7092553-1994_35_03.jpg
Digital In Arbeit

„Nichts ist da schiefgelaufen!“

19451960198020002020

Michael Graff, Vorsitzender des Justizausschusses, will die Justiz-Reform vorantreiben. Dazu der FPO- Justizsprecher Harald Ofner: „Graff gibt in der Justizpolitik den Ton an!“

19451960198020002020

Michael Graff, Vorsitzender des Justizausschusses, will die Justiz-Reform vorantreiben. Dazu der FPO- Justizsprecher Harald Ofner: „Graff gibt in der Justizpolitik den Ton an!“

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Für die FPÖ zieht Staatsanwältin Liane Höbinger-Leh- rer „gegen die Entwicklung der Strafgesetzgebung“ in den Wahlkampf. Was ist da schiefgelaufen?

MICHAEL GRAFF: ES ist da überhaupt nichts schiefgelaufen, die Strafgesetze stehen überhaupt nicht zur Diskussion. Was Frau Höbinger vielleicht meint, sind der Strafvollzug und die bedingte Entlassung. Das ist tatsächlich ein Thema, dessen wir uns im Gefolge der Fälle Haas und Unterweger besonders annehmen und dessen auch ich mich, wenn ich dem Parlament wieder angehöre, in der nächsten Legislaturperiode besonders annehmen werde.

DIEFURCHE: Der humane Strafvollzug ist ins Gerede gekommen. Zudem haben wir aber eine der höchsten Inhaftierungsquoten in Europa..

GRAFF: Wir haben eine U-Haft-Reform gemacht, die voll gegriffen hat. Es gibt dreißig Prozent weniger Untersuchungshäftlinge, es gibt allerdings mehr Strafhäftlinge als früher. Mir ist aber lieber, jemand sitzt aufgrund eines Urteils, als er sitzt bloß aufgrund des Verdachtes. Bei der bedingten Verurteilung wollen wir stärker unterstreichen, daß der Schutz der Bevölkerung das allerwichtigste und oberste Prinzip sein muß. Es darf niemand bedingt entlassen werden, wenn erkennbar noch ein Restrisiko besteht, daß der Rechtsbrecher eine Gefahr für Leib und Leben der Menschen bedeutet. Andererseits wollen wir die Bedacht- nahme auf die Generalprävention bei der bedingten Entlassung zurückdrängen, weil diese mitunter ohne Rücksicht auf den Einzelfall dazu verwendet wird, bedingte Entlassungen auch dort zu verweigern, wo sie angebracht sind, also bei Ersttätern oder bei Personen, bei denen eine günstige Prognose vorliegt. Völlig irrtumsfrei ist natürlich keine menschliche Voraussage.

DIEFURCHE: Stichwort „Lebenslang“ und „Resozialisierung“…

GRAFF: Ich meine auch nicht, daß die Resozialisierung der alleinige Zweck der Strafe ist. Hier haben sogar die Jünger Christian Brodas Wasser in ihren Wein gegossen. Es gibt auch Leute, die nicht resozialisierbar sind. Trotzdem kann man nicht einen Menschen, der beispielsweise ein Gewohnheitsdieb ist und bei dem die Prognose ziemlich sicher lautet, daß er wieder stehlen wird, für den Rest seines Lebens in Sicherheitsverwahrung nehmen. Bei den Kapitalverbrechen, beim Mord etwa, wo eine lebenslange Strafe verhängt wurde, ist mehr als bisher darauf zu achten, ob noch eine Gefahr für die Umwelt besteht. Das wird bei einem Eifersuchtstäter nicht so sein, beim Serienmörder aber sehr wohl. Und hier darf man sich nicht allein auf den verständlichen Ehrgeiz der Psychologen und Psychiater verlassen, die gerne einen Behandlungserfolg sehen wollen und dabei womöglich ein Risiko für unschuldige Dritte eingehen könnten, das einfach nicht eingegangen werden darf.

DIEFURCHE: Haider behauptet, daß jede fünfte Straftat von einem Ausländer begangen werde und bereits jeder zweite Häftling ein Ausländer sei..

