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ÖROP: hochexplosiv!

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In einer Zeit hoher wirtschaftlicher Anspannung, da viel, wenn nicht alles, davon abhängt, daß die österreichischein Betrieb durch präzise Kalkulation und schärfste Rationalisierung in ihrer inneren Struktur Kraft und Lebendigkeit beweisen, dürfen Unternehmungen, die dem Staat gehören, keine Ausnahme machen, sondern müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Diese Forderung ist freilich theoretisch, die Praxis sieht leider vielfach anders aus, so sehr anders, daß, wie im Fall ÖROP, selbst für ihre Zurückhaltung bekannte Blätter, wie etwa die amtliche ,.Wiener Zeitung“, nicht umhin können, unmißverständlich Stellung zu nehmen.

Wo es raucht, dort brennt's, sagt ein Sprichwort, und in jüngster Zeit steigt aus dem Gebiet der ÖROP so viel mißfarbiger Rauch auf, daß daraus auf einen nicht mehr nur unterirdisch glosenden Brand geschlossen werden muß. Die ÖROP, eine Erinnerung an die Besatzungszeit, ist eines der letzten österreichischen Unternehmen, die noch von öffentlichen Verwaltern geführt werden. Da Aktienkapital ist total Bundeseigentum, die Führung der Geschäfte liegt in den Händen zweier seit Jahren vom Finanzministerium eingesetzter öffentlicher Verwalter.

Tendenz: Krebsgang

Die Vorwürfe, die man zu hören bekommt, sind aufregend genug. In einer Periode des emporschnellenden Kraftfahrzeugbestandes und der dadurch bedingten Spitzenkonjunktur des Treibstoffabsatzes hat die ÖROP eine rückläufige Tendenz. Während zum Beispiel die österreichische Konkurrenzfirma „Martha“, die vor wenigen Jahren erst 400 Tankstellen belieferte, heilte über mehr als 1000 Tankstellen verfügt, ging die Zahl der Tankstellen der ÖROP von , 800 auf 600 zurück, Diese Tatsache spricht Bände, jeder private Kaufmann, der ähnlich zu wirtschaften sich unterfinge, stünde alsbald vor dem Ruin.

Viele Dinge gilbt es da, von denen die Öffentlichkeit bis vor kurzem nichts ahnte, Dinge, die bis hinab zum kleinsten Steuerzahler äußerst interessant sind, geht es doch schließlich um einen öffentlichen Großbesitz, der allen gehört. Da wurde etwa vor etlichen Jahren von der ÖROP ein Flugplatztankwagen um eine Mil-liönensumme angekauft, mit dem Ziel, durch die kontinuierliche Lieferung von Flugtreibstoff in ein vielversprechendes Geschäft zu kommen. Was geschah? Ein Geschäft kam zustande — doch es wurde von anderen, tüchtigeren Firmen gemacht, und die ÖROP hatte wieder einmal das Nachsehen. Und weil die Trauben zu hoch hingen, vermietete man den Tankwagen schließlich obendrein an die erfolgreiche Konkurrenz.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Oder: Man ist großzügig in der Generaldirektion der ÖROP, man mustert mit der Begründung, ihre Haltung sei unproduktiv, alte Tanklieferwagen aus, verkauft sie um verhältnismäßig billiges Geld und schafft neue an. Ein positives Kapitel Rationalisierung, könnte man sagen. Doch wie sieht die Kehrseite aus? Die Käufer der alten, angeblich unrationellen Tankwagen waren Frachter für Treibstoff, und es sind absurderweise dieselben Frachter, dlie mit denselben Tankern um guten Fuhrlohn für dieselbe ÖROP Transportdienste leisten, es also verstehen, aus den ausrangierten Wagen durch vernünftigen Einsatz erkleckliche Profite herauszuwirt-schaften.

Ebenso großzügig int die öffentliche Verwaltung mit 150 gebrauchten Tanksäulen verfahren. Sie ließ sie zunächst um hohe Lohnkosten auf Glanz herrichten und verkaufte sie sodann um S 1000.— pro Stück. Das geschah zu einer Zeit, da zahlreiche ÖROP-Tankstellen Tanksäulen benötigten, also, so mußte jeder, der etwas von der Sache versteht, vermuten, daß sie an ebendiese Tankstellen abgegeben wurden. Keine Spur — entsprechend den wirtschaftlichen Sondergesetzen der ÖROP ging der Verkauf an einen Händler. Kaum hatte er die Tanksäulen, bot er sie seinerseits den ÖROP-Tankstellen zum Preise von 3000 bis 4000 Schilling an. Ein Gebietsvertreter, der es wagte, die öffentliche Verwaltung in geziemend respektvoller Form auf diesen kommerziellen Nonsens aufmerksam zu machen, beendete sehr rasch und unfreiwillig seine Tätigkeit bei der Firma.

80.000 Schilling Leistungsprämie

Das sind, nimmt man alles in allem, führwahr beängstigende Fehlleistungen, und der Laie könnte nun vermuten, daß der österreichische Staat eines Tages die Geduld verliert und ohne personelle Rücksichten nach dem Rechten sieht. Vorläufig, so war Pressemeldungen zu entnehmen, erfreuten sich die Leistungen der Verwaltung höchstobrigkeitlicher Billigung, denn Generaldirektor wie Direktor er-

hielten vor kurzem neue Verträge und nebst ihren Monatsgehältern von zirka 30.000 Schilling auch „außerordentliche Prämien in der Höhe von 80.000 Schilling. Was im einzelnen damit prämiiert werden sollte, wurde bisher nicht bekannt.

Also ist der Generaldirektor unfähig, den großen Betrieb zu leiten, könnte der Laie, nach Sichtung des Materials, bestürzt fragen. Keine Spur, antwortet der versierte Fachmann in Treibstofffragen. Und er erklärt dem staunenden Laien, daß der bewußte Manager seine Eignung bewiesen hat und täglich neu beweist — zwar nicht in der ÖROP, sondern (und nun gerät die Affäre plötzlich in ein merkwürdig diffuses, zweideutiges Licht) als Mitbesitzer und Direktor der Mineralölhandelsgesellschaft „Gallia“, eines Unternehmens mit internationalem Kapital, dessen Sitz Vaduz in Liechtenstein ist. Diese Firma, im Gegensatz zur ÖROP, floriert — fast ist man versucht, zu sagen: klarerweise — glänzend.

Protest der Belegschaft

Während der Staat selbst, trotz mehrfacher öffentlicher Kritiken über die Gebarung der ÖROP, die in den letzten Jahren erfolgten, sämtliche Augen zudrückte, so daß es aussah als ob er schliefe, gab es eine Instanz, die durchaus nicht schlief, sondern immer wacher wurde: die Belegschaft. Schon vor zwei Jahren hielt diese Belegschaft, von Sorge um das Schicksal des Unternehmens erfüllt, eine Betriebsversammlung ab und faßte eine Resoschicken muß. Gefährlicher ist schon das Wiehern des Proporzschimmeis, der soeben erst sprach: Eliminiert die Rechte Sesselhalter Nr. 1, so ist die Linke bereit, ihre Nr. 2 zu opfern. Solcher Unfug, an Spielregeln beim Marmerlscheiben erinnernd, ist böse, wer verantwortlich denkt, darf nicht müde werden, eine ernstere Prüfung zu verlangen.

Obwohl eine Prüfung durch den Rechnungshof mehr als dringend ist, begnügten sich andere Kreise mit dem Vorschlag, die ÖROP möge sich doch wenigstens der Untersuchung durch eines der bekannten Marktforschungsinstitute unterziehen, deren Aufgabe es ist, die innere Struktur von Großunternehmen zu durchleuchten und Reformvorschläge zu unterbreiten. Diese Zumutung wurde von den öffentlichen Verwaltern mit dem Hinweis, man liefere dem Finanzministerium ohnehin sieben Prozent Dividende pro Jahr ab, glatt abgelehnt.

