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Neuordnung im Rundfunk
Sie ist in vollem Gang und wirkte einigermaßen alarmierend auf machtpolitische Exponenten außerhalb der eigentlichen Rundfunksphäre. Verständlicherweise, da der Rundfunk ja offen oder verdeckt ein überwältigendes Instrument der Massenbeeinflussung bildet. Und doch war die Beunruhigung unbegründet und sogar ein Zeichen geringer Sachkenntnis. Denn für die leitenden Persönlichkeiten des österreichischen Rundfunks bedeutete die Neuordnung nichts als ein organisatorisches Problem, eine riesige Stoßarbeit, wie sie ihnen durchaus geläufig ist, aber keine geistige oder gar politische Gefahr.
Ausgelöst war die Erregung durch die endlich akut gewordene Frage der U e b e r- gabe zweier Studios (Salzburg und Linz) durch die Amerikaner an die österreichische Regierung und die für den Außenstehenden nicht recht verständliche Verzögerung der Uebernahme. Die Regierung konnte die Sender doch nicht selber führen, und es entstand also die weitere Frage, wem sie übergeben werden sollten, den Ländern oder der öffentlichen Verwaltung. Rechtlich gab es da nur eine Antwort, und es ist gut, daß man sich schließlich zu ihr bekannt hat. Diese scheinbar so ominöse öffentliche Verwaltung ist nämlich kein senderhungriges Unwesen, im Gegenteil: der neu bestellte Mann, der seit Jahrzehnten leitend im österreichischen Rundfunk tätig ist, sagt, er halte die öffentliche Verwaltung zwar für eine absolut notwendige, aber zeitbedingte Notlösung, und er hoffe, daß sie nicht mehr von allzulanger Dauer sein werde. Je eher sie beendet sei, desto besser: durch ein allumfassendes Rundfunkgesetz.
Ueber ein solches Gesetz gibt es zwei verschiedene Auffassungen: Entweder kann der österreichische Rundfunk privatrechtlich (als AG. oder als Ges. m. b. H.) aufgebaut werden oder als eine Anstalt öffentlichen Rechtes. Welche Lösung immer aber einmal getroffen werden wird, zwei Grundsätze müßten unbedingt befolgt werden: 1. müßte der Rundfunk möglichst frei bleiben von staatlichen, ministeriellen oder bürokratischen Einflüssen und 2. von der Befehlsgewalt irgendeiner politischen Partei oder sonstigen Machtgruppe. Sache des Rundfunks sei es, der breiten Hörerschaft nach ihrer geistigen und berufsmäßigen Gliederung ein Programm zu geben.
Zwei recht unterschiedliche Begriffe werden leicht und oft verwechselt: Der Rundfunk als technische Einrichtung gehört nun einmal in das Ressort des Ministeriums Waldbrunner; nicht aber das Rundfunkprogramm, das ist grundsätzlich Landessache, wie übrigens auch die Personalpolitik der einzelnen Studios. Der neu bestellte Mann, Dr. Uebelhör, stellt loyal fest, daß bisher nicht der leiseste Versuch von ministerieller Seite gemacht wurde, auf das Programm Einfluß zu nehmen. Man will im österreichischen Rundfunk übrigens auch keinem anderen Ministerium ein Mitsprache- recht bei der Programmgestaltung zugestehen. Selbst dem Unterrįhtsministerium stünde (als Kultusministerium) höchstens eine Art Aufsichtsrecht zu, so wie über Theater und Film, es soll aber nicht etwa bei der Produktion mitreden. Im technischen Sektor jedoch muß zentral geplant werden, wenn eine gesamtösterreichische Rundfunkordnung zustande kommen soll, auch wegen der enormen Kosten, die ein Landessender niemals zu tragen vermöchte. Es besteht dabei nicht die geringste Gefahr einer Benachteiligung, denn erstens geschieht ja alles auf Grund gemeinsamer Beratungen aller Sender, und außerdem wird das Ministerium sich hüten, ein Bundesland zu schmälern, im Gegenteil, es wird um die Zufriedenheit aller Hörergruppen geworben werden.
