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Notizen

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Das österreichische Coventry, Wiener Neustadt, besaß bei Kriegsende nur 18 unbeschädigte Häuser inmitten einer Kraterlandschaft. Auf der UNO-Liste stand diese Stadt an neunter Stelle der am ärgsten zeistörten Städte der Welt. Wie dieses Trümmerfeld wiederaufgebaut wurde, das zeigt die vom 13. bis 21. August stattfindende Ausstellung: Wiener-Neu-stadts Wasserrohrnetz ist zu 95 Prozent wieder-instandgesetzt, das Gasnetz versorgt 6000 Abnehmer, 2,5 Millionen Fahrgäste werden jährlich von den Verkehrsbetrieben befördert. Die wenigen unzer-störten Baudenkmäler wurden restauriert, die Sankt-Georgs-Kapelle neu errichtet, die alte Burg mit der Theresianischen Militärakademie war schwerstens beschädigt worden und ist im Wiederaufbau. Trotz aller großen Anstrengungen auf dem Bausektor (mehr als 20 Prozent aller Haushalte befinden sich in wiederaufgebauten oder neuerrichteten Wohnungen) gibt es aber noch 700 dringende Notstandsfälle wohnungsloser Familien, ebenso gibt es trotz der Baukonjunktur noch 1600 Arbeitslose, da noch nicht alle Fabriken wiedererrichtet werden konnten. Mit dem Abzug der Besatzungstruppen hofft die schwergeprüfte Stadt auf neue wirtschaftliche Impulse, so daß man für die geschulte Industriearbeiterschaft Dauerarbeitsplätze schaffen kann. Ausgezeichnet würden sich, wie Fachleute sagen, die beiden von der Besatzungsmacht geräumten Flugplätze als Passagierflughafen und als Frachtflugplatz nach dem Südosten eignen. Die Stadt hofft bei der Lösung dieser Probleme auf die weitere Unterstützung des Bundes und des Landes. Bisher hat sie bewiesen, daß sie den Stürmen standzuhalten vermochte, entsprechend ihrem Wahlspruch: „Allzeit getreu!“

Am Freitag, den 12. August, abends, knapp zwei Monate nach seinem 80. Geburtstag, verschied Thomas Mann im Zürcher Kantonalkrankenhaus an den Folgen einer Thrombose. Bereits im Juli mußte der Dichter, der nach seiner Rückkehr nach Europa seinen Wohnort in Kilchberg nächst dem Zürcher See aufgeschlagen hatte, seinen Urlaub in Holland aus Gesundheitsgründen vorzeitig abbrechen. Wir kommen auf Leben und Werk des Dichters noch ausführlich zurück.

Gäste der Stadt Venedig werden vom 12. bis 18. September dieses Jahres die Kunsthistori-kfe r sein, die sich aus allen Teilen der Welt in der Stadt an der Adria zu ihrem XVIII. Internationalen Kongreß vereinigen werden, der wie die vorhergehenden Tagungen durch einen eminent kulturellen Charakter gekennzeichnet sein wird und erneut den Gelehrten aller Länder Gelegenheit zur Anknüpfung fruchtbarer freundschaftlicher Beziehungen bieten wird. Nach dem 1912 in Rom abgehaltenen Kongreß wurde 1930 in Brüssel das Internationale Komitee der Kunstgeschichte mit dem Vorsatz gegründet, jedes dritte Jahr einen Kongreß abzuhalten. Der letzte hat 1952 in Amsterdam stattgefunden. Die Eröffnungsfeier des Kongresses wird am 12. September in der prunkvollen „Sala del Maggior Con-siglio“ des Dogenpalastes stattfinden. Die Vorträge hervorragender Gelehrter, die Vollversammlungen und die Sitzungen der einzelnen Sektionen werden auf der Insel S. Giorgio in den prächtigen Sälen stattfinden, welche die Fondazione Giorgio Cini zur Verfügung stellt. Von besonderem Interesse für die Kongreßteilnehmer wird auch die Giorgione-Ausstel-lung sein, die am Vormittag des 13. September ausschließlich den am Kongreß teilnehmenden Kunsthistorikern offenstehen wird.

