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Oder: Wie österreichisch ist der Kameradschaftsbund?Schwarzweißrotweißrot

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Der Österreichische Kameradschaftsbund hat ' mit außerordentlichem Befremden den Artikel „Klarstellung“, der sich mit der Frage des Tragens der Auszeichnungen aus dem zweiten Weltkrieg befaßt, zur Kenntnis genommen. Während von offizieller Seite alle Anstrengungen gemacht werden, um den Wehrwillen im Volke zu heben und zu untermauern, geben Sie bedauerlicherweise in Ihrem Blatt, wie wir bereits wiederholt feststellen mußten, an hervorragender Stelle Meinungen Raum, die dieses Bestreben der österreichischen Bundesregierung geradezu sabotieren. Es dürfte auch Ihnen nicht entgangen sein, daß eine gewisse fremde Macht durch ihre Mittelsmänner in Österreich alles unternimmt, um unser freies demokratisches Staatswesen zu unterhöhlen. Dazu gehört auch der Kampf gegen das Soldatentum schlechthin, und die Einschläferung des Wehrwillens im besonderen.

Es wäre hoch an der Zeit, wenn „Die Furche“ angesichts der mehr als bedrohlichen Weltlage und der bis an die Zähne bewaffneten Nachbarstaaten an einigen Grenzen, als verantwortungsbewußte Wochenschrift, endlich erkennen würde, daß sie sich mit dieser ihrer ungewöhnlichen Einstellung nicht nur in Widerspruch zu allen heimattreuen und gutgesinnten ehemaligen und aktiven Soldaten sowie der Bevölkerung setzt, sondern sich in gefährlicher Weise geradezu zum Handlanger staatsfeindlicher Interessen degradiert.

Der Österreichische Kameradschaftsbund sieht sich im Hinblick auf diese negative Tendenz Ihrer Zeitschrift genötigt, im Namen aller ehemaligen Soldaten gegen jede Verunglimpfung des Soldatentums, wie sie auch in dem eingangs zitierten Artikel wieder unverholen zum Ausdruck kommt, schärfstens zu protestieren. Der Österreichische Kameradschaftsbund wird geeignete Maßnahmen ergreifen, um alle offiziellen Stellen, insbesondere aber die österreichische Bundesregierung, auf die große Gefahr, die dem Staatswesen aus der Untergrabung des Wehrwillens des Volkes, wie dies immer wieder durch in Ihrem Blatt veröffentlichte Artikel erfolgt, droht, aufmerksam zu machen. Der Österreichische Kameradschaftsbund wird es zu verhindern wissen, daß unduldsame Kreise unsere Soldaten und Offiziere durch solche unqualifizierte Artikel in ihrem Ansehen schädigen und in ihren hohen staatspolitischen Aufgaben beeinträchtigen.

Außerdem muß noch mit Befremden festgehalten werden, daß Sie in Ihrem Artikel in gröblicher Weise dem Parlament Ihre Mißachtung ausdrücken, weil ja, wie Sie sicherlich wissen dürften, die ehemaligen Soldaten des zweiten Weltkrieges auf Grund eines einstimmigen Beschlusses im Ministerrat und der mit Stimmeneinhelligkeit erfolgten Verabschiedung des Abzeichengesetzes im österreichischen Parlament, ihre ehrlich erworbenen Auszeichnungen tragen dürfen. Daran wird auch „Die Furche“ keinen ehemaligen Soldaten hindern können.

Wir erwarten von Ihnen, daß Sie auch unserer Meinung in Ihrem Blatt Raum geben und ersuchen Sie diesbezüglich um Abdruck ier vorstehenden Zuschrift.

Der Präsident Gröbminger e. h.

Niedriger hängen!

Sehr geehrter Herr Präsident Gröbminger!

