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Ökumenisches Ostermahl

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Katholisches Bildungswerk und Catholica Unio Salzburg (geleitet von H. H. A. Zollitsch) versuchten in fünr Donnerstagvorträgen („in der Stunde, da der Herr das Brot brach“) das Thema zu umreißen: „Das Mahl und die Einheit der Christen.“ — Das rege Interesse, das diese mit Hinblick auf das kommende Konzil veranstalteten Vorträge nicht nur bei den Katholiken, sondern auch auf evangelischer Seite fanden, bewiesen der rege Besuch und die Tatsache, daß sich auch Vertreter der anderen Konfessionen zu einem Schlußwort bereit fanden. Die außer von dem bekannten Exegeten Prof. Josef Dillersberger von Benediktinergelehrten gehaltenen Vorträge fanden ihre Krönung in der Eucharistiefeier in byzantisch-slawischem Ritus in der Stiftskirche St. Peter.

Bereits in den ältesten Kulturen der Menschheit war das Mahl in den Kult einbezogen. Einzigartig ist das Passahmahl der Juden mit seinem konkreten Bezug auf das einmalige geschichtliche Ereignis: Prof. Dillersberger bezeichnete das erste Passahmahl geradezu als die Geburtsstunde für die Geschichte Israels als Volk. Ergreifend die seit Jahrtausenden mit der ganzen Tradition des Volkes erfüllte s-Familienfeier, die allein schon das Volk Israel zusammenhalten konnte bis zum heutigen Tag Während beim jüdischen Mahl das ungesäuerte Brot nur Beigabe zum Osterlamm war, rückte es bei der christlichen Abendmahlfeier durch die Worte des Herrn in den Mittelpunkt; bei einem Mahl, „das herausführt aus aller geistigen Knechtschaft der Menschen, in dem sie sich erleben dürfen als Gottes Auserwählte und Mitbürger der Heiligen“. — „Im Ritus dieses neuen Mahles ist wie in einem Kern die gesamte Heilstat Gottes von Anfang an geheimnisvoll zusammengefaßt: als Brot und Wein an den Schöpfergott mahnend, als ungesäuertes Brot Zeichen für die Großtaten Gottes im Alten Testament.“

Zum Mahl gehört schon für den natürlich empfindenden Menschen die Einheit. Nirgends aber zeigt sich die Spaltung der Christenheit so deutlich wie gerade bei dem Mahl, das alle einen sollte. P. Dr. Ludger Bernhard OSB zeigte den Weg der Ostkirche, deren Kennzeichen noch die Zerrissenheit sei. Dennoch ist gerade sie es, die die ursprüngliche Liturgie treu bewahrte. Interessant i^r Hinweis P. Ludgers, daß nach einer Schrift aus dem 3. Jahrhundert, die zurückgeht auf die jüdische Urgemeinde von Jerusalem, das Abendmahl wahrscheinlich schon am Dienstag und nicht erst am Donnerstag stattgefunden habe.

Während in der Ostkirche an der Einheit zwischen Opferfeier und Opfermahl festgehalten wurde, trat diese in der Westkirche nicht so klar hervor. Dies betonte der Vortrag von Prof. Dr. P. Thomas Michel s'OSB,

Leiters des Institutes für christliches Altertum. Im Spätirrittelalter ist in der Kirche des Westens die Eucharistie nicht mehr Kulthandlung der Gemeinde, sondern Kultgegenstand. Sie ist eine heilige Substanz geworden, die von den Gläubigen geschaut und verehrt wird. Die Spekulation über die Lehre trat in den Vordergrund und führte zu einem Spiritualismus, dem das subjektive Erleben viel wichtiger war als der sakramentale Mitvollzug. Die Meßfeier wurde zu einer bloßen Andacht herabgewürdigt.

Ein Hindernis für die aktive Teilnahme war auch die soziale Struktur: der Unterschied zwischen Feudalordnung (Klerus) s-nd einfachem Volk. Das universale Priestertum wurde durch das amtliche ersetzt. Die lateinische Sprache erschwerte das Verständnis ebenso wie das Presbyterium das Geschehen am Altar vom Raum des gläubigen Volkes abhob.