Auszüge aus dem Tagebuch einer jungen Ungarin veröffentlicht die französische Zeitschrift „P r e u v e s“. Es heißt hier unter anderem: „Man hat mich hier oft gefragt, ob die Jugend von Budapest kommunistisch ist. Ich kann das nicht behaupten, sie ist vielmehr apathisch, müde und hoffnungslos. Wenn ich meine ehemaligen Klassenkameradinnen betrachte, so sind es vielleicht drei oder vier von hundert, die in die Partei eingetreten sind. Aber gerade diese wenigen schaffen um sich eine Atmosphäre, der man sich schlecht entziehen kann. Der Einfluß der Eltern auf die Jugend ist vollkommen verschwunden. Ich kann mich nicht erinnern, daß eine meiner Freundinnen oder ich selbst auch nur einmal zu einem Aelteren gegangen bin, um uns beraten zu lassen. Wir sprechen nicht zu den Eltern über unsere alltäglichen Sorgen. Ich kenne viele junge Mädchen in Budapest, die ihr Elternhaus verlassen haben und in einem möblierten Zimmer wohnen. Nicht deshalb, weil es die Wohnungsenge zu Hause erfordert, sondern weil sie freier sein wollen. Es ist auch schon in unserer Klasse während meiner Schulzeit vorgekommen, daß ein Mädchen in der Stunde der Selbstkritik erklärt hat: .Meine Eltern sind alt und verstehen das Regime nicht mehr. Aber ich habe nicht die Kraft, sie zum Kommunismus zu bekehren, ich habe auch nicht die Kraft, sie für immer zu verlassen.' Sehr enttäuscht waren wir alle, als wir nach Beendigung unseres Studiums, nachdem wir alle ein Diplom in der Hand hatten, als ganz einfache Arbeiterinnen auf das Land geschickt wurden oder in die Fabriken. Die Erklärung dieser Maßnahme: Die Jntelligenzia' soll Fühlung nehmen mit der Arbeiterklasse. Zum gleichen Zweck schickt man auch kommunistische Funktionäre auf den Bau zum Ziegeltragen und eventuell zum Mauern.“

Der Ausschuß für Volksbildung der französischen Nationalversammlung empfahl vor kurzem, allen Studierenden der französischen Hochschulen vom zweiten Studienjahr an ein monatliches staatliches Studiengeld zu zahlen, das nicht unter dem Mindestlohn in der gewerblichen Wirtschaft, gegenwärtig umgerechnet 1650 S, liegen soll.

Noch vor dem Kanzlerbesuch Doktor Adenauers erwartet Moskau eine finnische Parlamentsdelegation, zwei britische Labour-Abgeordnete, den Bürgermeister von London, den kanadischen Außenminister Lester Pearson, den ersten US-Richter am Obersten Gerichtshof der USA, William O. Douglas, den technischen Berater des US-Senates, F. Kennedy. Darnach 13 französische Deputierte und 7 Senatoren, den Sonderberater Eiäenhowers, Nelson Rockefeller. — Alles im Rahmen der neuen „Offensive der Liebenswürdigkeit“.

Im Jahre 1954 wurden in den Vereinigten Staaten 58 5 Millionen Dollar für den Bau von Gotteshäusern ausgegeben, eine Zahl, die alle bisherigen Kircheh-bau-„Rekorde“ brach, und nach zuverlässigen Schätzungen sollen für den gleichen Zweck im laufenden Jahr 675 Millionen Dollar aufgewendet werden. Der Nationale Rat der christlichen Kirchen in den USA berichtet, daß im Jahre 1954 allein 4427 neue Gotteshäuser erbaut worden sind: 4001 protestantische, 220 katholische, 180 orthodoxe, 25 jüdische und ein buddhistisches.