GRAFT: Die Behauptungen der FPÖ und Haiders sind grob übertrieben und verzerrt. Richtig ist, daß bei den hier ansässigen Gastarbeitern die Kriminalität sogar geringer ist als bei unseren lieben guten Landsleuten. Es gibt also unter den Ausländern solche und solche. Es herrscht sogar ein richtiger Kriminaltouris mus von den Banden, die ins Inland einreisen, um Straftaten zu begehen. In diesen Fällen ist natürlich äußerste Strenge am Platz. Es gibt aber auch viele Ausländer, die bürokratischen Schikanen unterworfen werden, ohne daß sie auch nur am Strafgesetz angestreift wären. Ich bin der Meinung, daß das Gastrecht nicht mißbraucht werden darf und daß jemand, der als Ausländer hier eine Bleibe gefunden hat, dieses Gastrecht verliert, wenn er straffällig wird. Es sollen also rechtskräftig verurteilte Ausländer durchaus ausgewiesen werden. Es ist aber kein Grund vorhanden, eine Anti-Auslän- der-Hysterie in der Richtung zu entfachen, daß man Ausländer mit potentiellen Straftätern gleichsetzt, wie das aus den ersten öffentlichen Äußerungen der sonst sehr geschätzten Liane Höbinger-Lehrer für manche Ohren zu vernehmen war.

DIEFURCHE: Die Sicherheitsbehörden drängen auf den Ausbau des Fahn dungs-Instrumentariums, Stichwort „Großer Lauschangriff1… Gibt es dafür auch Pläne in Ihrer Schublade? GRAFF: Ich habe keine Pläne, sondern ich werde das, was die Polizei gemeinsam mit dem Justizministerium vorlegt, sehr genau prüfen und zwar unter zwei Gesichtspunkten: Einerseits soll die Effizienz und die Durchschlagskraft der Polizei gestärkt werden. Dieses Ziel unterstütze ich voll. Andererseits sind aber die Menschenrechte der Betroffenen, vor allem auch völlig unbeteiligter Wohnungsinhaber etwa, sehr streng zu beachten. Es wäre daher beim großen Lauschangriff ein rechtsstaatliches Verfahren unter richterlicher Kontrolle einzubauen.’Ich bin aber nicht dagegen, daß man der Polizei die modernsten technischen Mittel in die Hand gibt, damit sie ihre Aufgabe, das Verbrechen zu verfolgen und einzudämmen, besser erfüllen kann.

DIEFURCHE: Welche Pläne haben Sie für die nächste Legislatur-Periode ? GRAFF: Wir werden sowohl im Bereich des Zivilrechts als auch im Bereich des Strafrechtes eine Reihe interessanter Projekte angehen. Die Gesamtreform des Vorverfahrens im Strafprozeß (was machen die Sicherheitsbehörden, was macht der Untersuchungsrichter) wird ein großes Thema sein. Dazu erwarten wir einen angekündigten Entwurf des Justizministers. Ein weiteres Anliegen ist mir die bedingte Entlassung im bereits aufgezeigten Sinn: verstärkter Schutz der Bevölkerung, aber Verzicht auf die Generalprävention.

DIEFURCHE: Sie greifen das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung auf? GRAFF: Ja, aber das ist nichts Neues, sondern das haben wir immer schon gemacht. Entgegen den Verdächtigungen der strengen Damen von der FPÖ, bei denen sich jetzt zur Frau Partik-Pable auch die Frau Höbinger-Lehrer dazugesellt hat, haben wir immer auch bei den Reformen, die etwa zu weniger Untersuchungshaften geführt haben, klar unterstrichen und ausdrücklich in das Gesetz hineingeschrieben, daß im Bereich der organisierten Kriminalität oder dort, wo für Leib und Leben von Menschen Gefahr droht, nicht mildere, sondern sogar schärfere Maß- stäbe anzuwenden sind. Zu den dreißig Prozent weniger U-Haften, die ich Ihnen vorhin genannt habe, ist zu ergänzen, daß nach einem Bericht der Wiener Sicherheitsdirektion, wo also die schwersten Kriminellen beamtshandelt werden, aus diesem Bereich der Schwerkriminalität sogar mehr Verdächtige in die Untersuchungshaft eingeliefert wurden. Es werden also nur die Gewichte besser verteilt, es braucht nicht ein Hendldieb monatelang zu sitzen, um dann letztlich eine bedingte Strafe zu erhalten, wohl aber sollen Schwerverbrecher, die die Bevölkerung gefährden, hinter Schloß und Riegel gebracht werden.

Mit Michael Graff sprach Stefan Kronthaler

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung