7136943-1997_50_09.jpg
Digital In Arbeit

Nur Pius X. fehlt noch

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Bericht in der FURCHE (10/97) und in einer deutschen Illustrierten über die Filmo-,thek im Vatikan löste für Cineasten ein kleine Sensation aus: Ein verschollener Film über Papst Benedikt XV. tauchte wie die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen nach Jahrzehnten wieder auf. Damit sind alle Päpste des 20. Jahrhunderts in bewegten Bildern dokumentiert - mit Ausnahme von Pius X.: Von diesem heiliggesprochenen Papst fehlt noch immer ein Film. Vielleicht erhöht sich auch diesmal die Chance, ein Zeitdokument auf Zelluloid zu finden.

Der pensionierte Radiologe Ernst Kallenberger, 71, aus Essen in Deutschland hatte sich mit dem lange gesuchten Film über Benedikt XV. per Leserbrief gemeldet. Er hatte das Dokument als wertvollen Familienbesitz seit den dreißiger Jahren gehütet. Wie berichtet, arbeitet der Päpstliche Medienrat an einer Filmografie über religiöse Themen und sammelt dafür seit Jahren entsprechende Film- und Fernsehbeiträge aus aller Welt; mehr als 5.000 sind es bisher. Die ältesten Dokumente stammen noch aus der Zeit, „als die Bilder laufen lernten" und zählen zu den Schätzen der Vatikanischen Filmothek.

Von den Päpsten des 20. Jahrhunderts fehlten bis zuletzt Pius X. (1903-14) und Benedikt XV. (1914-22): Die Suche nach bewegten Bildern dieser Päpste in den großen und bekannten Archiven war ergebnislos verlaufen.

Der Präsident des Päpstlichen Medienrats, Erzbischof John P. Foley, bedauerte noch 1992 vor laufender Fernsehkamera: „Wir haben nichts über Benedikt, unglücklicherweise.

Das wäre ein kostbares Detail; er war ein so großer Friedensapostel." Von Pius X. besitzt die Vatikanische Filmothek nur eine Tonaufnahme. Benedikts Pontifikat fiel in die Zeit des Ersten Weltkriegs, der Bussischen Revolution und der Erscheinungen von Fatima (1917). Seine Friedensbemühungen verliefen freilich ergebnislos.

Bei einer Audienz in den Vatikanischen Gärten (etwa im Jahre 1920) war auch ein Filmteam dabei. Der Kameramann kurbelte, als Benedikt soeben segnend in eine Kutsche steigt, bei einer Marienkapelle mit etlichen honorigen Herren mit Zylindern und mit Geistlichen ein Gespräch führt und schließlich - neuerlich segnend - auf die Kamera zugeht. Schon erscheint der Schriftzug ENDE. Der Streifen dauert in Originalgeschwindigkeit 33 Sekunden und ist ganze fünf Meter lang (16mm-Format), aber ein unschätzbares Zeitdokument.

Film-Besitzer Emst Kallenberger: „Der Film wurde etwa Anfang der dreißiger Jahre gekauft. Er war ein Geschenk an meine Frau damals, von meiner Schwiegermutter. Ich will an diesem Film nichts verdienen und möchte ihn dem Vatikan kostenlos geben. Wenn eine Messe gelesen wird, war' mir das recht, aber es muß nicht sein."

Um das Dokument auf dem Postweg nicht zu gefährden, sollte der Film auf Wunsch Kallenbergers von Vertrauenspersonen transportiert werden. So gelangte er zunächst durch seinen Besitzer in das erst vor wenigen Jahren neugegründete Tochterkloster von Heiligenkreuz in Bochum-Stipel bei Essen. Pater Prior Beda Zilch übergab den Film seinem Mitbruder Maximilian, dem, Novizenmeister von Heiligenkreuz. So gelangte Benedikt XV. gewissermaßen nach Niederösterreich: Hier war erst - Zufall? - vor drei Jahren eine mehr als 300 Seiten starke Dissertation über Papst Benedikt XV. geschrieben worden, von Alexander Brenner, derzeit Kaplan in Baden bei Wien. Kirchenintern gilt Papst Benedikt XV. als „der unbekannte Papst".

Letzte Station der „Film-Stafette" war schließlich der Flughafen Wien-Schwechat: Am 17. Oktober übernahm Pater Leonhard Gregotsch, ein Kamillianer, das wertvolle Dokument aus Deutschland von Zisterzienserpater Maximilian.

Der Generalsekretär der Superi-orenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs nahm die Kursmaschine der Austrian Airlines um 17.30 Uhr: alle Wege führen nach Rom. So kehrte Papst Benedikt XV. noch einmal in den Vatikan zurück - wenn auch per Jet statt wie gewohnt mit der Kutsche.

Ob dies auch einmal einem Film über Pius X. beschieden sein wird - das bleibt wohl dem berühmten „Zufall" überlassen. Vielleicht hat ein FuRCHE-Leser einen Tip?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung