Futter- und Düngemittel ist natürlich verständlich, weil eine Reduktion in Etappen vom fiskalischen Standpunkt gewiß erwünscht ist. Die Konsequenzen aber, die sich aus allen Preiserhöhungen im Agrarsektor ergeben müßten, wären im Hinblick auf die Lohnstabilität sowie die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland gegenwärtig nicht nur bedenklich, sondern geradezu unheilvoll. Österreich ist, im Vergleich zu den westeuropäischen Staaten, noch immer das klassische Land der billigen Lebensmittel. Trotz der idealen „Theorie vom echten Preis“ sind außerdem Stützungen in allen Staaten üblich und könnten vielleicht allmählich vermindert, aber keinesfalls über Nacht abgebaut werden. Diesen Belastungen folgt zuletzt wenigstens an einer Stelle eine Verringerung der Ausgaben, nämlich bei den Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag. Die Monopole — Salz, Tabak, Branntwein und Glücksspiele — ergeben insgesamt einen Überschuß von 603,5 Millionen, während die Eisenbahnen und zwei Bundesbetriebe an Defiziten laborieren, die allerdings zur Hälfte vom Überschuß der Hoheitsverwaltung im Betrag von 1,13 Milliarden Schilling gedeckt werden. Zusammengefaßt, schließt das ordentliche Budget bei Gesamtausgaben von 56,77 Milliarden Schilling (+ 0,8 Prozent) mit einem Fehlbetrag von 529,3 Millionen. Das Defizit erreicht daher nur 0,9 Prozent des ordentlichen Aufwandes der Verwaltung, der Monopole und der Bundesbetriebe!

Die Erhöhung der außerordentlichen Ausgaben von 2,8 Milliarden auf 3,4 Milliarden Schilling ist teil weise irreführend, weil verschiedene Positionen, die zuletzt im ordentlichen Haushalt untergebracht waren, jetzt wieder im Budget der Investitionen erscheinen, in deren Rahmen der Fiskus eine Reihe von Bauten und Anschaffungen unbedingt fortsetzen muß, wie etwa bei Post und Telegraph die Modernisierungen, beim Straßennetz den weiteren Ausbau der Autobahnen und Bun desstraßen, bei der Eisenbahn die Elektrifizierung sowie die Erneuerung des Fahrparks und des Unterbaues. Angesichts der zentralen Lage Österreichs und der Bedeutung des Fremdenverkehrs, der das Passi- vum der Handelsbilanz decken soll, ist es logisch, daß der Verkehr nach wie vor an erster Stelle steht. Wer aber unbedingt von einer „Budgetschlacht“ sprechen möchte — die im laufenden Jahr gar nicht möglich war, weil alle Interesssenten gewaltige Abstriche an ihren Vorhaben durchführen mußten —, könnte als Sieger höchstens das Unterrichtsressort bezeichnen, weil das außerordentliche Budget für Schulbauten

388 Millionen Schilling vorsieht, darunter auch die kräftig erhöhte Position „langfristiger Aufhol- bedarf“. Endlich vermochte die Landesverteidigung verschiedene Investitionen im Gesamtbetrag von 540,2 Millionen Schilling unterzubringen.

Schlußfolgerungen

Die Konsequenzen der gegenwärtigen Situation liegen auf der Hand. Der Hinweis, das Budget könne nur mit Hilfe einer Produktionssteigerung und einer anhaltenden Inland- konjunktur im Gleichgewicht gehalten werden, besteht zu Recht. Die Spekulationen auf die jährliche Erhöhung des Nationalprodukts, der steigende Steuereinnahmen auf dem Fuße folgen, sind aber kurzfristiger Natur. Beim ersten Rückschlag, der sich beim Spiel mit den wechselnden Zuwachsraten eines Tages einstellen muß, gerät das Budget ins Wanken, das im Augenblick einen kunstvollen arithmetischen Balanceakt vollführt. Auf die Erschließung neuer Steuerquellen wird zur Zeit verzichtet. Eine Senkung der Ausgaben benötigt wiederum eine wirksame Rationalisierung, verbunden mit eine Erhöhung der Produktivität.

Jedenfalls bleibt die Tatsache bestehen, daß echte Investitionen, die im Interesse der Budgetklarheit in den außerordentlichen Etat gehö ren, nicht mehr durch Überschüsse des ordentlichen Haushalts, sondern nur noch durch Anleihen und Kreditoperationen gedeckt werden können. Dies entspricht durchaus den traditionellen Grundsätzen eines gesunden Budgets. Damit wird aber für den Fiskus, ebenso wie für die Industrie und das Gewerbe, eine Sanierung und Aktivierung des Kapitalmarktes von höchster Dringlichkeit, eine Forderung, die selbst die linke Koalitionspartei nicht länger ablehnen kann, zumal auch die meisten sozialistischen Parteien Westeuropas und Skandinaviens zahlreiche überlebte marxistische Dogmen über Bord geworfen haben.

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