Die Hauptsorge der Bundesländer betrifft aber die Programmgestaltung. Man kann die heutige Situation nicht mehr mit der Zeit vor 1938 vergleichen. Damals hat Wien das Programm gemacht; lokal war nur das Zwischenprogramm (örtlicher Bauernfunk usw.), das aber auch von Wien begutachtet wurde. Lediglich Graz hatte ein etwas stärkeres Eigenprogramm, später in einem gewissen Wechsel mit Linz. Seither sind 16 Jahre vergangen, und der Ausbau des Rundfunks hat große Fortschritte gemacht. Trotzdem wäre es nicht nur unrationell und sinnlos, sondern auch eine Ueberschätzung der schöpferischen Kapazität, verlangte man von jedem Studio ein eigenes Programm. Ein Gutteil jedes Sendetages besteht zum Beispiel in Plattenwiedergaben, Warum sollten die nicht gemeinsam ausgewählt werden?
Schon seit 1946 versuchte Prof. Henz eine allmähliche Zusammenfassung aller österreichischen Studios für zwei Programme. Es begann zunächst sehr bescheiden mit Ringsendungen, denen nur die Sendergruppe Rot-Weiß-Rot gewöhnlich unter irgendeinem Vorwand fernblieb. Erst der im September 1953 angelaufene UKW- Funk brachte zum erstenmal ein gemeinsames Programm, und zwar aus technischen Gründen, weil er eine entsprechende Ausrüstung der Studios zur Voraussetzung hatte und anfangs nur das Wiener Ravagstudio und daneben Klagenfurt und Bregenz UKW- fähige Sendungen zu produzieren vermochten. Man ging bei der Programmbildung nach dem einfachen Prinzip vor, daß jeder Sender sein Bestes anbot.
Die zweite Form eines gesamtösterreichischen Programms entstand im November 1953 mit dem sogenannten „zweiten Program m“. Dabei übernahm Wien ungefähr 50, Graz 22, Klagenfurt 12 Prozent und den Rest Innsbruck und Dornbirn. Der Vorgang: Nachdem ein Programmspiegel festgelegt wurde, setzt jeder Sender mit großer Selbständigkeit seine Beiträge in das Schema ein. Das geht heute bereits völlig reibungslos vor sich und hat sich gut bewährt. Freilich sind die „Sender 2“ hauptsächlich Stadtsender, vermögen also die ländlichen Gebiete nur teilweise zu versorgen. Dafür sind sie wieder absolut frei von Reklamefunk und Sendungen der Besatzungsmächte.
Ab 25. April 1954 soll auch das sogenannte „erste Programm“ für ganz Oesterreich koordiniert werden. Es wird zur Hälfte aus Lokal-, Reklame- und Besatzungsmachtsendungen bestehen. Nur die andere Programmhälfte wird also gemeinsam sein und wieder nach einem Schlüssel auf die verschiedenen Studios aufgeteilt werden: Jedem Sender wird eine bestimmte Tageszeit zugewiesen sein. Die Aufteilung soll zwei Gesichtspunkte berücksichtigen: die Hörerzahl und die schöpferische Kapazität jedes Senders. Dieser geistige und numerische Proporz soll aber wieder nicht für Feiertage gelten: da bietet jeder an, was er Gutes hat. Auch das UKW-Programm soll ab 25. April nach diesem Prinzip gebaut werden. Seit 14. März wird übrigens das „zweite Programm“ von 7 Uhr bis 16 Uhr auch über UKW gesendet, so daß nun auch die Besitzer solcher Apparate nicht mehr umzuschalten brauchen und ein komplettes Programm erhalten. Es ist keine Programmvorlage vorgesehen, sondern vollständige Freiheit für alle Bundesländer nach eigenem Ermessen und eigener Verantwortung.
Das Ziel ist, in absehbarer Zeit für alle Teile Oesterreichs drei gemeinsame Programme zu schaffen: ein repräsentatives „Staatsprogramm“, ein volkstümliches und ein Programm für „Feinschmecker“. Voraussetzung dafür wird die gleiche Hörbarkeit aller drei Sendungen in allen Teilen des Landes sein.
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