Werbung und Investitionen unzulänglich

Sieben Prozent, gut und schön, sagen die Kritiker, doch es fragt sich, wie lange noch? Denn Gelegenheitsgeschäfte, die Lieferungen größerer Mengen öl oder Treibstoff betreffend, können niemals den kontinuierlichen, den Absatz in weite Zukunft sichernden und überdies besonders geschäftsgünstigen Betrieb eines weitgespannten Tankstellennetzes ersetzen, das man bedenkenlos (oder absichtlich?) verfallen läßt. Die ÖROP kann leicht sieben Prozent Dividende abliefern, solange sie einen Großteil jener unerläßlichen Investitionen, die für ein lebendiges Unternehmen zum Minimalprogramm gehören müssen, unterläßt. Weder gibt es ausreichend innerbetriebliche Erneuerungen noch eine öffentliche Reklame oder sonstige Werbung, die mit der Konkurrenz auch nur im geringsten Schritt halten könnte. Resultat? Viele Tankstellen-partner erneuern ihre Verträge nicht und wechseln zu anderen Firmen hinüber. ,

Lind doch gibt es ein Gebiet, auf dem von Laschheit der öffentlichen Verwaltung nichts zu merken ist: Das Vorgehen gegenüber den Betriebsangehörigen. Der Hinauswurf des Gebietsvertreters, der sich getraut hatte, im Firmeninteresse Kritik zu üben, wurde bereits erwähnt. Aber auch einfachen Arbeitern gegenüber ist die Energie der öffentlichen Verwaltung bemerkenswert: Als ein Arbeiter, der eine Dienstfahrt zu absolvieren gehabt hatte, irrtümlich einen Fahrschein (zum selben Preis, wohlgemerkt) ablieferte, der zwei Tage vor dieser Dienstfahrt markiert gewesen war, flog auch er. So wird das wichtigste Kapital eines Linternehmens, das Kapital des menschlichen Vertrauens, zerstört. Zum Schaden der Betriebsgemeinschaft, zum Schaden der Republik Österreich. Zu wessen Vorteil?

Frischer Wind tut not!

Man sträubt sich dagegen, die bereits schwarz auf weiß erörterte Theorie, wonach die ÖROP an den Ruin gebracht werden soll, damit sie zur billigen Beute für die Fangarme bestimmter auswärtiger Kapitalgruppen wird, zu glauben. Um so wichtiger ist es jedoch, konkrete Pläne für die Zukunft auszuarbeiten.

Darüber, ob an eine Fusionierung, beispielsweise mit dem erfolgreichen Unternehmen „Martha“ oder mit einem anderen Betrieb, gedacht werden soll oder etwa an eine Reprivati-sierung, die die ÖROP endlich unter die Herrschaft vernünftiger wirtschaftlicher Prinzipien bringen würde, haben die Fachleute höherer Instanzen zu entscheiden, und zwar bakL Unaufschiebbar ist als erster Schritt eine Prüfung des gesamten Gebarens durch den Obersten Rechnungshof, drin-gendst zu fordern ist frischer Wind, auch auf die Gefahr hin, daß der glosende Brand, dessen Rauch bitter in unseren Nasen schmeckt, sich in ein loderndes Feuer unter den Sitzpolstern des einen oder anderen Schreibtischgewaltigen verwandeln sollte. Und, abschließend, die Forderung: Die ÖROP, ein bedeutender Wirtschaftskörper, im Zeitalter der Motorisierung zu Leistung und Erfolg berufen, muß in österreichischen Händen bleiben!

lution, durch die die zuständigen Stellen um eine Prüfung der Geschäftsführung ersucht wurden. Was geschah nach diesem aufsehenerregenden Schritt? Dreimal dürfen wir raten. Es geschah — nichts.

Einer Betriebsratsabordnung, die dieser Tage dm Finanzministerium vorsprach, wurde eröffnet, daß erst im September Verhandlungstermine frei seien. Nun, der Sommer mit seinen Absenzen unter der Beamtenschaft ist in sämtlichen Bürokratien der Welt ein Elementargeschehen, das mit der Allgewalt eines sanften Tornados das Räderwerk der kompetenten Instanzen lahmlegt, worin man sich eben

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