Zu dem vielen Sehenswerten, über das J e r u-s a 1 e m verfügt, gehört auch sein „Biblischer Z o o“. Vor 14 Jahren faßte der Tierarzt Dr. Aron Schulow, der im Privatleben ein eifriger Bibelstudent war, den Entschluß, seine beiden Leidenschaften, seinen Beruf und seine Berufung, in Einklang zu bringen. In einem kleinen Garten an einer lärmreichen Straße Jerusalems wurde dieser Entschluß in seiner ersten Phase verwirklicht: vier Affen, ein Geier, ein Adler, ein paar Eidechsen und Kaninchen bildeten den ganzen Bestand bei der Eröffnung des Unternehmens. Seine Originalität bestand darin, daß jedes Tier im Käfig Anlaß zu einem entsprechenden Bibelzitat bot, das vor dem Käfig angeheftet wurde. Der Zoo wuchs schnell: in der Umgebung Jerusalems wurden ein Wolf und ein Leopard gefangen — Löwen, Panther, Füchse, Schakale und Stachelschweine kamen hinzu —, und die Stadtgemeinde von Jerusalem, die sich für Schulows Idee zu interessieren begann, stellte ein größeres Stück Land bei. Im Verlauf der Zeit übersiedelte der „Biblische Zoo“ auf den Scopusberg, mit einer herrlichen Aussicht auf das alte und neue Jerusalem: dort konnte er aber nicht bleiben, da dieses Gebiet während der Belagerung Jerusalems im Feuer der Araber lag und bei der Waffenstillstand-Grenzziehung Niemandsland wurde. Heute befindet sich der Zoo im sogenannten Schneller-Wäldchen, zehn Autominuten vom Zentrum Neu-Jerusalems entfernt: direkt am Rande seines Areals verläuft die Grenze gegen das jordanisch besetzte Gebiet, und man sieht vom Zoo aus in der Ferne einen Hügel Judäas, der das Grab des Propheten Samuel trägt, und die Funktürme der arabischen Radiostation Ramallah. Die Jugend Jerusalems und Israels aus den Schulen und Kindergärten wird hierhergeführf: Eltern und Freunde kommen mit und freuen sich an der Tierwelt, die hier so konkret in Zusammenhang mit der Heiligen Schrift gebracht erscheint. Der kindlichen Phantasie sind tausend Möglichkeiten zu geistigen Abenteuern gewährt: zugleich wächst die Kenntnis und Popularisierung der Bibel in ihrem Entstehungsbnd. „Die Füchse fanget uns, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben!“ (Hoheslied, 2, 15) liest man am Fuchskäfig; die lärmenden Schakale (die man in Jerusalems Umgebung noch wild antrifft) tragen an ihrem Käfig den 29. Vers aus dem 30. Kapitel des Buches Job: „Der Schakale Bruder bin ich und ein Gesell dem Vogel Strauß . ..“ Den König der Tiere hinter Gittern zeigt die Aufschrift aus dem Buch der Richter (14, 18) an: „Was ist herber als ein Löwe?“ Die Kinder drängen sich mit Vorliebe um den Käfig der Gazellen, wo man den 7. Vers aus dem 2. Kapitel des Hohenliedes lesen kann: „Ihr Töchter Jerusalems — ich beschwöre euch bei den

Gazellen oder bei den Hindinnen der Flur!“ Am Platz des Steinbocks heißt es mit den Worten des Psalmisten: „Die hohen Hügel sind des Steinbocks Zufluchtsort“: und am Pfauenkäfig wird der großen Vergangenheit Israels mit dem 22. Vers des 10. Kapitels des Ersten Buchs der Könige gedacht: „König Salomo hatte auf dem Meere ein Tarsisschiff bei Chirams Flotte; alle drei Jahre kam ein Tarsisschiff, beladen mit Gold und Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen.“ Auch die Bäume und Pflanzen im Zoo werden biblisch identifiziert; und gleich am Eingang grüßt den Ankömmling die Inschrift: „Des Feigenbaumes Frucht genießt, wer diesen pflegt ...“ (Sprüche 27/18).

Aus der argentinischen Hauptstadt wird bekannt, die argentinische Regierung habe den katholischen Kirchenbehörden den Antrag gemacht, die zerstörten Kirchen wiederaufzubauen. Es sei offensichtlich, daß die Regierung die angerichtete Zerstörung dem Volke aus den Augen schaffen wolle. Die zerstörten Kirchen mit ihren geköpften Marienbildern, zerbrochenen Altargeländern und zerrissenen Gemälden sind nämlich zu Wallfahrtsorten der Gläubigen geworden, die sie mit Blumen schmücken.

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