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Neutralitat mit anderen Augen

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Wen die „Neue Ordnung“ mit „unser Volk“ meint, kann nach dem bisher Ausgeführten nicht mehr unklar sein. Die Autorennamen Lothar Rendulid, Taras Borodajkewycz, Nikolaus Preradovich, Karl Anton Rohan und Rolond Timmel sprechen schon allein für die politische Linie des Blattes. In einem offenen Brief an Bundeskanzler Klaus (Nr. 16/17, 1965) kann man folgende Sätze lesen: „Wenn Sie... ein vorbehaltloses Bekenntnis zur Republik, Demokratie und Neutralität fordern, überschreiten Sie Ihre Kompetenz... Warum soll ein schlechterer Österreicher sein, wer die Fleißaufgabe der österreichischen Neutralität für einen verhängnisvollen Irrtum hält? ... Wenn Sie die Hoffnungen, die an Ihre Kanzlerschaft geknüpft wurden, nicht bitter enttäuschen wollen, müssen Sie dem Separatismus der .Furche' eine ebenso klare Absage erteilen wie dem pathologischen Deutschenhaß des Marxismus und sich wenigstens zum Bekenntnis Ignaz Seipels und Schuschniggs durchringen, daß Österreich ein christlicher deutscher Staat ist.“

Die FPÖ ist der „Neuen Ordnung“ viel zu weit links (4/5, 1964), der ÖVP wird dagegen vorgeworfen, sie habe „seit 1949 niemals auf Wiener Ebene eine ehrliche Kooperation mit der FPÖ angestrebt“ (4/5, 1964). Das Erkenntnis des Verfassungsgerdchts-hofes zum Verbot des Tragens von Orden der ehemaligen Großdeutschen Wehrmacht ist „ein Affront und ebenso ein Tiefschlag für das österreichische Bundesheer. Wie soll man von der heutigen Generation Pflichterfüllung, Treue, Tapferkeit und vor allem Kameradschaft... verlangen?“ (30. Juli 1964). „Pflichterfüllung, Treue und Tapferkeit“ im Dienste einer Macht, zu deren Zielen die endgültige Auslöschung Österreichs zählte, gilt also der „Neuen Ordnung“ für das Heer vorbildlich,das eben dieses Österreich beschützen soll. So stellte der frühere Abgeordnete zum Nationalrat und heutige Rechtsanwalt Ernst Strachwitz, der sich von der ÖVP schon vor langer Zeit getrennt hat, in Nr. 9, 1964, fest, 1945 seien „Werte in Frage gestellt worden, die eine Grundlage für unsere Lebens- und Geistesordnung bilden“. In derselben Ausgabe heißt es: „Das Recht zum Widerstand, das den Männern des 20. Juli 1944 heute niemand mehr abstreitet — soll es nicht auch für die Männer des 25. Juli 1934 gelten, die ebenso ehrlich der Meinung waren, ihr Ideal eines nationalsozialistischen Österreich, eines Großdeutschland auch mit Waffengewalt gegen den von ihnen als unrechtmäßig empfundenen Ständestaat durchzusetzen?“ Hier werden also die Mörder eines Engelbert Dollfuß mit den Männern um Stauffenberg, Goerdeler und Beck gleichgesetzt — diejenigen, die Österreich schon 1934 Hitler ans Messer liefern wollten. Den „Idealisten“ vom Typ eines Himmler steht die volle Rehabilitierung bevor.

Mit der Geschichte hat die „Neue Ordnung“ immer wieder Schwierigkeiten. Daß Österreich nur durch die Niederlage Hitler-Deutschlands wieder frei werden konnte, daß nur der Sieg der Alliierten Österreichs Freiheit möglich machte, daß also die Sache Österreich im Lager der Alliierten stand: diese doch eher einfache Einsicht in die historischen Fakten hat sich bis in die Redaktion der „Neuen Ordnung“ noch nicht durchgesprochen. „Kein Staat kann auf die Dauer leben, ohne an den Grundsätzen festzuhalten, nach denen die Masse der Bevölkerung im letzten Krieg lebte und nicht die Minderheit derer, die davongelaufen waren oder im letzten Augenblick gar im Troß der Alliierten ihr Herz für Österreich entdeckt haben“ (1/2, 1965). Ein unverhüllteres Eintreten für wesentliche Ziele Hitlers ist kaum noch vorstellbar.

Welche Bevölkerungsgruppen die „Neue Ordnung“ besonders ansprechen, welche Ressentiments sie erwecken will, zeigt die aufschlußreiche Formulierung in Nr. 7/8, 1967: „Viele Menschen waren der NS-Ideo-logie reserviert oder fremd gegen-

übergestanden, aber sie hatten es als selbstverständlich gefunden, im Krieg ihre Pflicht zu erfüllen, der Kampf gegen den Bolschewismus schien sogar manches am Dritten Reich zu rechtfertigen.“ Es war also eine „selbstverständliche Pflicht“, begeistert auf jener Seite in den Krieg zu ziehen, die Österreichs Unabhängigkeit ausgelöscht und den blutigsten Krieg der Geschichte mutwillig vom Zaun gebrochen hat; auf der Seite, die zuerst gemeinsam mit dem Bolschewismus Osteuropa aufgeteilt und dann gegen denselben Bolschewismus einen Krieg entfesselt hat, der Stalins Armeen bis zur Elbe und zur Enns vordringen ließ.

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