Der eigentliche Sinn der urchristlichen Eucharistiefeier war — nicht in der Lehre der Kirche, aber in der Praxis — verfehlt und verfälscht. Was in der Reformation geschah, ist verständlich aus der vorausgegangenen Entwicklung. Der Vortrag von Dozent Dr. P. Viktor W a r n a c h OSB, Mitglied des Paderborner Arbeitskreises unter dem Vorsitz von Erzbischof Jäger, dem je 19 Wissenschaftler von katholischer und evangelischer Seite angehören, gab einen dankenswerten Überblick über die ganze Entwicklung und beschäftigte sich vor allem mit dem Anliegen der Reformatoren. Luther glaubte daran Anstoß nehmen zu müssen, daß der Priester Christus opfere. Er wollte Eucharistie wieder als Mahl, und zwar als Mahl der Gemeinde, stärker zur Geltung bringen, zumal durch sein Festhalten der Realpräsenz Christi. Im Kampf gegen die Schwärmer hat sich Luther ganz entschieden zur wirklichen Gegenwart Christi im Sakrament bekannt. Aber auch Luther ist es nicht gelungen, das unchristliche Mysterium der Eucharistie in seiner Fülle zurückzugewinnen, weil ihm theologische und historische Kenntnisse fehlten. Selbst auf evangelischer Seite spricht man heute vom einer Tragik, daß Luther durch Reduktion des Kanons das Zerstörungswerk fortsetzte. In der Zeit der Gegenreformation und des Barocks haben sich die Gegensätze versteift. Die Aufklärung ließ das Gespür für sakramentale Wirklichkeit immer mehr verkümmern. Aus einem gewissen neuen Manichäismus heraus hat man kein Verständnis mehr für sakramentale Symbolik. Religion wurde durch Ethik ersetzt. Von Zeitströmungen blieb auch der Katholizismus nicht unberührt. Der Jansenismus verbreitete ausgesprochene Scheu vor dem Sakrament. Erst die heutige Zeit liturgischer Erneuerung in beiden Konfessionen (Michaelsbruderschaft) findet wieder die Brücke zum Einverständnis zwischen evangelischen und katholischen Theologen.

Auch der Vortrag von Doz. Dr. P. Damasus Zähringer OSB, Mitglied mehrerer liturgischer Kommissionen,

über „das Mahl der Zukunft“ hob hervor, daß die weitere Entwicklung fruchtbar sein könnte. Es gehe nicht darum, die lebendige Tradition einfach umzuwerfen. Erste Aufgabe sei vielmehr die Tradition, die vielleicht verkrustet sei, wieder lebendig werden zu lassen. Es geht um aktive Teilnahme des Volkes, nicht nur um die Teilnahme in erstarrten Formen, in Riten, die man mitvollzieht. — Was könnte heute geändert werden — oder zu welchen Änderungen wäre auch die Kirche bereit?

In der Diskussion hierüber geht es darum, das Profil“ des Vollzuges deutlicher werden zu lassen. So sollten Gloria und Credo festlichen Anlässen vorbehalten bleiben, bei den Lesungen (Epistel, Evangelium) sollte die Duplizität (Lesung erst lateinisch, dann deutsch) abgeschafft werden. Der Wortgottesdienst sollte nicht vom Altar, sondern vom Ambo aus erfolgen, dem Verbindungsglied zum Volk. Zur Frage der Sprache hob P. Damasus hervor, daß die bisherige Darstellung der Meinung Roms hierüber eine Tatsache übersehen habe: Beim 50jährigen Jubiläum der kirchen-musikalischen Akademie in Rom hätte der Heilige Vater wohl den Vorrang der lateinischen Sprache in der Liturgia s o 1 e m n i s betont, anderseits aber geäußert: „Unsere besondere Zustimmung wird das Institut finden, wenn es religiöse Gesänge in der Volkssprache pflegt und lehrt.“ P. Damasus betonte besonders die Wichtigkeit der heiligen Kommunion: „Das Mahl wird bereitet, damit es gefeiert wird.“ Für den Gläubigen sollte ebenso wie für den Priester die heilige Kommunion zur Selbstverständlichkeit werden. „Die heilige Messe ist kein Schaugottesdienst.“ Damit der Charakter des Mahles stärker zum Ausdruck kommt, sollten die Hostien vielleicht nicht dünne Oblaten sein, sondern mehr den Charakter des Brotes haben. Zur Frage der Kommunion in beiderlei Gestalten meinte der Vortragende, daß die Austeilung des Brotes wohl aus praktischen Gründen beibehalten würde, der Bischof aber möglicherweise die Vollmacht bekäme, die Kömmunion bei besonderen Gelegenheiten austeilen zu lassen: bei Familienfeiern, bei der Brautmesse oder bei Konversionen. — Der feierliche gemeinsame Dank am Schluß der Messe sollte nicht vergessen sein.

Nach dem letzten Vortrag der Veranstaltungsreihe sprach der evangelische Pfarrer Sturm ein Dankeswort dafür, „daß wir einander schon so viel Vertrauen entgegenbringen und wirklich bereit sind, einander kennenzulernen“. Freilich müsse man Realist sein. Es werde noch viel Zeit vergehen, „bist wir miteinander das heilige Abendmahl feiern können“. Einstweilen müsse jeder seinen Weg gehen. Aber letztlich sei es belanglos, ob wir zu Christus auf diesem oder jenem Wege kommen. Wichtig sei nur das Ziel.

Nach dem evangelischen Sprecher zitierte ein orthodoxer Grieche, Hörer der Theologischen Fakultät Salzburg, ein Wort des Patriarchen von Konstantinopel an katholische Studenten: „Sie kommen von einer Kirche, mit der wir fast alles gemeinsam haben.“

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