Zugegeben: ich habe zunächst überlegt, ob ich Ihren obigen Ausführungen in der „Furche“ Raum geben soll oder nicht. Der Ton Ihres Schreibens ist, gelinde gesagt, etwas ungewöhnlich. Aber wir sind nicht zimperlich. Auch gereicht es unserem Blatt zur Ehre, im Widerspruch zu offenen und verdeckten Aspirationen gewisser Kreise, als deren Sprachrohr Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sich leider mißbrauchen ließen, zu stehen. Schon mehr war die Überlegung im Spiel, ob so viele Mitglieder Ihres Verbandes, die in ihm wirklich eine Pflege der alten Kameradschaft und auch etwas Geselligkeit suchen und denen unsere vollen Sympathien gelten, nicht zu Unrecht mit jener Geisteshaltung einer überwundenen Epoche identifiziert werden, die aus dem von Ihnen gezeichneten Brief und vielen Sonntagsreden spricht. Nun, Herr Präsident Gröbminger, es war Ihr Wunsch und Wille, Ihre Zeilen veröffentlicht zu sehen; so soll die österreichische Öffentlichkeit eben einmal Einblick bekommen in die Mentalität jener, die heute gerne „im Namen aller ehemaligen Soldaten“ zu sprechen belieben.

„Im Namen aller ehemaligen Soldaten“? Das allein ist schon eine Anmaßung. Meine Freunde in der Redaktion der „Furche“ und ich können sich nämlich, wie übrigens gewiß auch zehn-tausende anderer Österreicher, die, gleich uns, gezwungen waren den Rock der weiland Großdeutschen Wehrmacht zu tragen, nicht erinnern, Ihnen ein Mandat verliehen zu haben, in unserem Namen zu sprechen und Erklärungen abzugeben. Und, wir waren alle ohne Ausnahme keinesfalls KZler oder Emigranten — in den Augen der führenden Kreise des Kameradschaftsbundes wohl suspekte Personen? —, sondern Österreicher, die als Frontsoldaten im zweiten Weltkrieg für Hitler und seinen Größenwahn ihre Haut zu Markte trugen. Einige von uns tragen die Spuren jener Jahre noch deutlich auf ihrem Körper, andere wieder haben zu Hause in irgendeiner Lade, wohlverwahrt, eine nette, gar nicht so kleine, Kollektion jener Orden und Ehrenzeichen, um die sie gewiß manches Mitglied des Präsidiums des Kameradschaftsbundes beneiden könnte.

Soviel zur Vor- und Klarstellung. Nun aber zur Sache: In Ihrem Schreiben ist — über den Versuch unseren politischen Leumund zu schädigen, möchte ich in Ihrem Interesse hinweggehen — viel von „Verunglimpfung des Soldatentums“ die Rede, ohne daß Sie freilich auch nur einen Beweis für Ihre Behauptung antreten könnten. Oder ist das etwa in Ihren Augen „Verunglimpfung des Soldatentums“, „Untergrabung des Wehrwillens“ und wie die großen Worte, mit denen Sie rasch bei der Hand sind, alle heißen, wenn wir seit Jahr und Tag darauf aufmerksam gemacht haben, daß es nicht angeht, die Orden und Ehrenzeichen einer Armee, deren Sieg das Schicksal Österreichs als selbständigen Staat besiegelt hätte, in unser Bundesheer zu übernehmen? Wir standen mit dieser Meinung keineswegs allein. Alle verantwortungsvollen, österreichisch denkenden Publizisten und Politiker haben diese Meinung zu der ihren gemacht. Nicht zuletzt der Bundesminister für Landesverteidigung, der mit seinem Erlaß vom 7. April in diesem Sinn endgültig für Klarheit sorgte. Treffend hat unter anderen auch der Chefredakteur des „Kleinen Volksblattes“, Dr. Größl, den historischen Tatbestand formuliert: „Die militärische Tradition Österreichs ist zwischen 1938 und 1945 unterbrochen gewesen, obwohl hunderttausende Österreicher auf allen Schlachtfeldern des zweiten Weltkrieges kämpfen mußten. Und sie ist von eben derselben Wehrmacht unterbrochen worden, um deren Auszeichnungen die Diskussion geht. Es wäre schon aus diesem Grunde undenkbar, daß zu einer österreichischen Uniform ein Orden der Hitler-Zeit getragen werden könnte.“ („Das Kleine Volksblatt“, 30. April 1960.)

Aha: auch ein „Wehrkraftzersetzer“? Wie weit wollen Sie die Verwirrung aller Begriffe eigentlich noch treiben? Legen Sie doch lieber Ihre Karten offen auf den Tisch. Sie sind seit Jahr und Tag bemüht, uns einzureden, daß der zweite Weltkrieg in den Reihen der Heere Hitlers unsere Angelegenheit war. Wir haben diese gefährliche Lüge seinerzeit Goebbels und Schirach nicht abgekauft, wir haben noch weniger Lust, dies Gröbminger und Jaus zu tun. Die geschichtliche Wahrheit steht dem entgegen. Diese heißt vielmehr: Ohne Niederlage der deutschen Wehrmacht, der Sie noch immer anscheinend im Innersten verbunden sind, kein freies Österreich. Das Erkennen und Aussprechen dieser Tatsache mindert in keinem Fall die persönliche Tapferkeit einzelner Soldaten. Ihr'Tod unter fremden Fahnen war ein doppelt bitterer. Wir vergessen sie keineswegs. Nur, für Österreich und seine Freiheit sind sie nicht gestorben. Wer das sagt, ebnet einer Geschichtslüge den Weg. Da helfen auch keine Hilfskonstruktionen, wie „für die Heimat“ oder „gleichgültig in welcher Uniform“ usw.

Woher kennen wir übrigens alle diese Worte, die in Ihrem Munde so schal klingen? Es ist die Sprache der rechtsextremistischen „Deutschen Soldatenzeitung“, die von der demokratischen deutschen Öffentlichkeit abgelehnt wird und von der sich die Deutsche Bundeswehr, allen voran Minister Strauß, kürzlich entschieden distanzierte.

Das Abzeichen des Kameradschaftsbundes zeigt ein kleines österreichisches Wappen in einem großen stilisierten Eisernen Kreuz.

Schwarzweißrotweißrot? Kein schönes, kein patriotisches Farbenspiel — aber wohl ein Ausdruck der Gesinnung, die führende Kreise des Kameradschaftsbundes beseelt.

Sie werden, wie wir Sie kennen, wieder entrüstet protestieren. Sie werden auf Ihre Bekenntnisse zur „österreichischen Heimat“ hinweisen. Gestatten Sie, daß wir diesen Lippenbekenntnissen erst Glauben schenken, wenn wir sie durch Taten bekräftigt sehen. Diese sind führende Kreise des ÖKB bis heute schuldig geblieben. Dabei wäre vor einigen Wochen die beste Gelegenheit gewesen.

Am 8. April jährte sich zum fünfzehnten Mal der Todestag der Offiziere Major Biedermann, Hauptmann Huth und Oberleutnant Raschke, die unter den Händen der SS-Henker ihr Leben wahrhaft für „Gott und Österreich“ — wie der sterbende Hauptmann Huth mit letzter Kraft rief — gaben. Wo blieb die große Totenehrung des Kameradschaftsbundes für diese österreichischen Soldaten? Kein Wort, kein Kranz. Müssen wir froh sein, daß diesmal wenigstens Schmähungen, wie vor einigen Jahren die des Herrn Jaus, unterblieben?

Konkret: Erst wenn sich die heute führenden Kreise des ÖKB vor dem Grab Biedermanns, Huths und Rasehkes verneigen, erst wenn sie sich zu diesen für Österreich gefallenen Offizieren bekennen, können wir glauben, daß der Kameradschaftsbund wirklich auch ein ö s t e r-reic,hischer ist.

In der Hoffnung, daß dieser Briefwechsel den so notwendigen Klärungsprozeß in den Reihen des ÖKB fördert und seine Protektoren in den beiden großen Parteien die Notwendigkeit desselben erkennen hilft, empfiehlt sich

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